24. Juni 2012

Das Geheimnis der Dolomiten

Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"The Mysterious Microbial Origin of Mountains"

Omnium rerum principia parva sunt“ Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr.)
"Große Dinge fangen immer klein an"

Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die den "Bleichen Berge" auch ihren Namen  verdanken: Dolomit. Dolomit ist ein wichtiges Mineral und Gesteinsart - Gebirge wie die Alpen, der Apennin und die Dinariden verdanken diesen Mg- haltigen Karbonatgestein ihre karge Schönheit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet - 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 m mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-bänken, die in Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform der Tethys abgelagert wurden. 

Abb.1. Die Hauptdolomit-Formation am Hl. Kreuz Kofel (2.907m) im Gadertal zeigt die typische Bankung dieser bis zu 1.000m mächtigen Formation.

Es mag überraschen dass die Genese dieses Gesteins noch heute nicht völlig geklärt ist. Der italienische Bergbauingenieur Giovanni Arduino, einer der ersten Gelehrten der Dolomit chemisch untersuchte, vermutete in 1779 dass Dolomit durch die Umwandlung von normalen Kalkgestein durch heiße, vulkanische Lösungen entstanden war. Eine Hypothese die bis zum 19 Jahrhundert sehr beliebt war, da tatsächlich in den Dolomiten zahlreiche vulkanische Ablagerungen und Intrusionen zu finden sind - allerdings nicht immer in Kontakt mit Dolomitgestein. Eine ähnliche Arbeitshypothese vermutete eine Umwandlung durch Mg-gesättigtes Grundwasser - allerdings überrascht auch hier die schiere Masse die einige Dolomitformationen erreichen - schwierig ihre Genese rein durch sekundäre Umwandlungen zu erklären. 
Der amerikanische Geologe James Dwight Dana (1813-1895) bemerkte während eine Forschungsreise in den Südpazifik, dass Dolomit in trockengefallene Korallenstöcke gefunden werden konnte. Eine wichtige Beobachtung, die zeigte dass Dolomit unter normalen Temperaturen und aus Seewasser abgeschieden werden kann. 
Der russische Mikrobiologe Georgi A. Nadson veröffentlichte 1903* eine Studie, in der er eine weiteres wichtige Detail veröffentlichte. In einer Bakterienkultur beobachtete er in Salzwasser eine Ausfällung von primärem Dolomit. 

Abb.2. Lamination der Hauptdolomit-Formation.

Die Hauptdolomitformation wird nicht nur aus Meter-mächtigen Zyklen aufgebaut, sondern zeigt auch im Zentimeterbereich eine unregelmäßige Lamination. Vergleich mit modernen, ähnlichen Ablagerungsbereichen - z.B. die Karbonatplattform der Bahamas - lassen darauf schließen, dass es sich um fossile Bakterienmatten handelt. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass Bakterien, Algen und Mikroorganismen im Allgemeinen eine wichtige Rolle in der Bildung des Hauptdolomits spielten. Innerhalb der Bakterienmatten herrschen anscheinend Bedingungen, die die Bildung von Kristallen von Mg- haltigem Aragonit und Dolomit begünstigen. Die genauen chemischen und physikalischen Bedingungen die die Ausfällung von Dolomit ermöglichen sind allerdings noch unklar.

Die Hauptdolomit-Formation lagerte sich innerhalb 13 Millionen Jahre ab, mehr als 1.000 Meter an Dolomitschlamm. In modernen Ablagerungsräumen ist Dolomit trotz mikrobieller Aktivität auf einige wenige salzige Lagunen beschränkt. Trotz der oberflächlichen Ähnlichkeiten in den Ablagerungsräumen gibt es doch anscheinend entscheidende (mikrobielle - chemische?) Unterschiede - die Entstehung von großräumigen Dolomitablagerungen bleibt weiter rätselhaft**.

* Nadson, G. A. 1903 Microorganisms as geological agents (Russian). From
the Works of the investigation of the Slavian Mineral Waters. St.
Petersburg.


** Die Geologie der Dolomiten - allen voran die topographischen Höhen die durch die erosionsbeständigen Dolomit-Formationen gebildet wurde - spielte auch im I. Weltkrieg eine entscheidende Rolle. Der Lagazuoi besteht aus dem Cassianer - Dolomit.

14. Juni 2012

Die Entdeckung der Dolomiten

Diedonnè-Silvain-Guy-Tancrede de Gvalet de Dolomieu wurde am 23. Juni 1750 im französischen Dorf Dolomieu geboren. Aus einer noblen, wenn auch verarmten Familie stammend, widmete er standesgemäß der Diplomatie und der Naturerforschung. Mit 26 Jahren bereiste er halb Europa (anscheinend nicht ganz freiwillig, da er nach einem Duell mit tödlichem Ausgang aus Frankreich flüchten musste) und zeigte großes Interesse an den Bergwerken in der Bretagne, den Basalten in Portugal und der Erdbebenaktivität und den Vulkanismus in Süditalien. 1789 durchquerte er die Alpen mit seinem Schüler Kerl Fleuriau de Bellevue. In Tirol, zwischen den Städten von Bozen und Trient, bemerkte er ein weißes Karbonatgestein das jedoch, im Gegensatz zu klassischen Kalkstein, mit Säure nicht reagierte. Er veröffentlichte diese Beobachtung zwei Jahre später im "Journal of Physique". Nicolas de Saussure, Sohn des großen Alpinisten/Naturforschers Horace Bénédict de Saussure forderte daraufhin  von Dolomieu einige Proben an, um diese chemisch zu analysieren. De Saussure stellte fest, dass das Gestein aus einer Verbindung von Calcium, Kohlensäure und reichlich Magnesium bestand und es sich um ein neues, unbekanntes Mineral handeln musste. 1792 publizierte er seine Analysen in einem Artikel mit dem Titel "Analyse de la Dolomie". Das neue Mineral wurde daraufhin rasch als Dolomit bekannt, und der Name des Minerals wurde alsbald auf die weißen Gipfel der Dolomiten übertragen (übrigens der einzige Fall in dem das Mineral einer Gegend den Namen gab, und nicht umgekehrt). 

Abb.1. Leopold von Buch´s Karte "Esquisse d´une carte geologique de la parte meridionale du Trentino" (1822) zeigt die Verteilung von Karbonatgesteinen in Tirol - hellblau Kalkgestein, dunkelblau Dolomitgestein. Dolomieu sammelte die ersten Proben von Dolomit wahrscheinlich im Bereich des Brenners oder entlang der Etsch, nicht in den heutigen Dolomiten, die damals noch weit abseits der bekannten Reiserouten lagen.

Die Genese der Dolomiten war eines der großen geologischen Rätsel des 19 Jahrhunderts.  Fossilien ließen vermuten, dass die Gesteine die die Dolomiten bilden im Meer abgelagert wurden, allerdings war unklar warum einzelnen schroffen Gipfel und Klippen so prominent aus einer ansonsten recht  anmutigen Landschaft, mit ihren grünen Almen, herausstachen.

Am Ende des 18 und beginnenden 19 Jahrhunderts umsegelten die ersten wissenschaftlichen Expeditionen die Erde und erforschten die tropischen Meere, die Lebensformen die sich dort tummeln und die seltsamen geologischen Erscheinung die dort angetroffen werden können - wie Vulkaninsel, tropische Riffe, Atolle und die seltsamen Blumentiere.


Blumentiere oder Korallen waren schon länger bekannt - kurioserweise aus den kalten Gewässern des Nordatlantiks. In 1768 erbaten sich Fischer vom norwegischen Bischof von Trondheim, Johan Ernst Gunnerus (1718-1773), göttliche Hilfe gegen die Korallen, da diese immerzu die Fangnetze aufschlitzten. Leider half der bischöfliche Segen wenig, aber als die beschädigten Netze an Bord der Schiffe zurückgeholt wurden, kamen dabei einige Bruchstücke der Korallen zutage. Der an Naturkunde interessierte Gunnerus beschrieb die Entdeckung der Kaltwasserriffe und sandte auch einige Zeichnungen der Blumentiere an den Naturkundler Carl von Linné, der sie als Korallenart Lophelia pertusa identifizierte.

Der junge Naturforscher Georg Forster (1729-1798) erkundete den Pazifik zusammen mit seinem Vater im Zuge einer Erkundungsmission von James Cook. Er schlug vor, dass die Korallenriffe durch die Aktivität der Korallen vom Grund des Meeres bis zur Oberfläche wuchsen, oder - den engen Zusammenhang von Vulkanen und Atollen bemerkend - von vulkanischen Kräften in die Höhe gedrückt worden waren (Vulkane waren in jener Zeit zu praktisch allem fähig).

Im Jahre 1842 veröffentlichte Charles Darwin ein Buch über die Korallenriffe des Pazifiks (die er während der Reise auf der "Beagle" besucht hatte), in dem er eine Arbeitshypothese zu ihrer Genese und eine vorläufige Klassifikation vorschlug. Darwin erkannte richtigerweise, das die Korallentiere, die in selbst gebauten Kalkgehäuse leben, auf die obersten Meter des Meeres beschränkt waren (Korallenpolypen leben in Symbiose mit einzelligen, photoautotrophe Algen) - es war daher nicht möglich dass hunderte Meter mächtige Korallenstöcke vom Grund des Meeres hinauf gewachsen waren. Darwin kehrte das Problem um, vulkanische (was sonst?) Bergrücken sanken langsam in die Tiefe, während die Korallen das Absinken durch ihr konstantes Wachstum abglichen. Dabei entstand im Laufe geologischer Zeiträume ein mächtiger Korallenstock, der weit über sein Umgebung hinausragte. 
Es war dieser Vorschlag  Darwins die den österreichischen Geologen Baron Ferdinand F. von Richthofen (1833-1905) auf die Idee brachten, dass in den Dolomiten genau eine solche Landschaft über geologische Zeiträume und Hebungen hinweg erhalten geblieben war. Die Gipfel der Dolomiten waren Kalkgestein, das durch die Aktivität der Korallen gebildet worden war. Zwischen den früheren Atollen lagen große Ozeanbecken, in denen sich Ton, Schlamm und Ascheschichten von sporadischen Vulkanausbrüchen ablagerten. Der Kontakt zwischen dem Riff und den Beckensedimenten bestand aus einer Verzahnung von Riffschutt mit den feinen Beckensedimenten. 

Abb.2. & 3. Das so genannte "Richthofen-Riff" (Trias) in den Südtiroler Dolomiten zeigt die Schuttzungen von den Abhängen des ehemalige Riffkerns die mit braunen Sand- und Tonsteinen des ehemaligen Ozeanbecken verzahnen - darunter Zeichnung des Aufschluss von MOJSISOVICS 1879.

Richthofen, und vor allem der Geologe Edmund Mojsisovics von Mojsvar (1833-1905), konnten so auch rätselhafte, riesige Blöcke, die in den Ton- und Sandsteinen der Wengen- und St. Kassian-Fm. gefunden wurden, einleuchtend erklären. Es handelte sich um Blöcke die von den Abhängen des Riffs in die Becken gestürzt waren, und dort einsedimentierten. 

Abb.4. Massive Kalksteinblöcke die in den geschichteten Sand- und Tonsteinen der Wengen-Fm. eingebettet sind.

Literatur:
 
DARWIN, C. (1898): The Structure and Distribution of Coral Reefs. 3th edition, D. Appleton & Co., New York: 214

DOBBS, D. (2005) Reef Madness: Charles Darwin, Alexander Agassiz and the meaning of coral. Pantheon Books: New York
FISCHER, A.G. & GARRISON, R.E. (2009): The role of the Mediterranean region in the development of sedimentary geology: a historical overview. Sedimentology 56: 3-41

MOJSISOVIC, E.v. (1879): Die Dolomit-Riffe von Südtirol und Venetien: Beiträge zur Bildungsgeschichte der Alpen. Alfred Hölder, Vienna: 551

SCHLAGER, W. & KEIM, L. (2009): Carbonate platforms in the Dolomites area of the Southern Alps - historic perspectives on progress in sedimentology. Sedimentology 56: 191-204