9. März 2015

Kunst & Geologie: Die Kunst im Stein

In jedem Block aus Marmor sehe ich eine Statue als würde sie vor mir stehen, geformt und perfekt in Gestalt und Pose. Ich habe nur das Überflüssige zu entfernen das die Erscheinung verdeckt, um es anderen Augen als den meinen zu enthüllen.“

Bereits der große italienische Künstler und Bildhauer Michelangelo Buonarroti (1475-1564) wusste das ein Kunstwerk  sich nach dem Stein richten muss, nicht umgekehrt. Auch der geschickteste Steinmetz kann einem Stein nicht jede beliebige Form aufdrängen, da möglichen Schwachstellen ausgewichen oder der bevorzugten Spaltbarkeit des Gesteins gefolgt werden muss. Bevor überhaupt mit der Arbeit begonnen wird, muss der Steinmetz daher durch vorsichtiges Abklopfen des Blocks die Qualität, vor allem das Vorhandensein von mit bloßen Auge nicht sichtbaren Rissen oder Klüften, beurteilen.

Neben der Qualität, spielen bei der Auswahl des zu bearbeitenden Gesteins auch Faktoren wie Wirtschaftlichkeit, Schönheit, Exotik, Seltenheit und nicht zuletzt der Geschmack des Kunden eine Rolle.

Granit, als langsam auskristallisiertes Tiefengestein mit einer homogenen Textur, eignet sich für rechteckige Quader und wird aufgrund seiner Härte und Ästhetik gerne in der Architektur verwendet. Basalt, eine erkaltetet Lava, zeigt oft säulenförmige Absonderungen durch Schrumpfungsrisse, er eignet sich daher eher für unregelmäßige Blöcke. 
Abb.1. Basaltsäulen als "Mauerziegel", Frankreich.

Sand- und Kalkstein, aufgrund natürlich auftretender Schwachstellen von Ablagerungsgesteinen, liefert eher platten-förmige Blöcke und sind einfach zu bearbeiten. Schiefergestein zerbricht zu dünne Platten, Ton- und Schieferplatten werden daher bevorzugt für Verkleidung von Fassaden oder Abdeckung von Dächern verwendet. Bei der Metamorphose werden interne Schwachstellen meistens durch Neukristallisation ausgeheilt. Durch ihre nun homogene Struktur sind solche Marmore sensu geologicus gefragte Gesteine bei Bildhauern, unglücklicherweise werden generell (und geologisch inkorrekt) alle intern homogenen Sedimentgesteine – ob metamorph oder nicht - als Marmore bezeichnet.

Der Transport von Blöcken für Bildhauerei und Architektur war in der Vergangenheit eine teure Angelegenheit – exotische Gesteine waren daher auch ein Statussymbol, wobei manchmal auch etwas gemogelt wurde. Der bayerische König Ludwig I nutze Laaser-Marmor aus dem Etschtal  als Ersatz für den noch begehrteren und vor allem kostspieligeren Carrara-Marmor. Bei beiden handelt es sich um echte metamorphe Marmore, allerdings ist der Laaser Marmor stärker verunreinigt durch klastische Sedimente und daher mit Schlieren durchzogen, während der reinere Carrara-Marmor sich durchgehend blendend weiß präsentiert.
Abb.2. Der bekannte und begehrte Carrara-Marmor in einer LIEBIG-Sammelkarte von 1900.

Mit der Industrialisierung wurde der Transport einfacher und auch um einiges wirtschaftlicher. Seit 1850-1880 und vor allem mit der weltweiten Globalisierung im 20. Jahrhundert beobachtet man zum Beispiel das selbst bei einfachen Grabsteinen das lokale durch exotisches Gestein (meist von höherer Qualität und Ästhetik) ersetzt wird. 

  

Die Porosität des Gesteins spielt eine entscheidende Rolle in der Verwitterung eines Kunstwerks. Dichte Gesteine sind generell verwitterungsanfälliger, da gefrierendes Wasser (das einen Druck von bis zu 2.000kg/cm^2 ausüben kann) direkt an den Korngrenzen ansetzten und diese lockern kann. Bei größeren Poren kann das Wasser zwar eher eindringen und die Kontaktfläche zwischen Gestein und Wasser/Gas ist ebenfalls größer, allerdings kann das Wasser auch schneller abfließen und die innere Feuchtigkeit des Gesteins kann nach außen dringen bzw. sich bildende Kristalle können ungestört in den Poren wachsen. 
So ist Sandstein, als sehr beliebter Dekorstein, eher verwitterungsanfällig aufgrund des Fehlens von Poren und das Vorhandensein von karbonatischen Zement zwischen den einzelnen Sandkörnern. Dieser Zement kann durch Wasser und Säuren aus der Luft angegriffen und aufgelöst werden, es kommt zur Vergrusung und Zerfall des Sandsteins. Gefrierendes Wasser oder auskristallisierende Salze sprengen dagegen einzelne „Scherben“ aus dem Block heraus. 
Auch bei Kalkstein kommt es zu ähnlichen Verwitterungs-Phänomenen. Einerseits führt direkte chemische Verwitterung zur Lösung des Karbonats und zu chemischen Reaktionen die zur Bildung von neuen Mineralien, darunter Gips, führen. Die Neubildung dieser quellfähigen Minerale bzw. Minerale mit einem größeren Volumen führt anschließend zu einer starken mechanische Verwitterung und Abgrusung der Gesteinsoberfläche. 
Auch bestimmte und weitverbreitet Bakterien, die in den Gesteinsporen leben, können indirekt zur Verwitterung beitragen. Indem sie Stickstoff aus der Luft binden, bildet sich nämlich Salpetersäure, die wiederum direkt das Gestein angreift.

Man sieht also, um ein richtiges Meisterwerk zu schaffen, braucht es zunächst mal das richtige Gestein...

Literatur:

BIDNER, T. (2000): Mineralogisch-materialkundliche Aspekte der Erhaltung von Baudenkmälern. Ver. des Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Nr.80: 5-12
SIEGESMUND, S. & SNETHLAGE, R. (2011): Stone in Architecture - Properties, Durability. Springer-Publisher:  564

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