10. September 2016

Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt – „Philosoph der Erde“

"Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Thier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein."
Alexander von Humboldt (1799)
 
Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) stammt aus einer angesehenen und reichen Familie. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für Naturbeobachtung und sammelte unter anderem Mineralien. Finanziell unabhängig, konnte er sein weiteres Leben vollständig der Wissenschaft widmen - besonders angetan hat ihm dabei die "Construktion des Erdkörpers".
 
1787 begann er auf Druck seiner Mutter ein Studium der Staatswirtschaftslehre in Frankfurt, wechselte aber in 1789 zu Physik und Chemie in Göttingen. In 1790 publizierte er seine erste größere Publikation mit dem Titel "Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein". Neben einigen frühen Forschungsreisen in Europa schloss er ein Studium der Handelsakademie in Hamburg ab. In 1791 besuchte er die Bergakademie in Freiberg, die neben Theorie auch praktische Erfahrung im Bergwerk anbot. Hier erarbeitete er ein Werk über die Pflanzen - die "Florae Fribergensis Specimen" - die im Licht der Grubenlampen wachsen konnten. Zwischen 1792 und 1797 arbeitete er weiter als Bergmeister und Bergassesor in verschiedenen Bergwerken des Fichtelgebirges und Frankenwald.
Beauftragt die dortigen Bergwerke zu modernisieren, stellte er einen gravierenden Mängel fest. Die Gruben wurden meist von ungelernte Bergleute und Tagelöhner betrieben, es fehlten daher technische Kenntnisse, z.B. um Wasserableitungen für gefluteten Stollen zu bauen oder den Verlauf der Erzgänge im Gebirge abzuschätzen. Er förderte daraufhin die Schaffung von frei zugängliche Bergschulen in Goldkronach, Arzberg und in Steben um die Bergbaukultur wieder aufleben zu lassen, weiteres eine Zusammenlegung und Rationalisierung von verschiedenen Gruben zu größeren Bergwerken.
Die Bergwerke arbeiteten daraufhin wieder mit Gewinn und Humboldt erreichte in 1795 das Amt des Oberbergrats. Neben seiner Arbeit vergaß er nie die Wissenschaft, so entdeckte Humboldt in 1797 die magnetischen Eigenschaften der Serpentinit-Gebirgskuppe am Haidberg bei Zill. Er schreibt auch über seinen „reger Wunsch, ehe [er] Europa auf mehrere Jahre [verlässt], brennende Vulkane zu sehen“. Humboldt plante eine größere Expedition außerhalb Europa, allerdings hielten ihn familiäre Verpflichtungen zurück.

In selben Jahr wo er diesen Wunsch äußerte verstarb auch seine Mutter - Humboldt war nun finanziell komplett unabhängig und frei sich einen großen Kindheitstraum zu erfüllen: eine ausgedehnte Forschungsexpedition in die Tropen.

Vor der eigentlichen Expedition reiste Humboldt innerhalb Europa um sich in verschiedenen naturwissenschaftlichen Sammlungen zu dokumentieren. Ende April 1798 lernte er dabei den französischen Botaniker Aimé Jacques Alexandre Bonpland (1773-1858) kennen. Zusammen reisten sie weiter nach Spanien, von wo sie sich zuerst nach Afrika, und als dies nicht ging, nach Amerika einschiffen wollten. Da die bürokratischen Formalitäten einige Zeit in Anspruch nahmen, erforschten sie nebenbei die inneren Hochflächen von Spanien. Im Juni 1799 war es soweit und sie schifften sich nach Venezuela ein. Während eines Zwischenstopps auf Teneriffa bestiegen sie den Pico de Teide, der ersten aktiven Vulkan den Humboldt untersuchte. In den fünf Jahren die die Expedition dauern wird wird Humboldt noch weitere Vulkane besteigen und untersuchen, außerdem interessierte er sich für die Minen- und Salinenbetriebe der Neuen Welt.

 
Abb.1. Die Vulkane der Anden, aus "Historia general de las cosas de Nueva España" (1540-85).

In den Anden bestiegen Humboldt und Bonpand im November 1801 den Puracé, später den  Paramos von Pasto. Schlechtes Wetter verhinderte den Aufstieg zum Galeras (ein unter Vulkanologen berüchtigter Vulkan). Im Januar 1802 scheiterte erneut eine Besteigung der beiden Vulkane Antisana und Cotopaxi, den mit 5.897m höchsten aktiven Vulkan der Erde. Dreimal bestieg er den aktiven Pichincha (4.784m) in Equador. Am Tag nach Humboldt´s letzter Rückkehr erschüttert ein Erdbeben die am Fuße des Berges gelegenen Stadt Quito und Humboldt wird der Zauberei verdächtigt.

 
Abb.2. Von Humboldts Zeichnung des Vulkan Pichincha mit seinem Grat und einer Serie von Kratern.

Ende April 1802 erstieg er den erloschenen Vulkan Rucu-Pichincha und Ende Mai 1802 blickte er in den Krater des Guagua-Pichincha. Im Juni 1802 scheiterte der Aufstieg zum Tunguráhua und kurz vor dem Gipfel des 6.200m hohen Chimborazo mussten die improvisierten Bergsteiger umkehren.

Abb.3. Porträt von Alexander von Humboldt, Julius Schrader, um 1859. Im Hintergrund erkennbar der Chimborazo und Cotopaxi - die Vulkane der Anden beeinflussten nicht nur die geologische Weltanschauung von Humboldt, sondern auch seine Arbeiten über die Verteilung der Pflanzen, von Humboldt wird als Begründer der Pflanzengeographie und Ökologie gefeiert.

Im März 1803 kletterte Humboldt während seiner Durchreise in Mexiko auf den Jorullo, ein Vulkan der erst 1759 ausgebrochen war. Es folgten noch einige andere Gipfel vulkanischen Ursprungs in der Umgebung von Mexiko-Stadt.
 

Im August 1804 kehrt Humboldt nach Europa zurück. Schon ein Jahr später reist er, zusammen mit Leopold von Buch (1774-1853) und Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1850), nach Italien über Rom bis nach Neapel, wo sie mehrmals den Vesuv besteigen und am 12. August 1805 einen großen Ausbruch beobachten. 

Abb.4. Der Ausbruch des Vesuvs am 18. August 1805, Gemälde von E.M. Korneev (1780-1839).

Humboldt hatte unter Abraham Gottlob Werner (1749-1817) Geologie studiert und war zunächst wie dieser Anhänger des Neptunismus - eine geologische Bewegung die behauptete das alle Gesteine durch Sedimentation aus einem Urmeer entstanden waren, auch Granit und Laven, und Vulkane nur durch lokale Glutherde gespeist werden.  Auch die Vulkane der Anden interpretiert er zunächst als lokale Phänomene, möglicherweise durch die dortigen unterirdischen Kohleflötze gespeist. 

Ab 1809 mehren sich Hinweise auf die geologische Rolle von Vulkane, vor allem mit der Untersuchung der fossilen Feuerberge der französischen Auvergne. Im September 1822 besuchte Humboldt zusammen mit Leopold von Buch das Dorf Predazzo im Fassa-Tal um den seltsamen Kontakt zwischen Granit und Kalkgestein, der dort an einer Felswand aufgeschlossen ist, zu untersuchen. Granit überlagert hier teilweise den metamorphen Kalkstein. Laut der Idee das sich alle Gesteine durch Sedimentation bilden war diese Geometrie unmöglich, Granit sollte die älteste Schicht sein, stets überlagert von jüngeren Gesteinen, wie Kalkstein (Humboldt reißt allein weiter um erneut den Vesuv zu besuchen). Er beginnt nun vollends am  Neptunismus zu zweifeln und schließt sich der Bewegung der Plutonismus an -  aufgeschmolzenes Magma bildet im Erdinneren große Plutone an Granit, an der Erdoberfläche führt schnelle Abkühlung zu feinkörnigen Laven. Humboldt bemerkt auch die Verteilung der Vulkane in Amerika und auf der Erde allgemein, die eine Kette formen. Vulkane, so Humboldt, sind über ein verzweigtes Netzwerk an vulkanischen Schloten mit der Magmakammer im Erdinneren verbunden und können große Landstriche formen. Er nimmt auch an das Vulkanschlote sich dort bilden können, wo große Störungen die Erdoberfläche geschwächt haben. Auf jeden Fall ist Vulkanismus nicht lokal beschränkt, sondern ein globales Phänomen.
 

Abb.5. Die Verteilung von vulkanischen Phänomenen, Karte aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht.

In 1823 tat er sein Umdenken über Vulkane mit dem Vortrag "Ueber den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen" kund.

Humboldt wird an die 50 Jahre lang an seinem Lebenswerk - den "Kosmos" - arbeiten, in dem er die unbelebte Natur mit der belebten in Zusammenhang stellt. Von Humboldt sah Lebensformen als Teil eines komplexen Netzwerks an, voneinander abhängig wie auch beeinflusst von der Umwelt. Eine Philosophie die in einem Satz zusammengefasst werden könnte: "Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten". 

Abb.6. Profil durch di Anden, aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht. In diesem Profil erreicht Humboldts Philosophie ihren Höhepunkt: die Geologie der Vulkane, die Klimata verschiedener Höhenstufen, die Exposition und Neigung der Topographie - alles Faktoren die die Vegetationsgürtel beeinflussen - ihrereseits können die Pflanzen abiotische Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Niederschlag beeinflussen - die Natur als vernetztes "Ganzes".

Literatur:

EGERTON, F.N. (2009): A History of the Ecological Sciences, Part 32: Humboldt, Nature's Geographer. Bulletin of the Ecological Society of America: 253-282
HUBMANN, B. (2009): Die großen Geologen. Marix-Verlag: 192

WULF, A. (2015): The Invention of Nature: Alexander von Humboldt's New World. Knopf Publisher: 496

3. September 2016

Kunst & Geologie: Der Kristallsucher

Wir können mit Sicherheit angeben, dass man er [der Bergkristall] in den Felsen der Alpen entsteht, oft an so unzugänglichen Orten, dass man ihn an einem Seil hängend herauszieht.“
Plinius der Ältere (23-79 n.Chr.)

In alten Zeiten war die Suche nach Kristallen in Klüften eine beliebte Möglichkeit sich in den Alpen ein Zubrot zu verdienen. Kristallsucher wurden auch Strahler genannt, da die funkelnden, durchsichtigen Bergkristalle auch als „Strahlen“ bekannt waren. 

Abb.1. Darstellung von Henry Lévèque mit dem Titel “Der Kristallsucher Jacques Balmat” (Erstbesteiger des Mont Blanc in 1786).

2. September 2016

Ein Geologe im Land der Bestie

Im Jahre 1751 besuchte der Mediziner Jean-Etienne Guettard die französische Auvergne, bekannt für ihre kegelförmigen Berge die einfach nur die Puys genannt werden und der Sage um eine menschenfressende Bestie.

Guettard hatte in seiner Jugend seinen Großvater, ein Apotheker, bei der Suche nach Heilkräutern geholfen. Er hatte dabei beobachtet das gewisse Pflanzen nur auf Böden mit einer bestimmten mineralogischen Zusammensetzung vorkommen, eine Beobachtung die sein Interesse an der Geologie weckte. Später diente er als Naturforscher dem Grafen von Orléans und so verschlug es ihn in dieser wilden Gegend.


Die Auvergne und umliegende Provinzen sind durch einsamen Moore und Sümpfe, aus denen einsame, kegelförmige Hügel aufsteigen, und steilen Klippen mit seltsamen, säulenförmigen Gesteinsformationen gekennzeichnet. Manche hielten diese seltsamen sechseckigen Säulen für versteinerte Bambus-Wälder oder riesige Kristallformationen. Die regelmäßigen Säulen wurden von den einheimischen einfach „Roche Tuiliére“ genannt, Dachziegel-Steine, da sie abgebaut wurden um die Dächer abzudecken oder Mauern zu errichten.
 

Im Sommer 1764 tauchte im Gévedaun, das an der südlichen Grenze der Auvergne anschließt, eine menschenfressende Bestie auf, der kein Jäger gewachsen schien. Im schwierigen, sumpfigen Gelände waren Treibjagden beinahe unmöglich und die Bestie von Gévedaun, wie sie nur genannt wurde, versteckte sich anscheinend gerne in den engen Schluchten die im harten Gestein eingeschnitten waren. Zwischen 1764 bis 1767 terrorisierte die Bestie die gesamte Gegend und tötete mindestens 116 Kinder und Frauen.  Erst als 1767 im Wald von Teynazére ein großer Wolf geschossen wurde hörte das Töten auf.

Aber zurück zu Guettard, der seine Reise unbeschadet überlebte und auch noch die damalige Geologie gehörig auf den Kopf stellen sollte. Seine Aufmerksamkeit wurde bei Vichy von einem dieser seltsamen Steine -  den Roche Tuiliére“ - angezogen. Er erkannte das das dunkle Gestein eine überraschende Ähnlichkeit zu einer Gesteinsprobe des Ätna, die er im Naturalienkabinett des Grafen gesehen hatte, aufwies. Guettard erfragte bald das das Gestein bei Volvic (ein Name der sich vom römischen „volcani vicus“, Dorf am Vulkan!, ableitet) abgebaut wurde. Er reiste dorthin und erkannte den Steinbruch als alten, fossilen Lavafluss aus Basalt. Mehr noch, er konnte den Fluss bis zu einem Vulkankrater aus Asche und Schlacke zurückverfolgen. Nach der Rückkehr nach Clermont-Ferrand, der Hauptstadt der Auvergne mit ihrer schwarzen Kathedrale, und mit Hilfe eines einheimischen Führers bestieg er den mehr als 500m hohen Puy de Dome


Sie waren umgeben von kegelförmigen Bergen die aber alle einen Krater am Gipfel aufwiesen – Guettard war sicher das es sich dabei um eine Kette von nun erloschenen Vulkane handelte, die aber in der Vergangenheit mehrmals ausgebrochen waren. In 1752 publizierte er seine Beobachtungen und um 1771 fertigte ein anderer Amateurforscher, Nicholas Desmarest, eine detaillierte Karte an, in der er die Vulkane und Lavaflüsse der Auvergne kartierte.
Die angeblichen Bambus-Fossilien waren Basaltsäulen, die entstehen wenn sich die Lava abkühlt und Schrumpfungsrisse das Gestein in regelmäßige Sechsecke zerbrechen lässt. Interessanterweise nahm Guettard selbst an, das es verschiedene Arten von Basalt gibt, so gibt er für die Basaltsäulen noch einen sedimentären Ursprung an – möglicherweise verwirrten ihn die verschiedenen Farben und Verwitterungsalterationen die alte Basaltablagerungen annehmen können. Erst Desmarest erkennt ihre wahre Natur, auch wenn es noch bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts dauern wird bis die vulkanische Entstehung von Basalt allgemein von den Geologen akzeptiert wird.

Karte von Desmarest mit der Topographie der Auvergne, gut erkennbar die Vulkankegel, vor allem mit der Bergkette der Puys am oberen rechten Rand, und die zungenförmigen Lavaflüsse.

Die damaligen Naturforscher überraschte diese Karte mit zwei wichtigen Erkenntnissen. Erstens waren vulkanische Phänomene viel weiter verbreitet als damals angenommen. Da im damaligen Europa nur die aktiven Vulkane in Süditalien gut bekannt waren, war angenommen worden das vulkanische Kräfte bei der Gestaltung der Erdoberfläche nur eine untergeordnete Rolle spielten. Jetzt aber erkannte man das ganze Gebirge (die Kette der Puys zum Beispiel) und Landschaften durch Vulkane gestaltet werden konnten. Weiters waren diese Vulkane in einer geologischen Vergangenheit aktiv und von der Mächtigkeit der Ablagerungen zu schließen auch wiederholt – Vulkane waren also sehr alte geologische Kräfte, die unablässig die Erde gestalteten.