31. Juli 2016

1816 - Das Jahr ohne Sommer

"Es war ein feuchter, unschöner Sommer, unaufhörliche Regengüsse hielten uns tagelang im Haus."
Mary Shelley, Autorin von Frankenstein
 
Allegorische Darstellung des Vulkanismus, der einerseits fruchtbare Böden bilden kann und Inspiration für Künstler und Dichter lieferte, andererseits Tod und Verwüstung durch Ausbrüche und Klimaverschlechterungen bringen kann. Radierung nach Joseph Nicolas Nicollet (1786-1843), französischer Naturgelehrter, nach einem Entwurf des französischen Künstlers Alexandre-Évariste Fragonard (1780-1850).
 
Die Welt im Jahre 1816 war noch stark durch die Landwirtschaft geprägt, spezielle die erst seit relativ kurzem unabhängigen Vereinigten Staaten waren von den Früchten der Felder abhängig um ihre Bevölkerung zu ernähren. Erst ein Jahr vorher waren die Napoleonischen Kriege in Europa durch die Schlacht bei Waterloo entschieden worden und noch herrschte ein soziales und politisches Chaos. Aber nun kam ein weiteres Unglück dazu. Es regnete in Strömen in ansonsten  trockene Gebiete und es kam zu Dürren in ansonsten regenfeuchten Zonen. Selbst in den Sommermonaten kam es zu Schneestürmen und Fröste. Wegen der Kälte erfroren die Keimlinge auf den Feldern. Aufgrund der Dürre verdorrten die Pflanzen und die Früchte verfaulten wegen des Regens und der Feuchtigkeit bevor sie geerntet werden konnten. Missernten waren die weitverbreitet Folge. Auch das Vieh erkrankte oder musste notgeschlachtet werden da es nicht gefüttert werden konnte. Es kam zu Hungersnöten und in ihrer Verzweiflung kochten die Bauern das Gras von den Wiesen. Und nun kam ein noch härterer Winter.
 
Was war passiert?  Etwa um 1812 erwachte mit Erdbeben und Dampffontänen der Tambora, auf der Insel Sumbawa gelegen, nach schätzungsweise 5.000 Jahre, aus seinem unruhigen Schlaf. Am 5. April 1815 brach er aus und schleuderte Asche und Gase bis in 25 Kilometer Höhe. In den folgenden Tagen kam es immer wieder zu Ausbrüche und Ascheregen. Am 10. April reichte die Eruptionskolonne bereits 40 Kilometer hoch. Möglicherweise 34-50 Kubikkilometer Asche wurden vom Tambora ausgespien und der Vulkan sackte um mindestens 1.200m in sich zusammen.
Der berühmte Geologe Charles Lyell wird später, basierend auf zeitgenössische Augenzeugenberichte, schreiben:
 
"Im April 1815 ereignete sich in der Provinz Tomboro, auf der Insel Sumbawa, einer der schlimmsten Vulkanausbrüche, die in der Geschichte registriert wurden...In der Provinz Tomboro überlebten aus einer Bevölkerung von 12.000 nur 26 Personen."
 
Der Ausbruch wurde von Erdbeben, Glutlawinen und Tsunami begleitet. Die Felder der Bauern auf Sumbawa wurden von bis zu einem Meter Asche zugedeckt, die saure Asche vergiftete den Boden und das Trinkwasser auf den Inseln von Lombok, Bali, Java, Sumba und Flores. Es herrschte überall Hunger und Not.
 
Der Tambora hatte nun auch gewaltige Mengen von Asche und Schwefelverbindungen in die höhere Atmosphäre geschleudert, die das Klima weltweit beeinflussen werden. Klimatische Auswirkungen von starken Vulkanausbrüchen beschränken sich nicht nur auf die Neuzeit. Die Asche, Dampf und Gase, darunter speziell Schwefeldioxid, gelangten hoch in die Atmosphäre wo sie von den Winden über die Erde verteilt wurden. Schwefeldioxid formt mit der Luftfeuchtigkeit Tröpfchen, die als Dunstschleier wirken und die Sonneneinstrahlung reflektieren. Auch die Asche wirkt als eine Art Decke die die Sonneneinstrahlung beträchtlich abschwächt. Eine schwache Sonneneinstrahlung wirkt sich aber auf die Temperaturverteilung der Erdoberfläche aus, und diese wiederum auf das Klima.
 
Nach dem Ausbruch des Tambora fielen die Durchschnittstemperaturen in Europa um fast 10°C. Die Sommer von 1816 und 1817 waren kalt und feucht. In vielen Gegenden fiel Schnee, in Ungarn war er sogar braun gefärbt durch die dunkle Vulkanasche, in Italien anscheinend rötlich und gelblich. Aufgrund der Missernten in 1816 gab es für 1817 kaum Samen für die Aussaat, was die Ernährungslage nur verschlimmerte. Der viele Regen weichte die Straßen auf und es kam zu Engpässen bei Lebensmittellieferungen – und wenn es was zum Essen gab konnten es sich viele Menschen einfach nicht leisten. Wie noch nie zuvor verhungerten die Menschen in den Städten. 
In Indien fiel der Sommermonsum aus. Erst im September kam es zu heftigen Regen und Überschwemmungen. 
In China folgte auf eine Dürre große Überschwemmungen. Der Hunger und die Unterernährung schwächte die Menschen und Seuchen breiteten sich leichter aus. Die Cholera breitete sich von China nach Westen aus, erreichte Afghanistan und Nepal, das Kaspische Meer und schließlich in 1830 Moskau. Ein Jahr später erreichte die Seuche Ägypten, Polen, Ungarn und Frankreich. 1832 brachten Auswanderer – teils durch den Hunger und die sozialen Unruhen in Europa zur Auswanderung gedrängt - die Cholera nach New York City. 
Der Sommer im Nordosten Amerikas war ungewöhnlich trocken, unterbrochen von plötzlichen Frösten und Schneestürmen. Kalte, keimabtötende Fröste trafen Neu-England von Juni bis August 1816. Die Ernten waren verloren und es gab kein Futter für die Tiere, vor allem in den Städten kam es zu Lebensmittelengpässen, da die Bauern sich gerade mal selbst versorgen konnten.
 
Erst in 1818 beruhigte sich das Wetter wieder.
 
Zusammen mit den direkten Auswirkungen des Vulkanausbruchs des Tambora könnten die Seuchen und Hungersnöten weit über 100.000 Opfer gefordert haben - die größte Vulkankatastrophe in historischen Zeiten.
 
Literatur:
 
BOER, de J.Z. & SANDERS, D.T. (2004): Das Jahr ohne Sommer - Die großen Vulkanausbrüche der Menschheitsgeschichte und ihre Folgen. Magnus-Verlag: 269

26. Juli 2016

O'zapft is - Von Kristallen und Bier

Kristalle spielen eine wichtige Rolle bei der Zubereitung von Bier. 

Zum Filtern von Unreinheiten aus dem Bier werden Gemische aus Kristalle, wie Quarz und Calcit, oder auch Kieselgur (Diatomeen-Erde) verwendet. Letzteres wird zuvor erhitzt damit sich aus dem amorphen Kieselgel der Diatomeen-Schalen haarfeine Cristobalit-Kristalle bilden können, diese bilden ein feinmaschiges Netz.

Sandfeiner Calcit, Quarz und Granat werden dagegen zur Wasseraufbereitung verwendet. Sie dienen nämlich als Kristallisationskeime für Calcit um die Carbonat-Härte des Brauwassers zu reduzieren – Calzit kristallisiert aus und lagert sich um die Körner ab und die Wasserhärte nimmt ab. Eine hohe Härte des Wassers ist nämlich ungünstig für den Brauvorgang, Calcium-Ionen behindern Enzyme die für die Gärung und Alkoholbildung nötig sind. Die gebildeten Calcitkörner werden übrigens unter anderem als Hühnerfutter verkauft.


24. Juli 2016

Das (geologische) Ende Der Welt

Das Ende der Welt ist unausweichlich. Die Erde wird von der sterbenden Sonne mit in den Abgrund gerissen werden – allerdings erst in 6,5 Milliarden Jahren, wenn sich unsere gelbe Sonne zum roten Riesen aufblähen wird. Die Verdoppelung der Leuchtkraft der Sonne bis dahin wird aber lange vorher dem Leben den Garaus gemacht haben. 
Auch endogene Prozesse werden es den letzten Überlebenden wahrscheinlich nicht leicht machen. In geschätzte 200 Millionen Jahre werden sich die derzeitigen Kontinente wieder in einem Superkontinent vereinigen. Superkontinente weisen ein extremen Klima auf, Klimamodelle sprechen von Durchschnittstemperaturen von bis zu  44°C am Äquator und heiße Sommer und kalte Winter in mittleren Breiten. Es bilden sich große Wüsten im Inneren des Kontinents und zugleich ein starker Monsun mit viel Dauerregen entlang den Küsten aufgrund der hoher Temperaturdifferenz zwischen Land und Meer. Große Kontinente fördern auch starken Vulkanismus, da sie zu einem "Wärmestau" im Erdmantel führen können, dieser schmilzt auf und es kommt zu gewaltigen Eruptionen die Massenaussterben verursachen können.

Die Sonne, ihr Wasserstoff-Vorrat schließlich verbraucht, beginnt schwerere Elemente zu verschmelzen und bläht sich dabei auf, wobei Leuchtkraft und Temperatur zunehmen. Die Poleiskappen schmelzen und es kommt zu einem weltweiten Meeresspiegelanstieg. Die Zunahme der Verdunstung führt zu intensiveren Regen und Verwitterung, wobei Kohlendioxid - ein wichtiges Treibhausgas - aus der Atmosphäre in Sedimente abgeführt wird. Dieser Prozess wird die Zunahme der Leuchtkraft der Sonne für einen gewissen Zeitraum noch ausgleichen können und die Temperaturen auf der Oberfläche der Erde bleiben noch relativ stabil. Allerdings sterben in 1 Milliarde Jahre die Pflanzen aus, da nicht mehr genug Kohlendioxid in der Atmosphäre vorhanden ist.

Die Drift der Kontinente wird durch die Mittelozanischen Rücken und Subduktionszonen erst möglich. In den Subduktionszonen der Erde werden große Mengen an Wasser zusammen mit den Sedimenten in die Tiefe subduziert, laut Schätzungen des Geologen Shigenori Maruyama um die 900 Millionen Tonnen im Jahr. Innerhalb einer Milliarde Jahre würde so die Erde all ihr Oberflächenwasser verlieren, das in den Erdmantel eingeschlossen wird. Das fehlende Wasser, das zurzeit als Schmiermittel für die Plattenbewegung dient, würde wahrscheinlich die Plattentektonik zum erliegen bringen. Plattentektonik ist aber wichtig für die Stabilisierung des Treibhausgase-Gehalts der Atmosphäre. Durch Verwitterung werden diese kontinuierlich der Atmosphäre entzogen, durch Vulkanismus aber wieder zugeführt. Der erliegende Vulkanismus  führt zu einem Mangel an wichtige Treibhausgase wie Kohlendioxid, das teilweise als Puffer für die Strahlungsbilanz der Erde diente. Es kommt zu extremen klimatischen Schwankungen und am Ende zu einer Abkühlung der Erdoberfläche von bis auf 70°C unter dem Gefrierpunkt.

Die gesamte Erde kühlt sich ab, was zu einer Verfestigung des Inneren führt . Der innere Erdkern kristallisiert auf Kosten des äußeren Erdkerns langsam aus, schätzungsweise um ein-drittel Millimeter im Jahr. In sieben Milliarden wäre damit der gesamte Erdkern fest. Das Magnetfeld, angetrieben durch Strömungen im Erdkern, würde kollabieren und eventuelles Leben auf der Erde schutzlos der Weltraumstrahlung ausgesetzt.
Die Verfestigung führt auch zu einer Schrumpfung der Erde. Beim Merkur führte die Abnahme des Radius um 7km zum Zerbrechen der Planetenkruste und zur Bildung von bis zu 100km langen, 1-3km hohen Geländeklippen.

Wie sich das Innere der Erde abkühlt so heizt sich die Oberfläche allerdings kontinuierlich auf während sich die Sonne zum roten Riesen entwickelt. Bei zunehmenden Temperaturen verdampft in 1 Milliarde Jahre die Atmosphäre und in 2 Milliarden Jahren das verbleibende Wasser und es bildet sich zeitweise eine dichte Dampf-/Wolkendecke aus, nicht unähnlich den Wolken die heute Venus verhüllen. Das Wasser und andere leichte Elemente werden sich in den Weltraum verflüchtigen, schließlich wird sich eine verbleibende dünne Wolkendecke in einige 100km Höhe bilden. Der schwere Sauerstoff wird sich länger nahe an der Erdoberfläche halten können. In der dichteren Atmosphäre führen seltene, aber sehr heftige Niederschläge zu gewaltigen Schlammströme die die letzten Gebirgsketten, es bilden sich keine Neuen weil die Plattentektonik zum Stillstand gekommen ist,  abtragen. Der Sauerstoff reagiert mit dem Eisen in den Gesteinen zu Rost und die gesamte Erde wird sich rot wie heute der Mars verfärben. Schließlich wird es so heiß werden das Gips und andere Evaporite der einstigen Meer ebenfalls verdampfen, zusammen mit der Restfeuchte in der Atmosphäre werden sie einen leichten Schwefelsäure-Regen bilden der die Erdoberfläche verätzt. In 2,5 Milliarden Jahre verbleibt kein Kohlendioxid mehr in der Atmosphäre und kein Gestein wird mehr verwittern. Schließlich wird überhaupt kein Regen je wieder die Planetenoberfläche erreichen und sich die verbleibende Atmosphäre immer mehr ins Weltall verflüchtigen.

Die Erde hat  in der Zwischenzeit aufgehört sich um die eigen Achse zu drehen, abgebremst durch die Schwerkraft der näher-kommenden Sonne, und eine Seite wird nun stets der Sonne zugewandt sein. Die Temperatur wird hier auf über 2.200°C steigen, die Kruste der Erde schmilzt bereits ab 1.200°C und ein Magma-Ozean bildet sich. Es ist inzwischen so heiß das der Ozean aus flüssigen Gestein
beginnt zu verdampfen.
 

Auf der Sonnenabgewandten Seite werden die Temperaturen dagegen auf -240°C fallen. Bei -196°C regnet es Stickstoff aus der Atmosphäre, danach Sauerstoff, der in der Kälte gefriert. Auf einer Gesteinsunterlage könnten noch einzelne Wassertaschen vorkommen, versteckt unter eine Panzer aus Wasser-, Stickstoff- und Sauerstoffeis. In der Dämmerzone zwischen dem Magma-Ozean und der Eiswüste wird ein seltsamer Schnee aus Feldspat-Kristallen und Magnesium-Silikaten niederprasseln und Eisberge aus Gestein driften von der eisigen Küste hinaus in den glühenden Magma-Ozean.
Abb.1. Querschnitt der sterbenden Erde, während eine Seite bis in große Tiefen geschmolzen ist ist die Schattenseite vollständig vereist. Eisen kristallisiert im Inneren aus und der Erdkern wächst auf Kosten des Mantels. An den Ufern des Magma-Ozeans formen sich Kontinente aus Feldspat und leichten Silikaten, die teilweise auf der Gesteinsschmelze schwimmen.

Wird es dann noch Leben geben? Schon einmal durchlitt die Erde ein ähnliches Szenario – während das Hadäan oder Höllenzeitalter vor 4,56 bis 3,8 Milliarden Jahre. Zwischen 4,56- 4,51 Milliarden Jahre war die Erde von einem weltweiten Magma-Ozean bedeckt, teilweise aufgrund der ständigen Treffer von Asteroiden, teilweise aufgrund des gravitativen Absinkens von schweren Elementen zum Erdzentrum, wobei Wärme frei wurde. Erst vor 4,4 Milliarden Jahre gibt es erste Hinweise für Festgestein, in der Form von Zirkonen aus Sedimentgesteinen. Diese gelten auch als Hinweis von Wasser und Temperaturen unter 100°C auf der Erde – extremophile Organismen können bei Temperaturen von 80 bis 115°C noch existieren, eventuell in tieferen Erdschichten wo sie auch geschützt vom immer noch stattfindenden Asteroidenregen gewesen wären. Die ältesten derzeit bekannten Lebensspuren sind um die 3,85 Milliarden Jahre alt. Auf der zukünftigen Erde könnten allerletzte Mikroorganismen noch in einzelne Wassertaschen unter dem Eisschild der Schattenseite ein kümmerliches Dasein fristen.

Während die Erde verglüht wird es dem Mond nicht besser ergehen. Er entfernt sich zunächst (wie er es heute langsam tut) schneller von der Erde, wird jedoch vom Partikelstrom der von der Sonne ausgeht abgebremst werden. Wahrscheinlich wird er schließlich von der instabilen Gravitationskraft der Sonne zerrissen werden.

Schließlich wird der gesamte Magma-Ozean und Erdmantel der Erde verdampft sein, unmöglich das irgendetwas der -jemand das noch miterlebt, und der verbleibende Eisenkern der Erde wird im Angesichts eines roten Riesen vor sich hin-rösten.

Wenn die Phase des roten Riesen schließlich abgeschlossen ist wird die Sonne ihre äußeren Hüllen abstoßen und zum weißen Zwerg kollabieren. Aufgrund des Massen- und Schwerkraftverlust der sterbenden Sonne wird sich die Erdumlaufbahn vergrößern und möglicherweise die verbrannte Erde nicht von der Sonne verschluckt werden. Diese Erde wird aber nur noch ein Schatten ihrer selbst sein, ein toter Körper verloren für immer in der Kälte des Weltraums.

17. Juli 2016

Forensische Geologie im Fall der Entführung von Flug 305 - der ungelöste D.B. Cooper Case

Am 24. November 1971 entführte ein unbekannter Mann - nur bekannt unter seinem Pseudonym Dan Cooper oder D. B. Cooper (Fahndungsbild aus dem Jahre 1972) - eine Passagiermaschine auf einen Linienflug zwischen Portland und Seattle. Er verlangte ein Lösegeld von 200.000 Dollar und Ausrüstung für einen Fallschirmabsprung. Nach einer Zwischenlandung stieg das Flugzeug wieder auf und irgendwo zwischen Seattle und Reno sprang der Entführer in einer Höhe von 3.000m aus der Maschine – hinein in eine dunkle und stürmische Nacht. Eine sofort eingeleitete Suche im vermuteten Landegebiet in den Cascade-Mountains brachte keine Ergebnisse und nach 45 Jahren wurde der Fall nun als ungelöst zu den Akten gelegt
Dieser Kriminalfall ist besonders verwirrend durch einen seltsamen Fund neun Jahre nach der geheimnisvollen Nacht. 

Am 13. Februar 1980 fand ein Junge während eines Ausflugs drei Bündel von 20 Dollar Scheinen im Gesamtwert von 5.800 Dollar, die ohne Zweifel aus dem Lösegeld stammen. Die Scheine lagen in einer Sandbank des Columbia River. Seltsam war das die Scheine flussaufwärts zum vermuteten Landegebiet von Cooper gefunden wurden. Wie kamen sie dorthin? Entgegen der Strömung des Columbia River oder der Windrichtung in jener stürmischen Nacht. Noch seltsamer war das laut forensisch-geologischen Untersuchungen das Geld in einer Sandschicht eingebettet war, die erst nach einer Flussvertiefung in 1974 - also drei Jahre nach der Entführung - an den Ufern abgelagert worden war.

Abb.1. 1) Erster errechneter mutmaßlicher Absprungpunkt im Einzugsgebiet des Lewis River, 2) Fundort der abgerissenen Gebrauchsanleitung der Hecktreppe, 3) Fundort der Geldbündel oberhalb der Mündung des Lewis River in den Columbia River, 4) Zweiter errechneter mutmaßlicher Absprungpunkt - Quelle: Wikipedia.

Cooper-Anhänger sehen in dieser Beobachtung den Beweis das Cooper den Absprung überlebt hat und Jahre später an den Ort des Verbrechens zurückgekehrt ist und das Geld dort versteckt hat um eine falsche Fährte zu legen. Allerdings waren die Geldbündel an den Rändern stark verwittert aber relativ gut im Inneren erhalten – Hinweis das die durch Wasser transportiert und abgerollt worden waren, also wahrscheinlich nicht absichtlich vergraben wurden. Aber konnten die Geldbündel drei Jahre lang der Verwitterung getrotzt haben, vor allem da das Gummiband das die Scheine zusammenhält noch intakt war? Unwahrscheinlich, vor allem nach der Entdeckung das am Fundpunkt der Geldscheine nie der Fluss vertieft worden war - die eigentlichen Baggerarbeiten fanden 45m flussaufwärts statt. 

Abb.2. Aus dem Archiv des FBI - eine Suche am Fundpunkt der ersten Geldbündel ergab keine weiteren Hinweise.

Auch wurde später das mögliche Landegebiet von Cooper neu berechnet , dieses Mal lag es flussaufwärts. Es könnte daher durchaus sein das das Geld in jener Nacht irgendwo im Einzugsgebiet des Columbia River landete und kurze Zeit später durch die Strömung bis an die Sandbank getragen wurde, wo es einsedimentiert und vor weiterer Verwitterung geschützt war.

Aber wo ist der Rest des Lösegelds – und vor allem  D. B. Cooper selbst – verblieben? Beides – Geld und Entführer – tauchten nie wieder auf.

Geologie spielt auch noch eine kuriose Rolle am vorläufigen Ende der Geschichte. Im Mai 1980, 14 Wochen nach dem Fund eines Teils des Lösegelds, brach der St. Helens aus, der einen großen Teil des Suchgebiets verschüttete und damit möglicherweise auch für immer mögliche Hinweise zum Verbleib von Cooper.

13. Juli 2016

Bäume als Archivare der Vergangenheit

"De róba véyes
e de prúmes témpes
ay ó aldí
e vó kunté bayédes!

Von alten Dingen
und von alte Zeiten
habe ich gehört
und will ich nun erzählen
."
Spruch der ladinischen Cantastóries (Erzähler)

Mittels Baumringe können Altersbestimmungen vorgenommen werden, aber Baumringe verraten auch Klimadaten (Temperatur und Niederschlag) und es können Brände, Erdbeben und mechanische Beschädigungen (Steinfall, Gletschervorstoß), Grundwasserschwankungen und Schädlingsbefall rekonstruiert werden. Zwar gibt es Beispiel für Jahresringe bereits im Permokarbon, aber erst seit dem Jura (seit ca 210-184 Millionen Jahre) weist das Holz von Nadelbäumen regelmäßig Jahresringe auf.
 
Abb.1. Stammquerschnitt einer Fichte.

Leonardo da Vinci (1542-1519) war einer der ersten Naturinteressierten der beobachtete das Bäume in der Umgebung von Ravenna jährlich einen Wachstumsring ausbilden und dass in trockene Sommer nur enge Ringe angelegt werden. Karl von Linné (1707-1778) zeigte auf das kalte Sommer in Nordschweden ein verlangsamtes Baumwachstum zur Folge haben.
Der Mathematiker und Astronom Andrew Ellicott Douglass (1867-1962) schlug vor das Sonnenflecken-Zyklen das Wetter beeinflussen konnten und damit auch das Wachstum von Bäumen. Durch das Vermessen von Baumringe (Douglass sammelte tausende von Baumringreihen) könnte das Klima und die Sonnenaktivität über lange Zeiträume und auf das Jahr genau rekonstruiert werden – ein breiter Jahrring weißt auf ein feuchtes Jahr hin, ein dünner Ringe dagegen auf eine Dürre (~2,5cm beträgt die mittlere Jahresringbreite in den gemäßigten Zonen).  Die erste geomorphologische Anwendung wurde durch R.H. Finch in 1937 versucht, der damit die vulkanische Tätigkeit der Cinder-Cone-Vulkanfelds in Kalifornien datierte.


Einzelne Bäume, wie die amerikanische Grannenkiefer, können bis zu 4.600 Jahre alt werden, auch europäische Arten wie Zirbe, Lärche, Eibe, Eiche und Linde gelten als langlebig, erreichen aber nur in Einzelfälle Alter um die 1.000 Jahre.
Jahrringkalender, zusammengesetzt aus zahlreichen beprobten Stämmen, reichen heutzutage für die westamerikanische Grannenkiefer um die 8.300 Jahre zurück, in Europa wurden mittels Eichen bis 7.938 v.Chr., mittels Föhren bis 11.000 Jahre lange Zeitreihen erstellt.  Im Alpenraum - an der Waldgrenze wo das Klima besonders harsch ist – zeigt die maximale Dichte des Spätholzes eine gute Übereinstimmung mit der durchschnittlichen Sommertemperatur auf. Mittels der Baumringanalyse ist die Rekonstruktion der Sommertemperatur auf bis zu +-1°C möglich. Selbst die klimatischen Nachwirkungen eines Vulkanausbruchs lassen sich nachweisen,so zeigen Zirben auf dem Patscherkofel bei Innsbruck das Jahr ohne Sommer 1816, nach dem Ausbruch des Tambora in 1815, durch sehr schmale (unter 0,5mm Breite) Ringe an

Allerdings hat die Methode auch Grenzen. Die verschiedenen Baumarten reagieren unterschiedlich auf Veränderungen, so gilt ein Jahrringkalender immer nur für die entsprechenden Baumart. Fichten reagieren schneller auf Temperaturveränderungen, während Tannen eher auf Änderungen des Wasserhaushalts reagieren. Auch findet das Wachstum in den gemäßigten Klimazonen von März bis Oktober statt, Aussagen über das Klima im Winter sind mit dieser Methode daher kaum möglich. Baumringe werden von mehreren Faktoren zeitgleich beeinflusst, wie  Temperatur, Niederschlag, Verfügbarkeit von Wasser im Boden, und noch ist nicht ganz klar wie die einzelnen Faktoren sich gegenseitig beeinflussen können. So zum Beispiel kann Trockenheit auf mehrere Jahre hin das Wachstum beeinflussen und eventuelle Auswirkungen von Temperaturveränderungen abschwächen oder verfälschen.

Eine Kuriosität betreffend Klima und Jahresringe: Das Holz der Bäume im ausgehenden 17. Jahrhundert war von hervorragender Qualität für Instrumentenbau dank einer Kältephase die von 1645 bis 1715 dauerte. Das kühle Klima ließ die Bäume besonders langsam wachsen, das Holz war daher sehr dicht und die Jahresringe lagen eng und gleichmäßig nebeneinander, was sich auf die Resonanz des Klangkörpers der Geige positiv auswirkt. So hat das Fichtenholz einer Stradivari-Geige hat fast 220 Jahresringe, heutzutage haben Bäume im Schnitt nur 180 Ringe auf einer vergleichbaren Messstrecke.

Literatur:

POKORNYA, A. (1867): Über den Dickenzuwachs und das Alter der Bäume. Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien, Nr. 6: 209-233
TESSIER, L.; GUBAL, F. & SCHWEINGRUBER, F.H. (1997): Research strategies in dendroecology and dendroclimatology in mountain environments. Climatic Change. Nr.36: 499-517

WILES, G.G. et al. (1996): Tree-ring analysis and Quaternary geology. Principles and recent applications. Geomorphology 16: 259-272

12. Juli 2016

Die schrecklichen Alpen: Lawinen

Isidoros (560-636), Erzbischof von Sevilla, verwendet in seinem "Etymologarium libri" die Begriffe "Labina, Lavina", abgeleitet vom Lateinischen "Labes" - Fall, Sturz oder "labi" - herabgleiten. Der Jesuit Josef Walcher unterteilt in seinem "Nachrichten von den Eisbergen"
in Tirol" (1773) Lawinen in "Grund- und Staublähnen".
 
Abb.1. "Schnee-Lauwen...wie sich dieselbigen ab gächstotzigen Gebirgen fast senkrecht herunterstürzen",  Kupferstich von David Herrliberger aus dem Jahr 1756. Eine etwas phantasievolle Darstellung der Lawine als große Kugel aus der Trümmer, Bäume, Menschen, Kühe und Gämsen (!) herausragen

Angeblich verlor Hannibal 218 v.Chr. um die 18.000 Krieger, 2.000 Pferde und fast alle Elefanten an Lawinen. Die ersten Touristen wurden 1820 am Mont Blanc und 1828 am Großglockner durch eine Lawine verschüttet. Im I. Weltkrieg (Dezember 1916) töteten Lawinen nach über eine Woche starker Schneefälle an der Dolomitenfront innerhalb von zwei Tagen rund 10.000 Soldaten - in den Bergen forderte diese Naturgewalt mehr Tote als die eigentlichen Kampfhandlungen.


9. Juli 2016

Die Alpen in Zahlen

Die Alpen von oben, Satellitenbild der NASA.
  • 2,5 Prozent der Gesamtoberfläche der Alpen sind künstliche Oberflächen
  • 10 Prozent der Flüsse der Alpen sind noch naturbelassen
  • 15 Prozent der Gesamtoberfläche sind vegetationslose Flächen, davon 1,8% Gletscher
  • 17,7 Prozent sind Agrarfläche
  • 18,1 Prozent Gras- und Buschvegetation
  • 45,3 Prozent wird von Wald bedeckt
  • Um 150 n.Chr. Werden die Alpen zum ersten Mal in der „Geographie“ des Ptolemäus erwähnt
  • Murmeltiere leben erst ab einer Höhe von 800m SH
  • Der Alpenbogen ist 1.200 Kilometer lang, an der schmalsten Stelle sind die Alpen an die 100, an der breitesten Stelle 250 Kilometer breit
  • 3.600 Quadratkilometer sind Gletscherfläche, um 1850 waren es noch 7200 
  • 30.000 Gipfel gibt es in den Alpen, davon sind 82 höher als 4.000 Meter
  • 40.000 Steinböcke leben in den Alpen heute, 100 waren es um 1821 als die Art unter Schutz gestellt wurde
  • Die Gesamtfläche der Alpen beträgt 190.959 Quadratkilometer
  • 13,6 Millionen Menschen leben in den Alpen, 7,8 Millionen waren es um 1870
  • 120 Millionen Menschen besuchen die Alpen jedes Jahr
  • 48x10^13 Tonnen wiegen die Alpen

6. Juli 2016

Geschichte geologischer Begriffe: Geosynklinale

Bis in die 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war die Kontraktionstheorie – eine schrumpfende Erde – um Gebirgsbildung zu erklären sehr populär. In dieser Theorie lagerten sich die Sedimente die später die Gebirge aufbauen sollten in langgestreckten Ozeanen – die Geosynklinalen – ab. Das Konzept wurde durch den Geologen James Hall in 1859 eingeführt aufgrund seiner Studien zur geologischen Geschichte der Appalachen. Er bemerkte das Verfaltung und spröde tektonische Störungen gleichzeitig vorkommen. Hall nahm an das die Deformation durch das Absinken der Geosynklinale entsteht, später werden dann die Berge einfach nach oben gedrückt.
Diese Troge konnten weiter unterteilt sein, in tieferen Bereichen lagerten sich typische Tiefwassersedimente und Vulkanite ab, in flachere Bereiche, näher am Kontinent liegend, dagegen Flachwassersedimente. Wenn die Erde sich zusammenzog quetschte sie dabei die Geosynklinalen zusammen und die Sedimente wurden emporgehoben. Man war der Ansicht das diese Gebirgsbildung in feste Phasen von 100-200 Millionen Jahre stattfindet, da sich die Geosynklinale füllen musste, dann erfolgte Einengung und Kompression und als Abschluss Dehnung und Zerbrechen des Gebirge – durch Erosion wurde dabei das Gebirge abgetragen und die nächste Geosynklinale wurde gefüllt und ein neuer Zyklus konnte beginnen.

 
Abb.1. Die Geosynklinale der Alpen im Buch „Die Welt der Alpen“ (1970-1993)... und Lemuria ist auch noch da...(die mexikanische Geosynklinale mitten in Europa ist wahrscheinlich ein Druckfehler ;)

Auch wenn der Begriff heute noch gelegentlich auftaucht, so ist er doch veraltet, da die moderne Plattentektonik eine weit kompliziertere Entstehungsgeschichte der Gebirge – vor allem nicht so zeitlich angeordnete Phasen – vorsieht. 

2. Juli 2016

Die Sage vom Tiefrastensee und der vergessene Bergbau in Tirol

Vor langer Zeit schürfte man in den Bergen um Terenten nach Gold, Silber und besonders Edelsteine. All die Reichtümer gehörten dem Herrn dieser Berge - Mute den Zwerg - der die Knappen aber reichlich für ihre Anstrengungen entlohnte.

Eines Tages aber – so die Sage – fanden die Knappen tief im Berg einen besonders schönen Kristall. Diesen wollten sie für sich behalten und heimlich an den Meistbietenden verkaufen. Der Zwerg Mute erfuhr das die Bergleute ihn betrügen wollten. Darüber war er so erbittert und traurig, dass er all des Reichtums überdrüssig wurde. In der Nacht zog  ein furchtbares Unwetter auf und tief aus dem Berg quoll Wasser hervor. Als am nächsten Morgen die Sonne aufging fanden die Knappen ihre Hütten nicht wieder, es lag nur noch ein dunkelblauer See still da - der Tiefrastensee. Den Zwerg Mute hat man aber seither nie wieder gesehen und auch die Stollen zu den Schätzen der Berge sind für immer verschwunden.

Der Tiefrastensee heute.

Sagen zum Bergbau sind in Tirol – einem alten Bergbaugebiet – weit verbreitet. Die Umgebung von Terenten gehört zum Altkristallin und besteht aus einer relativ monotonen Abfolge von Gneisen und Schiefern, man würde daher von rein geologischen Gesichtspunkten keine besonderen Lagerstätten erwarten. Was aber hat es dann mit dieser Sage des verlorenen Bergsegen auf sich?
 
Tatsächlich gibt es einige Stollen in der Nähe der kleinen Ortschaft Uttenheim, die in ähnlichen Gesteinen angelegt sind. Es handelt sich dabei um bis zu 40m lange Prospektionsstollen.  Sagen gehen so weit zu behaupten das auch ein geheimnisvolles, weitläufiges Schacht-und Stollensystem im nahen Walburgisgraben, oberhalb von Kematen, existiere oder dieses mit den Stollen auf der diesseitigen Talflanke verbunden sei.

Altes Stollenmundloch.

Die zugänglichen Stollenmundlöcher bei Uttenheim werden von den Einheimischen als antrische (unheimliche/verhexte) Löcher bezeichnet. Ihr genaues Alter ist unbekannt, manche Geschichten verlegen sie in die Römerzeit, dafür gibt es allerdings keine archäologischen Beweise.  Archive aus Steinhausen (wo das Berggericht des berühmten Kupferbergwerk von Prettau lag) geben an das einem gewissen Franz Widmair im Jahre 1530 Schürfrechte an den „alten verlegenen Bau, St. Katherina“ erteilt wurden, wahrscheinlich ist damit diese Gegend gemeint  – in eine Zeit in dem in Tirol der Bergbau aufblühte und zahlreiche Probeschurfe im ganzen Land angelegt wurden. 


Die Schürfe bei Uttenheim waren wohl nie sonderlich ertragreich und wurden wohl bald aufgegeben, der Gneis hier ist relativ kompakt und nur eine leichte Braunfärbung weist auf geringe Gehalte von Metallen hin. Ein möglicher geringer Ertrag stand dem hohen Aufwand entgegen. Vielleicht spielt die Sage von den verlorenen Schätze von Terenten auf diese oder ähnliche Probestollen hin, denen – all Bemühungen zum Trotz - der Bergsegen versagt blieb.