Zusammenfassung des ursprünglichen Artikels von Scientific American
"Can Animals Sense Earthquakes?"
"Can Animals Sense Earthquakes?"
Einer der frühesten Berichte die von einem "unnatürlichen" Verhalten von
Tieren vor einem Erdbeben berichten, stammt vom römischen Historiker
Aelian, der in 373 vor Christus über die Zerstörung der Stadt Helike
berichtet: 5 Tage vor dem Erdbeben flüchtete ein langer Zug aus Ratten,
Wiesel, Schlangen und Insekten aus der Stadt. In den folgenden
Jahrhunderten folgen immer wieder Geschichten mit ähnlichem Ablauf:
unerklärliches oder unruhiges Verhalten von Tieren bald darauf gefolgt
von einer Katastrophe.
Abb.1. Viele Zeitungen (hier P.M. 6/2003), Dokumentation und vor allem Internetseiten publizieren gerne die Idee das Tiere Erdbeben vorausahnen können (am liebsten mit einem paranormalen Sinn, der ihnen praktischer weise auch andere zukünftige Katastrophen verrät), allerdings sind meistens die ins Feld geführten Ereignisse oder Anekdoten schlampig zusammengetragen und die Argumente fußen auf falsch verstandener Wissenschaft.
Eine besonders lange Tradition verbindet Tiere und Erdbeben im alten China und Japan (letzteres importierte teilweise auch Mythen vom chinesischen Festland). Nach japanischer Tradition ist der Verursacher von Erdbeben ein riesiger Katzenwels, auf dessen Rücken die japanischen Inseln liegen, allerdings gibt es auch ältere Legenden die Katzenwelse als warnende Vorboten von Erdbeben darstellen, bzw. indem der Wels die gefürchteten Wasserdrachen verspeist auch Erdbeben verhindern kann.
Laut alten Berichten wurde tatsächlich vor den großen Erdbeben von Tokio in 1855 und 1923 ein seltsames Verhalten der Katzenwelse beobachtet: diese sonst trägen Fische schwammen aufgeregt an der Wasseroberfläche und waren somit leichte Beute für die Fischer. Auch vor dem Erdbeben von Tohoku im April 2011 soll laut Erzählungen von Fischern die Fangmenge von Tintenfischen Monate vor dem Erdbeben ungewöhnlich hoch gewesen sein, allerdings weisen Marinbiologen darauf hin dass eher die ungewöhnlich milden Temperaturen in diesem Zeitraum eine Rolle spielten.
Eine besonders lange Tradition verbindet Tiere und Erdbeben im alten China und Japan (letzteres importierte teilweise auch Mythen vom chinesischen Festland). Nach japanischer Tradition ist der Verursacher von Erdbeben ein riesiger Katzenwels, auf dessen Rücken die japanischen Inseln liegen, allerdings gibt es auch ältere Legenden die Katzenwelse als warnende Vorboten von Erdbeben darstellen, bzw. indem der Wels die gefürchteten Wasserdrachen verspeist auch Erdbeben verhindern kann.
Laut alten Berichten wurde tatsächlich vor den großen Erdbeben von Tokio in 1855 und 1923 ein seltsames Verhalten der Katzenwelse beobachtet: diese sonst trägen Fische schwammen aufgeregt an der Wasseroberfläche und waren somit leichte Beute für die Fischer. Auch vor dem Erdbeben von Tohoku im April 2011 soll laut Erzählungen von Fischern die Fangmenge von Tintenfischen Monate vor dem Erdbeben ungewöhnlich hoch gewesen sein, allerdings weisen Marinbiologen darauf hin dass eher die ungewöhnlich milden Temperaturen in diesem Zeitraum eine Rolle spielten.
In 1970 veröffentlichten chinesische Behörden ein Leitfaden in dem ungewöhnliches Verhalten von 58 Tierarten beschrieben wurde, und das als Vorwarnzeichen für ein Erdbeben gedeutet wurde. Besonders von Nagetieren, Fledermäusen und Schlangen wurde angenommen dass sie besonders sensibel auf drohende Gefahr reagierten (Abb.2. & 3. Nach 1970 publizierten die chinesischen Behörden verschiedene Schautafeln auf denen ungewöhnliches Verhalten von Tiere vor einem Erdbeben dargestellt wurden: Pferde werden unruhig und lassen sich kaum beruhigen, Nagetiere wie Ratten werden am helllichten Tag in offenen Räumen beobachtet oder flüchten und Fische sind dermaßen unruhig, dass sie aus dem Wasser springen).
Im Februar 1975 wurde beobachtet wie Schlangen aus ihren Winterschlaf-Verstecken krochen und im Freien erfroren. Die zuständigen Behörden beschlossen die Stadt Haicheng zu evakuieren. Tatsächlich ereignete sich am 4. Februar 1975 ein Erdbeben, mehr als 1.000 Personen wurden getötet, aber im Verhältnis zu der dicht besiedelten Region wurde diese Zahl als großer Erfolg der "Tierprognose" angesehen. Allerdings ereignete sich nur ein Jahr später ein Erdbeben, das mehr als 600.000 Opfer verursachte. Anschließende Untersuchungen ergaben dass es Berichte über ungewöhnliches Tierverhalten gegeben hatte, sich aber Niemand in den Behörden dafür zuständig gefühlt hatte.
Noch bei den Erdbeben von Virginia in diesem Jahr berichteten die Zeitungen ausgiebig über das seltsame Verhalten der Tiere im Zoo von Washington - einige kletterten auf Bäume Augenblicke bevor das Erdbeben von dem Zoopersonal gefühlt wurde. Großes Medienecho fand auch die Geschichte der Kröten die das Erdbeben in L´Aquila am 6. April 2009 "vorhergesehen" hatten.
Das Problem mit dieser (lange noch nicht vollständigen) Liste ist ihr anekdotenhafter Charakter - die meisten ungewöhnlichen Verhaltensweisen der Tiere sind im Nachhinein niedergeschrieben worden. Es lässt sich kaum überprüfen ob das Verhalten dass von so vielen Beobachtern als ungewöhnlich empfunden wurde, auch unter anderen Umständen, also ohne Erdbeben, als bemerkenswert angesehen worden wäre. Viele Anekdoten werden auch völlig aus dem Zusammenhang von leichtgläubigen Journalisten wieder und wieder zum besten gehalten: die chinesische Stadt von Haicheng war berühmt-berüchtigt für vergangene Erdbeben, die Evakuierung wurde bereits im Dezember 1974 vor allem wegen der Monate lang spürbaren Vorbeben beschlossen, allein in den letzen 72 Stunden vor dem 4. Februar erfolgten mehr als 500 Vorbeben. Die Schlangen reagierten keineswegs aus heiterem Himmel auf ein unerklärliches Ereignis, aber auf die starke seismische Aktivität.
Allerdings lassen diese Anekdoten immerhin zu, dass wir eine Hypothese aufstellen: Gibt es geophysikalische Prozesse vor einem Erdbeben die von Tieren wahrgenommen werden können und auf die sie reagieren?
Es gibt sicherlich nicht spezielle Sinnesorgane die nur auf ein mögliches Erdbeben ausgerichtet sind - es hätte wenig evolutionärer Sinn, vor allem für kleine oder territoriale Tiere die von einem großräumigen Erdbeben sowieso nicht flüchten könnten (da wären Sinne gegen Steinschlag oder Bergstürze schon sinnvoller).
Glaubt man der Literatur kann das ungewöhnliche Verhalten von Tiere vor einem Erdbeben grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: kurzfristige Reaktion -Sekunden bis Stunden- und langfristige Reaktionen, Tage bis Wochen vor dem Ereignis.
Für kurzfristige Reaktionen gibt es verschiedene Erklärungsversuche, die sich auf die unterschiedliche Geschwindigkeit von Erdbebenwellen stützen. Primäre Wellen sind im Schnitt 1,6x schneller als die stärkeren Sekundärwellen. Von vielen Tieren ist bekannt dass sie Vibrationen oder Infraschall wahrnehmen können, besonders Elefanten sind bekannt dafür dass sie Infraschall als Kommunikationsmittel einsetzen und langwelligen Frequenzen über ihre Füße wahrnehmen können. Weiters ist es möglich dass Tiere hören (immer im Bereich von Infraschall) wenn sich z.B. ein Tsunami nähert, da Schallwellen in der Luft um einiges schneller sind als die Materiewellen im Wasser.
Langfristige Reaktionen sind um einiges schwieriger zu erklären.
Fische und Vögel können Änderungen in elektrischen und magnetischen Feldern wahrnehmen. Es wurde vorgeschlagen, dass piezoelektrische Effekte in unter Spannung stehenden Gesteinen zu Variationen im lokalen Erdmagnetfeld führen, allerdings sind die gemessen Veränderungen sehr gering.
1993 schlug der deutsche Physiker Friedemann Freund vor, dass bestimmte Tiere wie Schlangen auf Infrarotstrahlung reagieren, die von bestimmten Gesteinen ausgesendet werden wenn sie unter hohen Belastungen stehen. Tatsächlich konnten großräumige Variationen im Infrarotbereich während des Erdbebens vom 21 Jänner 2001, dass die indischen Stadt Bhuj traf, gemessen werden.
Die "p-Hole-Theory", ebenfalls von Friedemann formuliert, beruht auf die Beobachtungen von starken elektrischen Entladungen in Form von Erdbebenleuchten vor einem Erdbeben. Piezoelektrische Effekte, wie sie früher oft vorgeschlagen wurden, sind viel zu schwach um diese Entladungen zu erklären. Die p-Hole-Theory schlägt einen effektiveren Mechanismus vor, bei dem geladenen Fehlstellen in den Kristallgittern der Minerale Sauerstoffatome ionisieren. Diese Ionen werden ins Grundwasser abgegeben oder gelangen in die Atmosphäre wo sie das Erdbebenleuchten verursachen.
In 2010 und 2011 publizierten Zoologen mithilfe dieser Arbeitshypothese einen Erklärungsversuch für das anscheinend unerklärliche Verhalten der Kröten in einem künstlichem Speicherbecken in der Nähe des Epizentrums des Erdbebens von L´Aquila. Die freien Sauerstoffionen hätten die Wasserchemie der Quellen und Zuflüsse verändert und die empfindlichen Amphibien hätten auf diese Veränderungen der Wasserchemie reagiert.
Abb.4. Die Beobachtungen von GRANT et al. wenige Tage vor und nach dem Erdbeben von L´Aquila am 6. April 2009. Die Untersuchungen hatte eigentlich die Aufgabe das Paarungsverhalten der gemeinen Kröte (Bufo bufo) zu untersuchen, allerdings verschwanden die Kröten plötzlich und tauchten erst nach dem Erdbeben und mit Vollmond wieder auf. Um ihre Arbeitshypothese zu untermauern nutzte Grant Störungen in der Ionosphäre aus, die möglicherweise mit der Freisetzung von geladenen Sauerstoffatomen aus dem Untergrund zusammenhängen. Nach dem vorgeschlagenen Szenario fallen Störungen in der Ionosphäre mit der verstärkten Freisetzung von Ionen zusammen, die sich durch geophysikalische Prozesse im Untergrund bilden Die freigesetzten Ionen beeinflussen wiederum die Wasserchemie und den Lebensraum der Kröten. Die Kröten reagierten daher indirekt auf geophysikalische Prozesse verursacht durch die Ansammlung von tektonischen Stress, der schließlich mit dem Erdbeben am 6. April freigesetzt wurde.
Es muss gesagt wurden dass dies alles hypothetische Mechanismen sind, die nur teilweise im Labor - unter kontrollierten Bedingungen - beobachtet wurden. Die meisten "Tierversuche" während eines Erdbebens erfolgten, wie der Fall mit den Kröten, durch Zufall. Es kann nicht ausgeschlossen werden dass die Tiere auf andere Umweltfaktoren reagierten, wenn zufällig das Erdbeben erfolgte. Die wenigen Fälle bei denen ein Erdbeben während einer Beobachtungsreihe in einem Labor erfolgte sind widersprüchlich: manche Wissenschaftler sprachen von Veränderungen im Verhalten, viele beobachteten gar nichts oder sprechen von einem "ungewöhnlichem" Verhalten, dass allerdings im kompletten Widerspruch zu anderen "Beobachtungen" steht. Möglicherweise auch eine Folge der Frage was man überhaupt als ungewöhnliches Verhalten klassifizieren sollte.
Rein physiologisch scheint es möglich dass bestimmte Effekte vor einem Erdbeben erfolgen können (aber nicht müssen, wie Vorbeben oder Änderungen des Grundwassers, die bei weitem nicht bei allen Erdbeben beobachtet wurden) die auch von Tieren wahrgenommen werden könnten - allerdings ist nicht klar ob Tiere auf diese Variationen auch mit deutlichen Veränderungen ihres Verhaltens reagieren. Bis zur Klärung dieser Fragen können Tiere allein nicht als "Prognose" für das Erdbebenrisiko herangezogen werden.
Es muss gesagt wurden dass dies alles hypothetische Mechanismen sind, die nur teilweise im Labor - unter kontrollierten Bedingungen - beobachtet wurden. Die meisten "Tierversuche" während eines Erdbebens erfolgten, wie der Fall mit den Kröten, durch Zufall. Es kann nicht ausgeschlossen werden dass die Tiere auf andere Umweltfaktoren reagierten, wenn zufällig das Erdbeben erfolgte. Die wenigen Fälle bei denen ein Erdbeben während einer Beobachtungsreihe in einem Labor erfolgte sind widersprüchlich: manche Wissenschaftler sprachen von Veränderungen im Verhalten, viele beobachteten gar nichts oder sprechen von einem "ungewöhnlichem" Verhalten, dass allerdings im kompletten Widerspruch zu anderen "Beobachtungen" steht. Möglicherweise auch eine Folge der Frage was man überhaupt als ungewöhnliches Verhalten klassifizieren sollte.
Rein physiologisch scheint es möglich dass bestimmte Effekte vor einem Erdbeben erfolgen können (aber nicht müssen, wie Vorbeben oder Änderungen des Grundwassers, die bei weitem nicht bei allen Erdbeben beobachtet wurden) die auch von Tieren wahrgenommen werden könnten - allerdings ist nicht klar ob Tiere auf diese Variationen auch mit deutlichen Veränderungen ihres Verhaltens reagieren. Bis zur Klärung dieser Fragen können Tiere allein nicht als "Prognose" für das Erdbebenrisiko herangezogen werden.
Literatur:
BHARGAVA, N.; KATIYAR, V.K.; SHARMA, M.L. & PRADHAN, P. (2009): Earthquake Prediction through Animal Behavior: A Review. Indian Journal of Biomechanics: Special Issue NCBM 7-8: 159-165
GRANT, R.A. & HALLIDAY, T. (2010): Predicting the unpredictable; evidence of pre-seismic anticipatory behaviour in the common toad. Journal of Zoology 281(4): 1-9
GRANT, R.A.; HALLIDAY, T; BALDERER, W.P.; LEUENBERGER, F.; NEWCOMER, M.; CYR, G. & FREUND, F.T. (2011): Ground Water Chemistry Changes before Major Earthquakes and Possible Effects on Animals. Environmental Research and Public Health 8: 1936-1959
IKEYA, M. (2004): Earthquakes and Animals: From Folk Legends to Science; World Scientific, London: 295
KIRSCHVINK, J.L. (2000). Earthquake Prediction by Animals: Evolution and Sensory Perception, Bull. Seism. Soc. Am. 90(2): 312-323
SCHNYTZER, Y. (2011): Animal Modeling of Earthquakes and Prediction Market. Working paper
TONG, K. (1988): Abnormal Animal Behavior and the Prediction of Earthquakes. Master Thesis Dep. Earth Sciences Northeastern Illinois University.
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GRANT, R.A.; HALLIDAY, T; BALDERER, W.P.; LEUENBERGER, F.; NEWCOMER, M.; CYR, G. & FREUND, F.T. (2011): Ground Water Chemistry Changes before Major Earthquakes and Possible Effects on Animals. Environmental Research and Public Health 8: 1936-1959
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WALKER, B. (1982): Earthquake. Planet Earth. Time Life Books: 154
Das Instinktpotential der Tiere ist gewaltig und in der Regel unbestritten.
AntwortenLöschenUnglaubliche Leistungen sind so möglich, wie der Zug der Vögel (ohne Kompass) in den Süden zu kalten Jahreszeiten.
Kopflastige Psychologie hat mitgeholfen, menschliche Instinktleistungen zu leugnen und verkümmern zu lassen.