18. Januar 2015

Die Geschichte der Geologischen Karte: I. - Aller Anfang ist schwer...

Vor 200 Jahren – 1815 - veröffentlichte der Landvermesser und Autodidakt-Geologe William Smith die erste brauchbare geologische Karte – zur Feier beginnt heute eine Serie von Blog-Einträgen, die von den Ursprüngen beginnend über Bergbaukarten zur geologische Kartierung mittels Satelliten führen soll...

 "Der wahre Bergmann benutzt, da wir wollen, daß er ein frommer und ernster Mann ist, den Zauberstab nicht, und da e ferner der Natur der Dinge kundig und verständig sein soll, sieht er ein, daß ihm die Wünschelrute nichts nutzen kann, sondern er beachtet, wie ich oben ausgeführt habe, die natürlichen Kennzeichen der Gänge."Georgius Agricola (1556) : Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwese, II. Buch
 
Eine geologische Karte zeigt die Verteilung von bestimmten Gesteinsarten auf einer topographischen Karte an. Was so einfach klingt, hat in Wahrheit eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich.

Der Turiner Papyrus ist eine ägyptische topografische Karte aus der Zeit um 1.160 v.Chr. die ein Wadi-Tal und ein Dorf, mit umliegendem Steinbruch und Goldminen zeigt. Außerdem wurden anscheinend die wirtschaftlich interessanten Gesteinsarten unterschieden. Die Karte zeigt eine Hügelkette, wobei ein Teil der Hügel dunkel, ein anderer hellrosa gehalten wurde. Außerdem wurde der Flussverlauf bzw. Flussbett mit einer gepunkteten, verschiedenfarbigen Signatur versehen. Auch wenn es im alten Ägypten wahrscheinlich keine Wissenschaft der Geologie im modernen Sinne gab, so gab es sicher empirische Erfahrungen mit Gesteinen und großes Interesse an Bergbau. Es ist dieses empirische Wissen das auch das Mittelalter prägt, als der europäische Bergbau eine Blütezeit erlebte.
 

Den Werken von Georgius Agricola (1494-1555)  verdanken wir eine der vollständigsten Darstellung vom Bergbau des späten Mittelalters. Agricola beschreibt nicht nur Abbaumethoden, sondern in den Einführungskapitel zu seinem "De re metallica" (1556) beschreibt er auch wie Erzgänge im Berg verlaufen können und wie sie einzumessen sind. 

Abb.1. Grubenkompass für das Einmessen des Verlaufs von Erzgängen aus dem 19. Jahrhundert.

Die begleitenden Darstellungen zum Text verbinden eine Art von zweidimensionalem Profil mit einer topographischen Karte, wie auch die eingezeichneten Himmelsrichtungen erkennen lassen.


 
Abb.2. Darstellung von Erzgängen im Berg durch Agricola, aus "De re metallica" (1556).

Den Verlauf von Erzgängen im Gebirge zu erfassen hatte wichtige Gründe - vor allem wirtschaftliche: Man konnte den zukünftigen Verlauf erahnen und in die entsprechende Richtung weitergraben, zusätzliche Stollen konnten von anderen Punkten aus bis zum Verlauf des Erzkörpers getrieben werden und die Abbauleistung der Knappen konnte abgeschätzt werden.
 

Auf einigen Grubenriss-Karten wurden neben den vermessenen Stollen auch schon geologische Informationen eingetragen - wie Erzkörper oder Bereiche mit tauben Gestein. Allerdings stellen diese Karten nicht die Erdoberfläche dar, sondern beschränken sich zumeist nur auf den Verlauf der Stollen oder das Bergbaugelände.

 
Abb.3. Grubenplan aus der Vogelperspektive des Prettauer Kupfererzgruben aus dem Jahre 1584, mit Stolleneingängen, Zugangswegen und Bergbaugebäuden - eine typische Darstellung für die damalige Zeit durch den Kartographen Johannes Isidor Prixner. Man beachte auch den Grubenkompass am linken Kartenrand.

Abb.4. Grubenriss (mit Pseudo-Perspektive, da Lageplan und Profil vereint) einer Silbermine - "Mappa metalographica…[]" des Italienischen Feldherren und Naturforscher Luigi Ferdinando Marsili (1658-1730), man beachte den Grubenkompass und die Detailzeichnung mit einem geologischen Schnitt des Stollens, mit in der Stollenfirste  hangendes "Gestein", "Kluft", "Erz" und liegendes "Quarz" -gestein.

Literatur:

BAUMGARTEN B., KURT, F. & STEDINGK, K. (1998): Auf den Spuren der Knappen (Bergbau in Südtirol und seine Mineralien). Tappeiner-Verlag, Bozen: 224

OLDROYD, D. (2013): Maps as pictures or diagrams: The early development of geological maps. In BAKER, V.R. ed, Rethinking the fabric of geology: Geological Society of America Special Paper 502: 41-101

5. Januar 2015

Jscht der Sindfluß g´wößen!

"Jscht der Sindfluß g´wößen!" (Ötztaler Dialekt)

Der Inn - größter Fluss Tirols - überschwemmte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder den Talboden des Inntales, und alpine Fließgewässer führten immer wieder zu Schäden (z.B. im Ötztal). Aus den frühesten Zeiten der Besiedelung Tirols gibt es keine schriftlichen Belege für Innüberschwemmungen; allerdings verursachten sie wahrscheinlich  zu dieser Zeit auch keinen Schaden, denn der Talboden wurde zunächst nur sehr wenig genutzt. In der ,,Hochwassergeschichte Tirols" (SCHORN) wird erwähnt, dass für das 14. und 15. Jahrhundert gleich viele, für das 16. Jahrhundert doppelt so viele Überschwemmungen in Nord- und Südtirol dokumentiert sind. Auffallend ist das Abnehmen von Hochwässern im 17. Jahrhundert. Dass das 19. Jahrhundert in Aufzeichnungen die meisten Überschwemmungen aufweist, dürfte wohl auf die größere Beachtung dieser Ereignisse zurückzuführen sein.  Am häufigsten treten Überschwemmungen zwischen August bis Ende September auf. In diesen Monaten ist die Gletscherschmelze noch beträchtlich und es setzen häufig anhaltende Regen ein, so dass sich die Wassermengen addieren.
 
Gletscher können aber im alpinen Raum auch direkt zu Überschwemmungen führen, nämlich durch Aufstauung von Gletscherseen.

Die Ötztaler Alpen, als besiedeltes und von Naturkatastrophen gefährdetes Gebiet, wurden schon früh von Gelehrten  bereist, beschrieben und kartografisiert. Die starke Vergletscherung entlang des Alpenhauptkammes, vor allem nördlich davon, führte zu Bedrohung von Siedlungen und Weilern in Form von Gletschervorstößen und Gletscherseeausbrüche. Dementsprechend war die Beobachtung der Gletscher auch von politischen und wirtschaftlichen Interesse, und stark gefördert. Dank der Ausbildung des Rofener Eissees, eines Gletschersees, der zwischen 1600 und 1850 mehrmals ausbrach, existieren aus dem Gebiet des Ventertales zahlreiche Berichte und Karten.
 
Abb.1. Darstellung des Rofener Eissee im Juli 1601 nach Abraham Jäger

Die drohende Überschwemmungsgefahr, die vom aufgestauten See ausging, zog das Interesse der Behörden auf sich. Akten des Innsbrucker Archivs wiesen vier Gletschervorstöße mit Stauseeausbildung nach, nämlich 1600, 1680, 1770 und 1845. Die ersten Urkunden tauchen 1599 auf, vorherige Gletschervorstöße werden somit wenigstens schriftlich nicht belegt, auch wenn sie nicht ausgeschlossen werden können. Im Winter 1599 dringt der Vernagtferner bis ins Rofental vor und bildet einen 400m breiten und 200m dicken Eisdamm aus. Am 16 Juli 1600 kommt es zu einem Ausbruch der große Schäden im Ötztal verursacht (Abb.1.). Im darauf folgenden Jahr stößt der Gletscher weiter vor und staut einen See mit einer Länge von 1.200m, einer Breite von 330m und eine Tiefe von 110m auf. Diesmal jedoch entleert sich der See ruhig über eine natürlich gebildeten Kanal zwischen dem 12. Juli und 9. September.

Von einem Geistlichen aus Brixen, ins Ötztal geschickt um die dortige Bevölkerung zu beruhigen, stammt der Bericht über Gletschervorstöße zwischen 1676 bis 1681, die aber zumindest von der Eisdammbildung geringer waren als die Ausdehnungen von 1600. 

Der Vorstoß zwischen 1677 bis 1678 wurde von behördlich angestellten Wächtern  beobachtet. Am 24. Mai 1678 brach der Eistausee innerhalb 4 Stunden aus, ohne jedoch größeren Schaden zu verursachen. Ende Juni begann er sich wieder zu füllen, bis er am 6. Juli 1.110m lang, 300m breit und bis zu 200m tief war. Am 16. Juli kam es zum katastrophalsten Ausbruch des Sees. Weitere Ausbrüche fanden 1679 und am 14. Juni 1680 statt. Im Jahre 1681 wurde die Anstrengung unternommen den Eisstausse durch einen ins Eis gegrabenen Kanal abzuleiten, was bis 1683 auch tatsächlich gelang. 

Seit 1678 war der Vernagtferner bereits im Rückzug betroffen, letzte Eisreste im Rofental überdauerten jedoch bis 1712.Über den dritten Vorstoß des Vernagtferners gibt uns eines der ersten wissenschaftlichen Werke über Gletscher Auskunft, das Buch "Nachrichten von den Eisbergen in Tirol" von Josef Walcher. Im Jahre 1770 begannen die Ötztaler Gletscher wieder vorzustoßen, es kam sogar zur Ausbildung eines kleineren Eisstausees beim Gurglerferner im nahen Gurgltal. Die vordringende Zunge im Rofental wurde 1771 noch mit Menschenkraft abgetragen, aber bereits 1772 sah man die Hoffnungslosigkeit der Bestrebungen ein. Im Sommer 1772 bildete sich erneut der See, floss aber gegen Ende des Jahres über natürliche Kanäle im Eis wieder ab. Dies wiederholte sich 1773 und 1774, wobei die Entleerung 1773 zwar schnell erfolgte, durch die kalte Witterung aber die Wasserführung der Rofener Ache sowieso schon gering war und das Flussbett dank behördlicher Maßnahmen in guten Zustand und gefährdete Brücken abgetragen oder überhöht worden waren.

 
Abb.2. Ausschnitt des "Atlas Tyrolensis" von ANICH und  HUEBER  1774, das innere Schnalstal und das innere Ventertal zeigend, sowie die Gletscherausdehnung des Hintereis- (links) und Hochjochferners (rechts). Die Inschrift am Rofener Eissee lautet "…gewester See so Ano 1678, 1679 und 1681 völlig ausgebrochen und sich 1771 wieder gesammelt"

Durch das Kartenwerk von HAUSLAB 1817 wissen wir das das Ende des Vernagtferners 1.400m weit von der Rofener Ache entfernt war. Ein erneutes anwachsen des Vernagtferners wird in der Periode 1820 bis 1850 beobachtet. 1822 erreiche die Zunge das Rofental, es kommt aber zu keiner Absperrung des Tales, der Gletscher zieht sich wieder zurück.


 
Abb.3. Der Rofener Eissee am 16.8.1772, Darstellung in Joseph Walchers "Nachrichten von den Eisbergen in Tyrol" von 1773, der ersten wissenschaftlichen Abhandlung über Gletscher. Titel: Menschen beobachten die chaotische Zunge des Vernagtferners. Darstellung des Gurgler Stausees um 1772, ebenfalls vom Walcher 1773.

Zwischen 13. November 1843 und 1. Juni 1845 kommt es zu einem raschen Vorstoß, mit zuletzt fast 12m am Tag, ein so genannter "Surge". Eine am 14. Juni ausgesendete Kommission findet einen 850m langen, 334m breiten und 29m tiefen Stausee vor. Bei der Rückkehr der Kommission nach Vent kommt es zum Ausbruch (um 16:30), um 17:18 erreichen die Wassermassen Vent (6km entfernt), um 19:00 Sölden (21km), 20:15 Längenfeld (35km) und um 01:30 Innsbruck (102km). Der See bildet sich nach diesem Ereignis wiederholt in 1846 (31. Januar; 8. und 9. Februar; 6. Juli; 6. und 9. Oktober). Vom 18. Dezember 1846 bis 28. Mai 1847 staut sich der Wasserkörper bis auf eine Länge von 1.210m, Breite 260m und Tiefe von 85m auf. Diesmal verläuft der Ausbruch verheerend. Auch der nächste Ausbruch am 13. Juni 1848 (Aufstauung seit 11. September 1847) richtet große Schäden an. 1852 liegt nur noch Toteis im Rofental. 1883 ist das letzte Eis im Tal verschwunden.


 
Abb.4. Der Eisstausee des Vernagt um 1850, in der Kartendarstellung von SONKLAR 1861 der Ötztaler Alpen mit dem letzten neuzeitlichen Hochstand der Gletscher.

Um 1900 kam es am Vernagtferner zu einem sehr schnellen Vorstoß mit Geschwindigkeiten der Zungenbewegung um die 300m/Jahr. Die Zunge stieß innerhalb relativ kurzer Zeit über einen Kilometer vor, vermutlich in Form einer kinematischen Welle (AMBACH, 1963). Allerdings entstand diesmal kein Gletschersee, und seit 1920 hat sich der Vernagtferner stark zurückgezogen, wie fast alle Gletscher in den Alpen.
 

Trotz der Verwüstungen die die Ausbrüche waren kaum Menschenleben zu beklagen, die Chroniken berichten nur von zwei Personen, wobei ein Tagelöhner der Hexerei und des Ausbruch des Sees bezichtigt, zum Tode verurteilt wurde.
 

Mehrmals wurden Maßnahmen vorgeschlagen, die Gefahr zu bannen, meist wurde versucht ein Kanal durch den Felsen oder das Eis zu graben. Am besten bewährte sich in all den Jahren die Beobachtung des Aufstaus des Sees, die Befestigung der Ötztaler Ache in den Tallagen und die Ausweisung von Risikozonen die nicht bebaut werden durften.

Literatur:

BLÜMCKE, A. & HESS, H. (1897): Die Nachmessungen am Vernagtferner in den Jahren 1891, 1893 und 1895 (mit einer Karte und Textfiguren). Wissenschaftliche Ergänzungshefte zur Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Bd.1, Heft 1
BRAUN, L.N. & WEBER, M. (2001): Wasserspende aus hochalpinen Gebieten. Die Alpen - ein kostbares Wasserschloss; Fachtagung 26.-28. Nov. 2001 Bad Reichenhall
BRAUN, L.N. & WEBER, M. (2002): Droht im nächsten Sommer Hochwasser vom Gletscher? Rundgespräche der Kommission für Ökologie der BAdW
FINSTERWALDER, S. (1897): Der Vernagtferner, seine Geschichte und seine Vermessung in den Jahren 1888 und 1889 (mit einer Karte des Ferners in 1:10.000, zwei Tafeln und vielen Textfiguren). Wissenschaftliche Ergänzungshefte zur Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Bd.1, Heft 1, 112
KUHN, M. (2004): Die Reaktion der österreichischen Gletscher
und ihres Abflusses auf Änderungen von Temperatur und Niederschlag. ÖWAW 56. Jahrgang 56 Heft1-2 Jänner/Februar
VONDERMÜHLL, D. & KÄÄB, A. (1999): 6- Selected glaciological research project. Investigations and safety measures in the area of the Gruben Glacier, Valais. The Swiss Glaciers 1993/94 and 1994/95 - Glaciological Report 115/116. Glaciological Comission of the Swiss Academy of Science and VAW/ETH Zürich.
WEBER, M. (2003): Gletscherschwund und Klimawandel an der Zugspitze und am Vernagtferner (Ötztaler Alpen). Informationen zum Gletscherschwund - Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1-10