Ein Artikel des "Daily Mail", der gestern veröffentlicht wurde, stellt die Frage "Ob ein Supervulkan nur 600* Kilometer entfernt von London bereit ist auszubrechen?" Wie Andrew Alden auf seinem Blog "Geology.About" bemerkt: wenn eine Schlagzeile schon in Form einer rhetorischen Frage daherkommt kann es nur eine Antwort geben: NEIN!
Der vermeintliche Supervulkan ist in diesem Fall der Laacher See, ein Kratersee der sich ungefähr 40 km südlich von Bonn innerhalb des rheinischen Grabenbruchsystems findet. Der See bildete sich als die ehemalige Magmakammer des Laacher See Vulkans zusammenbrach und die Caldera sich mit Wasser füllte.
Aufgrund von durch Aschablagerungen verschütteten Pflanzen und radiometrischen Altersdaten (C14; 40Ar/39Ar) wird das Alter des Ausbruches mit 12900+-560 B.P. angegeben (Dendrochronologie ergab ein Alter von 12.916 B.P., publizierte Daten nach BAALES et. al. 2002). Die Pflanzenfossilien lassen auch vermuten, dass der Ausbruch im Spätfrühling - Frühsommer einsetzte.
Rezentvergleiche und die geringe Erosion der Ascheschichten (es wurden Abdrücke von Regentropfen und Tierspuren, die in der feuchten Asche erhalten blieben, gefunden) lassen auf eine Ausbruchsdauer von einigen Stunden bis 3 Wochen bzw. wenigen Monaten schließen. Der gesamte Vulkanismus der Eifel ist sicherlich um einige Millionen Jahre älter. Allerdings gibt es keine Hinweiße darauf dass das Gebiet, wie im Daily Mail Artikel behauptet, periodisch aktiv ist und daher, nach 10.000 Jahren, "wieder einmal" bereit ist auszubrechen. Der Vulkanologe Erik Klemetti stellt auf seinem Blog "Eruptions" auch klar, das die angebliche wachsende vulkanische Tätigkeit - vor allem das Ausströmen von Gasen wie Kohlendioxid im See (siehe Video mit Mofetten am Ufer des Laacher Sees) - seit Jahrhunderten besteht und tatsächlich nichts Ungewöhnliches für die Gegend ist.
Die Eifel mit ihren vielen Kratern und Maaren hat schon immer die Fantasie von Geologen beschäftigt - handelt es sich doch um eines der größten "Vulkangebiete" Mitteleuropas und die alten vulkanischen Ablagerungen beweisen das große Eruptionen tatsächlich stattfanden.
Kein Wunder das auch der Geologe Ulrich C. Schreiber in seinem Thriller "Die Flucht der Ameisen - Eine Geokalyptische Vision" (2006) das Szenario eines gewaltigen Ausbruch hier ansiedelt. Ein Vulkan der in Island ausbricht ist zwar auch faszinierend, aber eine Bedrohung mitten in Siedlungs- und Industrieraum Europas steigert nun mal die Spannung.
- Der fiktive drohende Vulkanausbruch kündigt sich durch Erdbeben, Gasaustritte und verrückt gewordene Ameisen, sowie thermischen Anomalien an, Phänomene die teilweise tatsächlich zur Prognose von steigender Vulkantätigkeit genutzt werden.
- Der fiktive Ausbruch ist begleiten von Pyroklastischen Strömen und schleudert zuerst große Mengen Asche in die Atmosphäre.
Auch bei dem prähistorischen realen Ausbruch kam es zunächst zu einer heftigen explosiven Ausbruchstätigkeit. Durch den Kontakt des aufsteigenden Magmas mit Grundwasser bzw. Oberflächenwasser kommt es zu heftigen Dampfexplosionen (sogenannte phreatomagmatische Eruptionen), die den Krater freisprengten und Feinmaterial hoch in die Atmosphäre schleuderten.
Das gesamte ausgeschleuderte Material wird aufgrund der Verbreitung und der gemessenen Schichtmächtigkeit auf über 20 Kubikkilometer geschätzt, daher der Vergleich im Daily Mail Artikel mit dem rezenten Vulkanausbruches des Pinatubos im Jahre 1991 auf den Philippinen. Fast 98% des Aschematerials gingen in unmittelbarer Umgebung der Caldera nieder, der Feinanteil wurde jedoch bis in die Stratosphäre geschleudert und dort in die vorherrschende Windrichtung über beinahe ganz Mitteleuropa verfrachtet (SCHMINCKE et. al. 1999). Die Laacher See Tephra-Schicht ist daher auch ein wichtiger Markerhorizont in europäischen Quartär-Sedimenten.
Abb.1. Die Laacher See Tephra als graue Schicht in weißen Seekreiden, wie sie in einem Bohrkern aus dem französischen See Lautrey gefunden werden kann.
- Es kommt danach auch zur Bildung von Spalten aus denen große Mengen von dünnflüssiger Lava ausströmen, die im Roman den Rhein blockieren und ein Seebecken bilden - ein See der droht auszubrechen und Millionen Menschen gefährdet. Tatsächlich bildete sich während des explosiven Laacher See Ausbruches ein Damm, allerdings aus Ignimbriten und Pyroklastischen Strömen, der die Mosel und der Rhein zum Neuwied-Rhein-See aufstaute. Seesedimente werden hier von chaotischen Sedimenten abgelöst die auch einen Seeausbruch vermuten lassen, allerdings ist nicht klar wie katastrophal dieser Ausbruch tatsächlich war.
Schreiber nutzt zwar als Geologe wissenschaftliche Erkenntnisse, aber als Buchautor nimmt er sich natürlich auch Freiheiten. Der Verlauf des Ausbruches ist zwar insgesamt plausibel, aber zeitlich ziemlich übertrieben. Der Vulkan "erwacht" plötzlich innerhalb weniger Monate um innerhalb von Tagen gewaltige Explosionen zu verursachen. Noch Monate danach kommt es zu gewaltigen Lavaflüsse die ganze Täler überfluten.
Aber selbst Schreiber stellt klar - im Gegensatz zu sensationsgeilen Reportern - das es zurzeit keine Hinweiße oder außergewöhnliche vulkanische Aktivität in der Eifel gibt. Ein geologisches Risiko für eine kurzfristige Eruption besteht zwar, aber wer Geologen kennt sollte eigentlich wissen, dass sie in Millionen von Jahren denken.
* eigentlich sind es um die 500 Kilometer
Literatur:
SCHMINCKE, H.S.; PARK, C. & HARMS E. (1999): Evolution and environmental impacts of the eruption of Laacher See Volcano (Germany) 12,900 a BP. Quaternary International 61: 61-72
BAALES, M.; JÖRIS, O.; STREET, M.; BITTMANN, F.; WEININGER, B. & WIETHOLD, J. (2002): Impact of the Late Glacial Eruption of the Laacher See Volcano, Central Rhineland, Germany. Quaternary Research 58: 273-288
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