3. März 2012

Lug, Betrug und jede Menge falscher Spuren

Versteinerte Kopulierenden Frösche?
Es ist eine der klassischen Anekdoten aus der Frühzeit der Paläontologie: Im Jahre 1725 wurden dem Professor der Medizin und Leibarzt des Bischofs von Würzburg, Dr. Johann Bartholomäus Adam Beringer (1667-1738), einige seltsame Stein zugespielt. Auf den Steinen waren klar erkennbar die Umrisse von Tieren, Pflanzen und unbekannten Wesen zu sehen - Beringer wusste sofort dass dies eine besondere Entdeckung war - ein Wunder dar Natur, vielleicht gar eine göttlichen Schöpfung. Er versprach den drei Burschen, die die ersten Steine angeblich gefunden hatten, für jeden weiteren Stein eine reiche Belohnung. Schon nach kurzer Zeit hatte er eine große Sammlung angelegt, die auch entsprechend der Bedeutung publiziert werden sollte. Im Jahre 1726 veröffentlichte Beringer eine Monographie mit 14 Kapiteln und 21 Druckplatten, die die 204 schönsten Stücke abbildeten - die "Lithographia Wirceburgensis". Doch dann wurde der Schwindel aufgedeckt - zwei Kollegen von Beringer,  der Mathematiker Jean Ignace Roderique (1697-1756) und der Theologe Johann Georg von Eckhardt (1664-1730), hatten die Figuren von den drei jungen Burschen in die Steine ritzen lassen und anschließend Beringer untergejubelt. Dieser hatte die plumpen Fälschungen nicht erkannte und als echte Fossilien angesehen! Ein Gelehrter mehr dem Aberglauben zugetan als der reinen Wissenschaft!
Beringer verbrennt daraufhin verbittert all die Exemplare der "Lithographia Wirceburgensis" und zerstört die Druckplatten, Roderique und Eckhardt mussten die Stadt verlassen aufgrund ihres unehrenhaften Betrugversuchs.

Fast jeder Student der Geowissenschaften kennt diese oder eine ähnliche Version des Mythos der "Würzburger Lügensteine" - mehr als 400 Lesesteine aus Muschelkalk die mit höchst seltsamen Figuren verziert sind. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass diese Geschichte selbst eine Fälschung aus dem 19. Jahrhundert ist.

Es ist nicht ganz klar wenn Beringer die ersten Steine erhalten hat. Er selbst behauptet dass dies im Mai 1725 geschehen ist bzw. er die Steine sogar selbst entdeckt hat! Auf jeden Fall beauftragte er zwischen Juni und November desselben Jahres die Gebrüder Hehn, den Burschen Kerl Zänger und eine vierte Person, die unbekannt geblieben ist, mit der "Ausgrabung" von weiteren Steinen.
Beringer beginnt sofort mit der Beschreibung der ersten Fundstücke, bestellt die Druckplatten für die geplante Monographie und publizierte bereits im Oktober 1725 eine kurze Stellungsnahme zu den Funden (bzw. der Tradition der Zeit folgend eine Vorbericht zum geplanten Buch). Bereits jetzt werden die Funde angezweifelt, allerdings präsentierte Beringer den Skeptikern verschiedene Berichte von Augenzeugen, die bei der Ausgrabung der Steine auf dem Hügel nahe Würzburg sogar dabei gewesen sein wollen. Von Eckhardt und später Roderique sollen die angebliche Fundstelle begutachten. Sie finden zwar keine Steine, allerdings auch keine Beweiße eines Betrugs oder Täuschung. 


Um den weiteren Verlauf der Geschichte besser zu verstehen, muss man sich den damaligen aktuellsten Wissenstand zu Fossilien vergegenwärtigen. Die Entstehung von Fossilien wird generell noch als Wunder angesehen. Erst 1669 hatte der Däne Niels Stensen eine Abhandlung publiziert in der zumindest nachgewiesen wird dass Fossilien anscheinend versteinerte Lebewesen sind (wobei der Prozess der Versteinerung unklar bleibt). Daraufhin deuten einige wenige Gelehrte die Fossilien als Reste der Lebewesen die durch die Sündflut verschüttet wurden - allerdings bleiben magisch-metaphysische Erklärungen, wie eine formgebende (göttliche?) Kraft im inneren der Erde, hoch im Kurs. 

Beringer behauptet niemals dass die Würzburger Lügensteine echte Fossilien - also versteinerte Lebewesen gemäß der Sündflut-Theorie - sind, sondern deutet die Meißelspuren (!) auf einigen von Ihnen als direkte Spuren des Eingreifens einer göttlichen Macht. Damit bleibt er sogar im Bereich der damaligen "klassischen Wissenschaft" und wird keineswegs als weltfremder Spinner abgetan.

Im Frühjahr 1726 erhält Beringer tatsächlich einige Steine die von Roderique stammen. Beringer wird ertappt, allerdings führt er eine gewieften Schachzug aus: diese Steine mögen Fälschungen sein, allerdings sei damit nicht bewiesen dass die vorherigen Steine (die lange vor der Ankunft von Roderique in Würzburg aufgetaucht waren) ebenfalls Täuschungen sein müssen. Er ist selbstbewusst genug um sogar einen Prozess gegen die "Verleumdungen" anzustreben (der erst nach dem Druck der "Lithographia Wirceburgensis" enden wird). Die vier Burschen werden befragt, geben allerdings nur zu die Steine an Beringer verkauft zu haben - die Herkunft der Steine bleibt im Dunkeln. Allerdings erlebt Beringer eine kleine Niederlage: zwar wurde nicht nachgewiesen dass die Steine gefälscht wurden, allerdings wird diskutiert dass ähnliche Steine - im Gegensatz zu Beringers Versicherungen - von Menschen hergestellt werden können.
Die "Lithographia Wirceburgensis" wird gedruckt und ist ein großer Erfolg, allerdings nicht der absolute Gottesbeweis wie von Beringer erhofft.

Alle beteiligten Personen litten nicht besonders unter dem so genannten Skandal. Roderique verlässt Würzburg freiwillig im Jahre 1730 und arbeitet als hochangesehener Verleger, Eckhart´s Rolle beschränkte sich auf das Begutachten der angeblichen Fundstelle und Beringer rührt die Druckplatten seiner Monographie nicht mal an - im Jahre 1767 erscheint sogar eine zweite Auflage.
Es konnte nie eindeutig geklärt werden wer die Lügensteine des Jahres 1725 hergestellt hatte. Die Ausführung ist professionell und die gewählten Motive waren damals wohl nur gelehrten Personen geläufig (vor allem die Meerstiere). Es gab kein Hinweis dass gegen Beringer intrigiert wurde - allerdings bleibt anzumerken dass eine der involvierten Personen tatsächlich ein Motiv gehabt hätte. 

Beringers Gottesbeweis durch die eingeritzten Figurensteine war seinem Gönner, dem Bischof von Würzburg gewidmet - eine große Ehre wenn es denn wahr gewesen wäre. Beringer hatte die Mittel, die Kontakte, die Möglichkeit und bestimmt das Wissen um einen solchen großangelegten Fälschungsfall auf die Beine zu stellen. Es spricht einiges dafür, dass der größte Trick von Beringer nicht auf seine, sondern auf unsere Kosten gegangen ist…

Literatur

BEHRINGER, J.B.A. & HUEBER, G.L. (1726): Litographiae Wirceburgensis, ducentis lapidum figuratorum, a potiori insectiformium, prodigiosis imaginibus exornatae specimen. Würzburg 1726. Scan by www.BioLib.de
NIEBUHR, B. & GEYER, G. (2005): Beringers Lügensteine: 493 Corpora Delicti zwischen Dichtung und Wahrheit. Beringeria Sonderheft 5, Teil II: 188
NIEBUHR, B. (2006): Wer hat hier gelogen? Die Würzburger Lügenstein-Affaire. Fossilien 1/2006: 15-19

17. Januar 2012

Das Erdbeben von Kobe

Am frühen Morgen des 17. Januar 1995, um 5:46, wurde die japanische Hafenstadt  Kobe von einem starken Erdbeben aus dem Schlaf gerissen.  Die Infrastruktur der Stadt wurde generell als erdbebensicher angesehen, allerdings starben mehr als 6.000 Menschen an diesem Tag. 

Zwar liegt die Subduktionszone der Philippinischen Platte vor der Küste, allerdings so weit entfernt von Kobe das eine unmittelbare Gefährdung ausgeschlossen wurde. Das Epizentrum des Erdbebens von Kobe lag tatsächlich entlang eines lokalen Störungsystems, unter der Meerenge von Akashi in einer Tiefe von nur 10km. Diese geringe Tiefe erklärt die verheerende Wirkung dieses (für japanische Verhältnisse) normalen Erdbebens mit einer Magnitude von 7.2 - die Energie wurde durch den Festgesteinsockel bis zur Stadt weitergeleitet, die teilweise auf gering verfestigte alluviale und marine Sedimente gebaut wurde. Diese wassergesättigten Böden verflüssigten sich und ganze Gebäude kippten einfach um. Vor allem im Hafenbereich - eine künstlich aufgeschüttete Insel - rutschten ganze Bereiche ins Hafenbecken.

Die meisten Opfer waren allerdings durch den Zusammenbruch der traditionellen japanischen Wohnhäuser zu beklagen. Diese Holzkonstruktionen tragen schwere Ziegeldächer,  bei Erdbeben schwingen diese wie ein Pendel hin und her und die Holzpfeiler brechen, Einwohner werden vom schweren Dach erschlagen.

Das Erdbeben von Kobe war auch eine der teuersten Naturkatastrophen der Neuzeit, mit Schäden von 3,5 Milliarden US-Dollars, Kosten durch den Ausfall der Infrastruktur und vor allem des internationalen Containerhafens nicht mitgerechnet. 


Literatur:

KOKETSU, K.; YOSHIDA, S. & HIGASHIHARA, H. (1998): A fault model of the 1995 Kobe earthquake derived from the GPS data on the Akashi Kaikyo Bridge and other datasets. Earth Planets Space, 50: 803-811
WALKER, B. (1982): Earthquake. Planet Earth. Time Life Books: 154

12. Januar 2012

Steno und die Anfänge der Stratigraphie

Einzelne Philosophen und Gelehrte hatten schon in der Antike die Schichtung von bestimmten Gesteinen bemerkt und Spekulationen darüber angestellt: für griechische Philosophen war klar das Land und Meer im Laufe der Zeit kamen und gingen und Spuren in Form von Fossilien in den Schichten hinterließen. Arabische Gelehrten erklärten die Schichtung sogar als Ergebnisse der Erosion und Ablagerung von Bruchstücken von Gesteinen.
Aber diese Ideen wurden nur von einigen wenigen Personen vertreten oder in kleinen Gruppen diskutierte - eine eigen Wissenschaft die sich mit den Schichten der Erde beschäftige entstand daraus nicht. 
Auch der Renaissance -Gelehrte und Künstler Leonardo da Vinci (1452-1519) studierte Fossilien und Schichten. Er erkannte die organische Natur der Fossilien und erklärte folgerichtig dass die Schichtflächen Zeiträume mit unterbrochener Sedimentation darstellen. Allerdings behielt da Vinci diese Wissen für sich und wendete es nur in seinen Bildern an (z.B. im Hintergrund der Felsgrottenmadonna, in der die Klippen doch relativ natürlich  wirken und auch ein die Sedimentationsebene eines Flusses zu erkennen ist).
 

Der Arzt und Gelehrte Georgius Agricola, oder Georg Bauer (1494-1555), war der erste der eine frühe Schichtenkunde in seinem "De Re Metallica" (1556) beschrieb - er führte an wie Vererzungen im Gebirge verlaufen und auch wie man das Erz abbauen kann. Allerdings konnte er nicht erklären wie diese "Schichtung" entstanden war.

Abb.1. Alles gute Niels Stensen - 11. Januar 2012.

Erst der dänische Anatom Niels Stensen (1638-1686), auch Nicholaus Steno, erstellte eine Theorie der Schichtenkunde auf. Er verfasste eine Reihe von Regeln mit denen die Abfolge der Schichten beschrieben und erklärt werden konnte - vor allem führte er das Konzept von Zeit in eine stratigraphische Abfolge ein.

-    Fossilien sind die Überreste von einst lebendigen Wesen.

-    Ungestörte Gesteinsschichten sind in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, mit der ältesten Schicht zuunterst und der jüngsten Schicht obenauf.

-    Gesteinsschichten lagern sich stets horizontal ab, erst durch spätere Störungen können sie  verlagert oder steil gestellt werden.

-    Eine Schicht erstreckt sich unbeschränkt in horizontaler Richtung, fall sich nicht ein Hindernis im Weg befindet. Dieses Gesetz ermöglicht es Schichten an verschiedenen Seiten eines Tales miteinander zu korrelieren.

-    Falls ein Körper oder eine Diskontinuität die Schichtung quert, muss diese Schicht älter sein bzw. der Körper oder Diskontinuität jünger.

Steno erklärt geneigten Schichten (die im Widerspruch zu seinem Prinzip der ursprünglichen Horizontalität liegen) als Ergebnis von Einbrüchen von großen unteririschen Erosionshohlräumen. In seiner ursprünglichen Beschreibung stellt er diese Phasen nebeneinander in einem großen Zyklus dar - Ablagerung und Erosion sind wiederkehrende Ereignisse die sich immer und immer wieder abspielen - ein erster Hinweis auf die "Tiefenzeit der Geologie."

Abb.2. Die Erosions- und Ablagerungsphasen erklären die Schichten der Erde, nach Niels Stensen "Prodromus" (1669).

Literatur:

GOULD, S.J. (1988): Time´s arrow Time´s cycle Myth and Metaphor in the Discovery of geological Time. Harvard University Press: 240
KOUTSOUKOS, E.A.M. (2005): Applied Stratigraphy. Topics in Geobiology Vol.23.: 488
LAZZARI, C. (2000): Le Scienze della Terra nel Veneto dalle origini ai giorni nostri – 8 secoli di studi, scoperte, progressi e leggende. Società Veneziana di Scienze Naturali: 171
VAI, G.B. (2007): A history of chronostratigraphy. Stratigraphy, Vol.4. (2/3): 83-97

6. Januar 2012

100 Jahre Kontinentalverschiebung

Am 6. Januar 1912 stellte der Meteorologe Alfred Wegener in einem öffentlichen Vortrag mit dem Titel "Die Heraushebung der Großformen der Erdrinde (Kontinente und Ozeane) auf geophysikalischer Grundlage" seine Arbeitshypothese über einen Großkontinent namens Pangaea dar, dessen verdriftete Bruchstücke die modernen Kontinente bilden. Wegener war nicht der erste der einen ehemaligen Superkontinent vermutete. Die passenden Küstenformen von Afrika und Südamerika waren schon kurz nach der Veröffentlichung der ersten geographischen Karten  der neuen Welt aufgefallen. In 1658 publizierte der Mönch Francois Placet ein Büchlein in dem er das Auseinanderbrechen eines Kontinents während der biblischen Flut vermutete, der mittlere Teil zwischen Amerika und Afrika versank dabei als sagenhafte Insel Atlantis in den Fluten.
In 1858 publizierte der Französische Naturforscher Antonio Snider-Pellegrini die erste Karte eines Ur-Kontinents, allerdings nahm auch er an das dieser Kontinent durch die Wucht der biblischen Flut zerrissen wurde.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Vorstellungen dieses hypothetischen Kontinents verfeinert, allerdings fehlte stets der Mechanismus um das Zerbrechen und das Verdriften von ganzen Kontinenten zu erklären. In 1889 und 1909 vermutete der Italiener Roberto Mantovani das sich die Erde langsam ausdehnt, in 1908 schlug der Amerikanische Amateur-Geologe Frank B. Taylor vor das der Mond mit seiner Gravitation die Kruste der Erde in Falten legen würde und Kontinente hinter sich her zieht. Der österreichische Geologe Otto Ampferer spekulierte in 1906 mit seiner "Unterströmungstheorie" über Magmaströmungen die Teile der Kruste mit sich in den Erdmantel ziehen würden, und dabei zur Faltung der Alpen führten. Ampferer konnte allerdings nicht erklären woher die Energie für solche Bewegungen stammt und wird später die Verschiebungstheorie von Wegener ablehnen (Wegener vermutet Gravitations- und Zentrifugalkräfte als Motor der Verschiebung der Kontinente).




Wegeners Verdienst ist die Idee eines Superkontinents mit zahlreichen Hinweißen aus der Biologie, Paläontologie, Geologie, Paläoklimatologie und Geophysik zur Diskussion in der Wissenschaft gebracht, und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben (der große Lovecraft würdigt Wegeners Hypothese in seinem "Berge des Wahnsinns"). Wegener konnte allerdings wie seine Vorläufer nicht schlüssig erklären wie Kontinente sich bewegen könnten, auch weil er davon ausging das diese wie Eisschollen durch den basaltischen Ozenaboden pflügen - ein Kritikpunkt (unter vielen) der Kontinentaldrift war, dass sich eben keine Verstauchungen, verursacht durch die treibenden Kontinente,  im Ozeanboden finden lassen.

Wegener stirbt 1930, die Idee der Kontinentaldrift führt zunächst ein Schattendasein, in abgeänderter Form durch zahlreiche Feldgeologen lebt sie weiter. Erst 30 Jahre später werden Messungen des Ozeanbodens denn nächsten Schritt einleiten.



Links:

BRESSAN, D. (06.12.2012): January 6, 1912: Continental Drift! 
RIES, G. (06.01.2012): Happy Birthday, Kontinentaldrift.
scinexx (Hrsg.) (06.01.2012): 100 Jahre Plattentektonik - Alfred Wegener und seine Theorie.


Literatur:

MILLER, R. & ATWATER, T. (1983): Continents in Collision. Time-life books, Amsterdam: 176

3. Januar 2012

Geokalypse Now



Ein Artikel des "Daily Mail", der gestern veröffentlicht wurde, stellt die Frage "Ob ein Supervulkan nur 600* Kilometer entfernt von London bereit ist auszubrechen?" Wie Andrew Alden auf seinem Blog "Geology.About" bemerkt: wenn eine Schlagzeile schon in Form einer rhetorischen Frage daherkommt kann es nur eine Antwort geben: NEIN!
Der vermeintliche Supervulkan ist in diesem Fall der Laacher See, ein Kratersee der sich ungefähr 40 km südlich von Bonn innerhalb des rheinischen Grabenbruchsystems findet. Der See bildete sich als die ehemalige Magmakammer des Laacher See Vulkans zusammenbrach und die Caldera sich mit Wasser füllte.
Aufgrund von durch Aschablagerungen verschütteten Pflanzen und radiometrischen Altersdaten (C14; 40Ar/39Ar) wird das Alter des Ausbruches mit 12900+-560 B.P. angegeben (Dendrochronologie ergab ein Alter von 12.916 B.P., publizierte Daten nach BAALES et. al. 2002). Die Pflanzenfossilien lassen auch vermuten, dass der Ausbruch im Spätfrühling - Frühsommer einsetzte.
Rezentvergleiche und die geringe Erosion der Ascheschichten (es wurden Abdrücke von Regentropfen und Tierspuren, die in der feuchten Asche erhalten blieben, gefunden) lassen auf eine Ausbruchsdauer von einigen Stunden bis 3 Wochen bzw. wenigen Monaten schließen. Der gesamte Vulkanismus der Eifel ist sicherlich um einige Millionen Jahre älter. Allerdings gibt es keine Hinweiße darauf dass das Gebiet, wie im Daily Mail Artikel behauptet, periodisch aktiv ist und daher, nach 10.000 Jahren, "wieder einmal" bereit ist auszubrechen. Der Vulkanologe Erik Klemetti stellt auf seinem Blog "Eruptions" auch klar, das die angebliche wachsende vulkanische Tätigkeit - vor allem das Ausströmen von Gasen wie Kohlendioxid im See (siehe Video mit Mofetten am Ufer des Laacher Sees) - seit Jahrhunderten besteht und tatsächlich nichts Ungewöhnliches für die Gegend ist.



Die Eifel mit ihren vielen Kratern und Maaren hat schon immer die Fantasie von Geologen beschäftigt - handelt es sich doch um eines der größten "Vulkangebiete" Mitteleuropas und die alten vulkanischen Ablagerungen beweisen das große Eruptionen tatsächlich stattfanden.
Kein Wunder das auch der Geologe Ulrich C. Schreiber in seinem Thriller "Die Flucht der Ameisen - Eine Geokalyptische Vision" (2006) das Szenario eines gewaltigen Ausbruch hier ansiedelt. Ein Vulkan der in Island ausbricht ist zwar auch faszinierend, aber eine Bedrohung mitten in Siedlungs- und Industrieraum Europas steigert nun mal die Spannung.

- Der fiktive drohende Vulkanausbruch kündigt sich durch Erdbeben, Gasaustritte und verrückt gewordene Ameisen, sowie thermischen Anomalien an, Phänomene die teilweise tatsächlich zur Prognose von steigender Vulkantätigkeit genutzt werden.
- Der fiktive Ausbruch ist begleiten von Pyroklastischen Strömen und schleudert zuerst große Mengen Asche in die Atmosphäre.
Auch bei dem prähistorischen realen Ausbruch kam es zunächst zu einer heftigen explosiven Ausbruchstätigkeit. Durch den Kontakt des aufsteigenden Magmas mit Grundwasser bzw. Oberflächenwasser kommt es zu heftigen Dampfexplosionen (sogenannte phreatomagmatische Eruptionen), die den Krater freisprengten und Feinmaterial hoch in die Atmosphäre schleuderten.
Das gesamte ausgeschleuderte Material wird aufgrund der Verbreitung und der gemessenen Schichtmächtigkeit auf über 20 Kubikkilometer geschätzt, daher der Vergleich im Daily Mail Artikel mit dem rezenten Vulkanausbruches des Pinatubos im Jahre 1991 auf den Philippinen. Fast 98% des Aschematerials gingen in unmittelbarer Umgebung der Caldera nieder, der Feinanteil wurde jedoch bis in die Stratosphäre geschleudert und dort in die vorherrschende Windrichtung über beinahe ganz Mitteleuropa verfrachtet (SCHMINCKE et. al. 1999). Die Laacher See Tephra-Schicht ist daher auch ein wichtiger Markerhorizont in europäischen Quartär-Sedimenten.

Abb.1. Die Laacher See Tephra als graue Schicht in weißen Seekreiden, wie sie in einem Bohrkern aus dem französischen See Lautrey gefunden werden kann.

- Es kommt danach auch zur Bildung von Spalten aus denen große Mengen von dünnflüssiger Lava ausströmen, die im Roman den Rhein blockieren und ein Seebecken bilden - ein See der droht auszubrechen und Millionen Menschen gefährdet. Tatsächlich bildete sich während des explosiven Laacher See Ausbruches ein Damm, allerdings aus Ignimbriten und Pyroklastischen Strömen, der die Mosel und der Rhein zum Neuwied-Rhein-See aufstaute. Seesedimente werden hier von chaotischen Sedimenten abgelöst die auch einen Seeausbruch vermuten lassen, allerdings ist nicht klar wie katastrophal dieser Ausbruch tatsächlich war.

Schreiber nutzt zwar als Geologe wissenschaftliche Erkenntnisse, aber als Buchautor nimmt er sich natürlich auch Freiheiten. Der Verlauf des Ausbruches ist zwar insgesamt plausibel, aber zeitlich ziemlich übertrieben. Der Vulkan "erwacht" plötzlich innerhalb weniger Monate um innerhalb von Tagen gewaltige Explosionen zu verursachen. Noch Monate danach kommt es zu gewaltigen Lavaflüsse die ganze Täler überfluten.
Aber selbst Schreiber stellt klar - im Gegensatz zu sensationsgeilen Reportern - das es zurzeit keine Hinweiße oder außergewöhnliche vulkanische Aktivität in der Eifel gibt. Ein geologisches Risiko für eine kurzfristige Eruption besteht zwar, aber wer Geologen kennt sollte eigentlich wissen, dass sie in Millionen von Jahren denken.

* eigentlich sind es um die 500 Kilometer

Literatur:

SCHMINCKE, H.S.; PARK, C. & HARMS E. (1999): Evolution and environmental impacts of the eruption of Laacher See Volcano (Germany) 12,900 a BP. Quaternary International 61: 61-72
BAALES, M.; JÖRIS, O.; STREET, M.; BITTMANN, F.; WEININGER, B. & WIETHOLD, J. (2002): Impact of the Late Glacial Eruption of the Laacher See Volcano, Central Rhineland, Germany. Quaternary Research 58: 273-288

25. Dezember 2011

Forensische Geologie

Osteographia (1733)
Am 20. Februar 1949 verschwand die 69-jähride Witwe Henrietta Helen Olivia Roberts Durand-Deacon spurlos aus ihrem Zimmer im Onslow Court Hotel, South Kensigton, London. Die Polizei verhörte die Anwohner des Hotels und bald darauf wurde John George Haigh verdächtigt, ein 40-jähriger Tagelöhner der bereits vorbestraft war wegen Diebstahls und Betrug. Er war auch die letzte Person die zusammen mit der Vermissten gesehen worden war. 
Haigh führte die Polizei zu einer alten Lagerhalle in der Leopard Road in Sussex in der einige seltsame Dinge aufgefunden wurden: eine Pistole, Schutzkleidung aus Gummi und drei Behälter für Schwefelsäure. Er machte keinen Hehl aus seiner Tat: 

"Miss Durand-Deacon existiert nicht mehr. Sie ist völlig verschwunden und keine Spur wird von ihr jemals gefunden werden. Ich habe sie in der Säure aufgelöst. Den Bodensatz habe ich auf der Leopard Road verteilt. Sie können mir keinen Mord nachweißen ohne einen Körper.

Glücklicherweise hatte Haigh einen wichtigen Punkt übersehen: das Gesetz benötigt keinen Körper sondern einen Nachweiß das ein Mord geschehen ist.
Der Pathologe Keith Simpson untersuchte den Boden vor dem Lagerhaus in der Leopard Road und bald wurde er auf einem seltsamen Kieselstein mit glattgeschliffenen Facetten aufmerksam. Simpson erkannte dass es sich um einen Gallenstein von Miss Durand-Deacon handelte - der gesuchte Beweiß um den Mord nachzuweißen. 

Gallensteine sind anorganische Konkretionen die aus säurelöslichen Mineralien bestehen, allerdings sind sie oft mit einem organischen Film aus Fett bedeckt, die in diesem Fall den Stein vor dem Angriff der Säure schützten.

Vielleicht ist der Haigh-Fall einer der außergewöhnlichsten Fälle in der Geologie als bevorzugte Methode der Forensik zur Anwendung kam, er ist aber bei weitem nicht der einzige.
Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Bodenproben die am Verdächtigen und am Tatort gefunden wurden miteinander verglichen um einen Zusammenhang zu beweißen. In 1856 beschreibt ein Artikel in der amerikanischen Zeitschrift "Scientific American" die Lösung eines Diebstahls mit der Hilfe von Sand. Der Geologe und Zoologe Professor Christian Gottfried Ehrenberg (1795-1896) aus Berlin berichtet darin, dass während einer Zugfahrt die Silbermünzen aus einem Schatzkästchen durch Sand ersetzt wurden. Daraufhin ließ er sich Sandproben von der Umgebung aller Bahnhöfe schicken, an denen der Zug gehalten hatte. Nachdem er den Herkunftsort des Sandes aus dem Kästchen identifiziert hatte, war es nicht schwer zwischen dem Bodenpersonal des entsprechenden Bahnhofes einen Hauptverdächtigen zu finden.

Abb.2. Bodenproben können sich in der Farbe, der Textur, Korngrößen, der petrographischen/chemischen Zusammensetzung, den Anteil von organischem Material (Humus, Schalenreste) untereinander unterscheiden, zugleich können diese Eigenschaften einzigartig für einen gewissen (Tat-)Ort sein.

Der viktorianische Autor Sir Arthur Conan Doyle setzte solchen Wissenschaftlern in 1887 ein literarisches Monument in der Form des beratenden Detektiv Sherlock Holmes, der sein Fälle mit forensischen Methoden zu lösen pflegte:

"Kenntnisse in Geologie: Verwendbar, aber begrenzt. Kann mit einem Blick verschiedene Böden unterscheiden. Nach Spaziergängen hat er mir Spritzer auf seiner Hosegezeigt und mir anhand ihrer Farbe und Zusammensetzung gesagt, in welcher Gegend von London sie ihm zuteilwurden."
"Eine Studie in Scharlachrot"

Doyle hielt sich auf dem Laufenden was wissenschaftliche Erkenntnisse angeht und war sicher auch betraut mit den Arbeitshypothesen des Österreichischen Kriminologen Hans Gross (1847-1915). In seinem Lehrbuch "System der Kriminalistik" (1891) schlägt Gross vor, dass Ermittler sich auch geologischer und geomorphologischer Karten bedienen sollten um mögliche Verstecke für Leichen zu finden: wie z.B. Steinbrüche, Sandgruben, Moore oder Gewässer. In seinem "Handbuch für Untersuchungsrichter" (1893) beschreibt er wie die petrographische Zusammensetzung von Schmutz- und Bodenproben dazu verwendet werden kann um einen Tatverdächtigen mit den Tatort in Zusammenhang zu bringen.
Es war der deutsche Chemiker Georg Popp (1867-1928) der dieses Prinzip zum ersten Mal anwandte um einen Mord zu lösen. Im Frühling  1908 wurde Margarethe Filbert nahe der Stadt Rockenhausen (Bayern) tot aufgefunden. Der zuständige Untersuchungsrichter kannte die Bücher  von Gross und hatte eine Studie von Popp gelesen, in der er Hornblende-Körner der Nasenschleimhaut einer Erwürgten mit den Partikeln unter den Fingernägeln des Täters verglichen hatte.
Im Fall von Margarethe Filbert gab es einen Verdächtigen, den Landarbeiter Andreas Schlicher, der aber behauptete am Tag des Mordes in seinen Feldern gearbeitet zu haben. Popp untersuchte den anhaftenden Schmutz und Schlamm an den Schuhen von Schlicher und kam zu einem ganz anderen Schluss. An den Schuhen fand er drei verschiedene Bodenarten: ein Sediment, vermischt mit Gänsekot, entsprach der Bodenart die im Innenhof von Schlichers Haus gefunden worden war, eine Schicht enthielt Fragmente aus roten Sandstein und die letzte Schicht enthielt Fragmente von Ziegelsteinen, Asche und Zement, ähnlich dem Boden an der die Tatwaffe - ein Gewehr - aufgefunden worden war. Keine dieser Bodenproben entsprach dagegen dem Boden der auf den Feldern - wo Schindler angeblich arbeitete - vorhanden war, reich an Bruchstücken aus Porphyr und Mineralien wie Glimmer und Feldspat. Schindler hatte eindeutig gelogen.

Auch in einem anderen höchst interessanten Fall konnten geologische Spuren einen wichtigen Hinweis auf den Ablauf eines Mordes geben.

Am Abend des 24. November 1936 wurde auf einer nicht sehr verkehrsreichen Straße in der Umgebung von Münster eine weibliche Leiche aufgefunden. Sie lag schräg mit dem Kopf gegen den Straßenrand ausgestreckt, drei Meter  daneben lag ein verbeultes Fahrrad dessen Speichen mit Blut und Erde bespritzt waren.
Prellsteinen am Straßenrand zeigten Blutspritzer die von unten nach oben verliefen. Der in die Fahrtrichtung nächste Prellstein fehlte und lag 3 Meter entfernt im Gebüsch an der Böschung. Er wies an zwei Stellen verschmierte Flecken auf.
Der Kopf lag inmitten einer großen Blutlache und an der Wollmütze, in den Haaren und Umgebung des Kopfes lagen weiße Kalkplättchen herum. Abgesehen von den Wunden am Kopf konnten keine Verletzungen gefunden werden - der Schädelknochen war mehrmals gebrochen, an der linken Schläfenhälfte lag eine runde Hautverletzung vor, der Knochen darunter schien jedoch unverletzt.

Die Polizei ging zunächst von einem Verkehrsunfall aus:

"Der objektive Befund gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass an dem Tod der Frau ein Zweiter schuld ist, vielmehr lässt der objektive Befund darauf schließen, dass Frau R. durch einen Unglücksfall zu Tode gekommen ist, indem sie auf der abschüssigen Straße mit dem Fahrrad zu Fall gekommen und hierbei mit dem Kopf gegen den Prellstein geflogen ist."
Abschließendes Gutachten der Mordkommission.

Diese Rekonstruktion schien mit der Aussage des Ehemann übereinzustimmen: Der Mann behauptete zusammen mit seiner Frau am 24. November gegen 16.30 Uhr auf der Straße in Richtung ihres Dorfes unterwegs gewesen zu sein. Als dichter Nebel aufkam fuhr er voraus. Zuhause angekommen wartete er längere Zeit auf seine Frau, als sie aber nicht kam machte er sich auf der Suche nach ihr.

Allerdings kamen bald Zweifel an dieser Geschichte auf, da klar wurde dass die Ehe nicht so harmonisch gewesen war wie vom Ehemann dargestellt. Es wurde beschlossen eine Exhumierung und genauere Leichenuntersuchung durchzuführen. 10 Tage nach dem Unfall wurde die Leiche exhumiert und der zertrümmerte Schädel vom Weichgewebe gereinigt und wieder zusammengesetzt. Dabei wurde die Austrittsöffnung einer Pistolenkugel an der rechten Schädelhälfte entdeckt. Bei der ersten Untersuchung war der Knochen so verrutscht gewesen, dass der untersuchende Arzt zwar die runde Hautverletzung bemerkt hatte,  den eigentlichen Schusskanal aber übersehen hatte.

Die Frau war angeschossen worden, allerdings erklärte dies nicht die Zertrümmerung des gesamten Schädels und vor allem des Gesichtsbereiches. Bei der zweiten Untersuchung wurde auch Blut in den Lungen festgestellt - der Schuss war nicht tödlich gewesen und das Opfer hatte sein eigens Blut eingeatmet.
Die Blutspritzer (die von unten nach oben verlaufen) am Prellstein ließen vermuten das der Kopf auf der Straße lag, als das Blut nach oben hin verspritzt wurde. Der Kopf war nicht - wie vorher angenommen - gegen den Stein geprallt. Die Kalksteinfragmente rund um den Kopf ließen vermuten, dass der zweiter Prellstein (der später im Gebüsch gefunden wurde) dazu benutzt worden war die angeschossene, aber noch lebende Frau, zu erschlagen.
Diesen Beweißen gegenübergestellt gestand der Ehemann schließlich den Mord.

Allerdings zeigt ein ungelöster Kriminalfall auch die Grenzen der  forensischen Geologie und forensischen Bodenkunde auf.

Im Jahre 1997 stießen Amateurtaucher in 24 Meter Wassertiefe im nordenglischen See von Coniston-Water auf ein seltsames Gebilde. Es handelte sich um eine Leiche die zusammen mit Bleirohre und Steinen in alten Decken eingewickelt worden war.
Bald darauf wurde der Ehemann einer im Jahre 1967 verschwundenen Frau verdächtigt und verhaftet - Gordon Park. Der Verdacht fußte vor allem auf den Fund eines Steines im See nahe der Leiche, da der Stein aus dem See Siltstein-Blöcken ähnelte die im Haus von Park verbaut worden waren. In 2004 untersuchte der Geologe Duncan Pirrie das Beweißstück mit der Kennzeichnung PDB 5/19 und stellte fest dass diese Gesteinsart nicht natürlich als Festgestein am Ufer des Sees zu finden ist. Der Fall schien klar, Gordon Park hatte den Stein von der Baustelle seines Hauses als Gewicht für den Leichensack verwendet.
Allerdings beauftragte die Verteidigung ein Gegengutachten das vom Geologen Kenneth Pye und später Andrew Moncrief ausgestellt wurde. Letzterer stellte fest, das der Stein ein metamorpher Grünschiefer (genau genommen handelt es sich um ein Grünschiefer-faziell überprägtes Tuffgestein, das unter den Handelsnamen "Westmorland green slate" vermarktet wird)  war, der natürlich in Aufschlüssen des Borrowdale Volcanic Group im mittleren Lake District vorkommt, im Norden des Coniston-Water gelegen. Allerdings sind Findlinge von diesem Gestein durch Eiszeitgletscher nach Süden hin verfrachtet worden.
Moncrief wies weiters darauf hin, dass die Blöcke aus Grünschiefer die im See gefunden worden waren, aus den glazialen Sedimenten stammen konnten die weit verbreitet in der Gegend sind - die Steine konnten in jedem Fall nicht als eindeutiger Beweiß gelten der den Leichnam und die Baustelle in Parks Haus in Verbindung brachten. Trotz dieser niederschmetternden Ergebnisse wurde Park zu einer Haftstraße verurteilt. In 2010 erhängte er sich in seiner Zelle - er hatte bis zuletzt seine Unschuld beteuert.
Der Richter fasste den Geologenstreit während des Prozesses mit folgenden Worten zusammen:

"Steine, meine werten Geschworenen, Steine also…[]…Die Wissenschaft, die der Untersuchung Zugrunde lag, war wirklich außerordentlich anspruchsvoll, nicht wahr? Sie war von einer Ehrfurcht gebietenden Güte, die wohl niemand von uns bisher je so genossen hat.
Es handelt sich nun einmal um Expertenwissen, aber ich glaube, es ist den Experten gelungen, ihre Aussage auf ein verständliches Maß herunterzuschrauben. Zumindest die entscheidenden Punkte sind uns klar geworden, wir haben verstanden, worin sich die Aussagen der beiden Forscher unterscheiden.
"

Trotzdem hat Geologie als forensische Naturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Forensische Geologie wird nicht nur dazu benutzt Täter und Tat miteinander zu verbinden, sondern auch um die Herkunft von Sprengstoffen und Schmuggelmaterial zu klären. Geologen helfen Gräber zu finden (z.B. mit GeoRADAR) oder die Geschichte eines Grabes zu rekonstruieren, z.B. wenn fremdes Bodenmaterial verwendet wird oder eine Umbettung der Leiche stattgefunden hat. Geologen können Quellen von Umweltverschmutzung lokalisieren und helfen Umweltverbrechen aufzudecken.
Und dies sind nur einige Beispiele für die Anwendung der Geologie bei der Lösung von Kriminalfällen - selbst Sherlock Holmes würde staunen.

Literatur:

BENECKE, M. (2007): Mordspuren - Neue spektakuläre Kriminalfälle - erzählt vom bekanntesten Kriminologen der Welt. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach: 494
BRESSAN, D. (2011): It's sedimentary, my dear Watson. Scientific American Blog Network "History of geology". Accessed 24.12.2011
CHESELDEN, W. (1733): Osteographia, or The anatomy of the bones. Historical Anatomies on the Web. Accessed 24.12.2011
PYE, K. (2004): Forensic Geology. In R.C. Selley, L.R.M Cocks and I.R Plimer (ed.) Encyclopedia of Geology. Elsevier: 261- 273
RUFFELL, A. & McKINLEY, J. (2005): Forensic geoscience: applications of geology, geomorphology and geophysics to criminal investigations. Earth-Science Reviews 69: 235-247
RUFFELL, A. & McKINLEY, J. (2008): Geoforensics. John Wiley & Sons: 332
WAGNER, E.J. (2006): The Science of Sherlock Holmes - From Baskerville Hall to the Valley of Fear, the Real Forensics Behind the Great Detective's Greatest Cases. John Wiley & Sons: 244

16. Dezember 2011

Können Tiere Erdbeben voraussehen?

 Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"Can Animals Sense Earthquakes?"

Einer der frühesten Berichte die von einem "unnatürlichen" Verhalten von Tieren vor einem Erdbeben berichten, stammt vom römischen Historiker Aelian, der in 373 vor Christus über die Zerstörung der Stadt Helike berichtet: 5 Tage vor dem Erdbeben flüchtete ein langer Zug aus Ratten, Wiesel, Schlangen und Insekten aus der Stadt. In den folgenden Jahrhunderten folgen immer wieder Geschichten mit ähnlichem Ablauf: unerklärliches oder unruhiges Verhalten von Tieren bald darauf gefolgt von einer Katastrophe. 

 Abb.1. Viele Zeitungen (hier P.M. 6/2003), Dokumentation und vor allem Internetseiten publizieren gerne die Idee das Tiere Erdbeben vorausahnen können (am liebsten mit einem paranormalen Sinn, der ihnen praktischer weise auch andere zukünftige Katastrophen verrät), allerdings sind meistens die ins Feld geführten Ereignisse oder Anekdoten schlampig zusammengetragen und die Argumente fußen auf falsch verstandener Wissenschaft.

Eine besonders lange Tradition verbindet Tiere und Erdbeben im alten China und Japan (letzteres importierte teilweise auch Mythen vom chinesischen Festland). Nach japanischer Tradition ist der Verursacher von Erdbeben ein riesiger Katzenwels, auf dessen Rücken die japanischen Inseln liegen, allerdings gibt es auch ältere Legenden die Katzenwelse als warnende Vorboten von Erdbeben darstellen, bzw. indem der Wels die gefürchteten Wasserdrachen verspeist auch Erdbeben verhindern kann.
Laut alten Berichten wurde tatsächlich vor den großen Erdbeben von Tokio in 1855 und 1923 ein seltsames Verhalten der Katzenwelse beobachtet: diese sonst trägen Fische schwammen aufgeregt an der Wasseroberfläche und waren somit leichte Beute für die Fischer. Auch vor dem Erdbeben von Tohoku im April 2011 soll laut Erzählungen von Fischern die Fangmenge von Tintenfischen Monate vor dem Erdbeben ungewöhnlich hoch gewesen sein, allerdings weisen Marinbiologen darauf hin dass eher die ungewöhnlich milden Temperaturen in diesem Zeitraum eine Rolle spielten.

In 1970 veröffentlichten chinesische Behörden ein Leitfaden in dem ungewöhnliches Verhalten von 58 Tierarten beschrieben wurde, und das als Vorwarnzeichen für ein Erdbeben gedeutet wurde. Besonders von Nagetieren, Fledermäusen und Schlangen wurde angenommen dass sie besonders sensibel auf drohende Gefahr reagierten (Abb.2. & 3. Nach 1970 publizierten die chinesischen Behörden verschiedene Schautafeln auf denen ungewöhnliches Verhalten von Tiere vor einem Erdbeben dargestellt wurden: Pferde werden unruhig und lassen sich kaum beruhigen, Nagetiere wie Ratten werden am helllichten Tag in offenen Räumen beobachtet oder flüchten und Fische sind dermaßen unruhig, dass sie aus dem Wasser springen).

Im Februar 1975 wurde beobachtet wie Schlangen aus ihren Winterschlaf-Verstecken krochen und im Freien erfroren. Die zuständigen Behörden beschlossen die Stadt Haicheng zu evakuieren. Tatsächlich ereignete sich am 4. Februar 1975 ein Erdbeben, mehr als 1.000 Personen wurden getötet, aber im Verhältnis zu der dicht besiedelten Region wurde diese Zahl als großer Erfolg der "Tierprognose" angesehen. Allerdings ereignete sich nur ein Jahr später ein Erdbeben, das mehr als 600.000 Opfer verursachte. Anschließende Untersuchungen ergaben dass es Berichte über ungewöhnliches Tierverhalten gegeben hatte, sich aber Niemand in den Behörden dafür zuständig gefühlt hatte.
Noch bei den Erdbeben von Virginia in diesem Jahr berichteten die Zeitungen ausgiebig über das seltsame Verhalten der Tiere im Zoo von Washington - einige kletterten auf Bäume Augenblicke bevor das Erdbeben von dem Zoopersonal gefühlt wurde. Großes Medienecho fand auch die Geschichte der Kröten die das Erdbeben in L´Aquila am 6. April 2009 "vorhergesehen" hatten.

Das Problem mit dieser (lange noch nicht vollständigen) Liste ist ihr anekdotenhafter Charakter - die meisten ungewöhnlichen Verhaltensweisen der Tiere  sind im Nachhinein niedergeschrieben worden. Es lässt sich kaum überprüfen ob das Verhalten dass von so vielen Beobachtern als ungewöhnlich empfunden wurde, auch unter anderen Umständen, also ohne Erdbeben, als bemerkenswert angesehen worden wäre. Viele Anekdoten werden auch völlig aus dem Zusammenhang von leichtgläubigen Journalisten wieder und wieder zum besten gehalten: die chinesische Stadt von Haicheng war berühmt-berüchtigt für vergangene Erdbeben, die Evakuierung wurde bereits im Dezember 1974 vor allem wegen der Monate lang spürbaren Vorbeben beschlossen, allein in den letzen 72 Stunden vor dem 4. Februar erfolgten mehr als 500 Vorbeben. Die Schlangen reagierten keineswegs aus heiterem Himmel auf ein unerklärliches Ereignis, aber auf die starke seismische Aktivität.

Allerdings lassen diese Anekdoten immerhin zu, dass wir eine Hypothese aufstellen: Gibt es geophysikalische Prozesse vor einem Erdbeben die von Tieren wahrgenommen werden können und auf die sie reagieren?

Es gibt sicherlich nicht spezielle Sinnesorgane die nur auf ein mögliches Erdbeben ausgerichtet sind - es hätte wenig evolutionärer Sinn, vor allem für kleine oder territoriale Tiere die von einem großräumigen Erdbeben sowieso nicht flüchten könnten (da wären Sinne gegen Steinschlag oder Bergstürze schon sinnvoller).

Glaubt man der Literatur kann das ungewöhnliche Verhalten von Tiere vor einem Erdbeben grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: kurzfristige Reaktion -Sekunden bis Stunden- und langfristige Reaktionen, Tage bis Wochen vor dem Ereignis.

Für kurzfristige Reaktionen gibt es verschiedene Erklärungsversuche, die sich auf die unterschiedliche Geschwindigkeit von Erdbebenwellen stützen. Primäre Wellen sind im Schnitt 1,6x schneller als die stärkeren Sekundärwellen. Von vielen Tieren ist bekannt dass sie Vibrationen oder Infraschall wahrnehmen können, besonders Elefanten sind bekannt dafür dass sie Infraschall als Kommunikationsmittel einsetzen und langwelligen Frequenzen über ihre Füße wahrnehmen können. Weiters ist es möglich dass Tiere hören (immer im Bereich von Infraschall) wenn sich z.B. ein Tsunami nähert, da Schallwellen in der Luft um einiges schneller sind als die Materiewellen im Wasser.

Langfristige Reaktionen sind um einiges schwieriger zu erklären.
Fische und Vögel können Änderungen in elektrischen und magnetischen Feldern wahrnehmen. Es wurde vorgeschlagen, dass piezoelektrische Effekte in unter Spannung stehenden Gesteinen zu Variationen im lokalen Erdmagnetfeld führen, allerdings sind die gemessen Veränderungen sehr gering.
1993 schlug der deutsche Physiker Friedemann Freund vor, dass bestimmte Tiere wie Schlangen auf Infrarotstrahlung reagieren, die von bestimmten Gesteinen ausgesendet werden wenn sie unter hohen Belastungen stehen. Tatsächlich konnten großräumige Variationen im Infrarotbereich während des Erdbebens vom 21 Jänner 2001, dass die indischen Stadt Bhuj traf, gemessen werden.
Die "p-Hole-Theory", ebenfalls von Friedemann formuliert, beruht auf die Beobachtungen von starken elektrischen Entladungen in Form von Erdbebenleuchten vor einem Erdbeben. Piezoelektrische Effekte, wie sie früher oft vorgeschlagen wurden, sind viel zu schwach um diese Entladungen zu erklären. Die p-Hole-Theory schlägt einen effektiveren Mechanismus vor, bei dem geladenen Fehlstellen in den Kristallgittern der Minerale Sauerstoffatome ionisieren. Diese Ionen werden ins Grundwasser abgegeben oder gelangen in die Atmosphäre wo sie das Erdbebenleuchten verursachen.
In 2010 und 2011 publizierten Zoologen mithilfe dieser Arbeitshypothese einen Erklärungsversuch für das anscheinend unerklärliche Verhalten der Kröten in einem künstlichem Speicherbecken in der Nähe des Epizentrums des Erdbebens von L´Aquila. Die freien Sauerstoffionen hätten die Wasserchemie der Quellen und Zuflüsse verändert und die empfindlichen Amphibien hätten auf diese Veränderungen der Wasserchemie reagiert.

Abb.4. Die Beobachtungen von GRANT et al. wenige Tage vor und nach dem Erdbeben von L´Aquila am 6. April 2009. Die Untersuchungen hatte eigentlich die Aufgabe das Paarungsverhalten der gemeinen Kröte (Bufo bufo) zu untersuchen, allerdings verschwanden die Kröten plötzlich und tauchten erst nach dem Erdbeben und mit Vollmond wieder auf.  Um ihre Arbeitshypothese zu untermauern nutzte Grant Störungen in der Ionosphäre aus, die möglicherweise mit der Freisetzung von geladenen Sauerstoffatomen aus dem Untergrund zusammenhängen. Nach dem vorgeschlagenen Szenario fallen Störungen in der Ionosphäre mit der verstärkten Freisetzung von Ionen zusammen, die sich durch geophysikalische Prozesse im Untergrund bilden Die freigesetzten Ionen beeinflussen wiederum die Wasserchemie und den Lebensraum  der Kröten. Die Kröten reagierten daher indirekt auf geophysikalische Prozesse verursacht durch die Ansammlung von tektonischen Stress, der schließlich mit dem Erdbeben am 6. April freigesetzt wurde.

Es muss gesagt wurden dass dies alles hypothetische Mechanismen sind, die nur teilweise im Labor - unter kontrollierten Bedingungen - beobachtet wurden. Die meisten "Tierversuche" während eines Erdbebens erfolgten, wie der Fall mit den Kröten, durch Zufall. Es kann nicht ausgeschlossen werden dass die Tiere auf andere Umweltfaktoren reagierten, wenn zufällig das Erdbeben erfolgte. Die wenigen Fälle bei denen ein Erdbeben während einer Beobachtungsreihe in einem Labor erfolgte sind widersprüchlich: manche Wissenschaftler sprachen von Veränderungen im Verhalten, viele beobachteten gar nichts oder sprechen von einem "ungewöhnlichem" Verhalten, dass allerdings im kompletten Widerspruch zu anderen "Beobachtungen" steht. Möglicherweise auch eine Folge der Frage was man überhaupt als ungewöhnliches Verhalten klassifizieren sollte.

Rein physiologisch scheint es möglich dass bestimmte Effekte vor einem Erdbeben erfolgen können (aber nicht müssen, wie Vorbeben oder Änderungen des Grundwassers, die bei weitem nicht bei allen Erdbeben beobachtet wurden) die auch von Tieren wahrgenommen werden könnten - allerdings ist nicht klar ob Tiere auf diese Variationen auch mit deutlichen Veränderungen ihres Verhaltens reagieren. Bis zur Klärung dieser Fragen können Tiere allein nicht als "Prognose" für das Erdbebenrisiko herangezogen werden.

Literatur:

BHARGAVA, N.; KATIYAR, V.K.; SHARMA, M.L. & PRADHAN, P. (2009): Earthquake Prediction through Animal Behavior: A Review. Indian Journal of Biomechanics: Special Issue NCBM 7-8: 159-165
GRANT, R.A. & HALLIDAY, T. (2010): Predicting the unpredictable; evidence of pre-seismic anticipatory behaviour in the common toad. Journal of Zoology 281(4): 1-9
GRANT, R.A.; HALLIDAY, T; BALDERER, W.P.; LEUENBERGER, F.; NEWCOMER, M.; CYR, G. & FREUND, F.T. (2011): Ground Water Chemistry Changes before Major Earthquakes and Possible Effects on Animals. Environmental Research and Public Health 8: 1936-1959
IKEYA, M. (2004): Earthquakes and Animals: From Folk Legends to Science; World Scientific, London: 295
KIRSCHVINK, J.L. (2000). Earthquake Prediction by Animals: Evolution and Sensory Perception, Bull. Seism. Soc. Am. 90(2): 312-323
SCHNYTZER, Y. (2011): Animal Modeling of Earthquakes and Prediction Market. Working paper
TONG, K. (1988): Abnormal Animal Behavior and the Prediction of Earthquakes. Master Thesis Dep. Earth Sciences Northeastern Illinois University.
WALKER, B. (1982): Earthquake. Planet Earth. Time Life Books: 154