22. Februar 2015

Die Geologische Eroberung der Alpen: I. - Weil er da ist...

Ich dachte über den rastlosen Eifer nach, welcher Männer auch die schrecklichsten Widerstände aushalten lässt. Keine Gefahr kann sie abhalten ... denn ein Gipfel kann die gleiche unausweichliche Anziehung wie ein Abgrund ausüben.“
Théophile Gautier, 1868

Am 6. Juni 1924, gegen Mittag, suchte der Geologe Noel Ewart Odell nach Fossilien, auf 8.100 m Seehöhe, in der Nähe des letzten Lagers auf dem höchsten Berg der Erde Mount Everest - am selben Tag versuchten die beiden Bergsteiger
Sandy Irvine und George Mallory den Gipfel zu erreichen. Mallory, der bei dem Versuch der Erstbesteigung zusammen mit Irvine umkam, soll auf die Frage des "Warum?" man unbedingt den Gipfel eines Berges bezwingen müsse, mit seiner berühmten "Weil er da ist..." geantwortet haben. Und weil er da ist... der Berg, faszinierte bereits Geologen.

Der Everest ist nicht der einzige Berg der aus fossilienführenden Gesteine besteht, auch viele berühmte Gipfel in den Alpen bestehen aus ehemaligen Meeresablagerungen. 

Abb.1. Geologisches Profil der Schweizer Alpen nach Albert Heim (1919). Die Gipfel bestehen aus Karbonatgestein und anderen Meeresablagerungen, wie auch die berühmte Eiger-Nordwand. Rot: Autochthones Kristallin des Aarmassiv, Blau: Decken des Helvetikum und Penninikum.
 
Bereits Leonardo da Vinci (1452-1519) beschreibt Fossilien aus den Bergen der Toskana und merkt an das sie dorthin nicht mittels der Sintflut transportiert worden sein konnten, da sie in Lebensstellung gefunden wurden. Auch fossile Haifischzähne wurden um 1600 als Reste von ehemaligen Meeresgetier erkannt, aber niemand konnte erklären wie die Versteinerungen aus dem Meer auf die Berge gehoben wurden.

In 1667 publizierte der Dänische Anatom und Naturwissenschaftler Niels Stensen (1638-1686) eine Geo-Theorie die diesen Widerspruch erklären konnte. Sedimente, mit ihren Fossilien, wurden im Meer abgelagert, durch Störungen der Erdkruste – verursacht durch Einbrüche von unterirdischen Hohlräumen – werden diese Schichten regelrecht herauskatapultiert. In den eingebrochenen Gräben sammelt sich Wasser und es kann sich neues Material ablagern - der Zyklus beginnt von vorne. Leider wurde Stensen Arbeit lange Zeit vernachlässigt und die Erklärung das Gesteine und Fossilien durch die biblische Sintflut entstanden und abgelagert wurde blieb populär bis ins frühe 19. Jahrhundert.

Der Geistliche Thomas Burnet (1635-1715) durchreiste während einer Studienreise auch die Alpen und blieb von den Bergen so tief beeindruckt, das er sie "wissenschaftlich" zu erklären versuchte. Zwischen 1680 und 1690 publizierte er “The Sacred theory of the earth...[]“, das eine allgemeine Abhandlung der Geschichte der Erde ist, aber auch einige "geologische" Erklärungen liefert.
 
Nach Burnet bildeten Berge sich als die Erdkruste durch die gewaltige Wucht der biblischen Fluten regelrecht zertrümmert wurde. Noch heute ragen die Reste, gleich Ruinen, in den Himmel. Kurioserweise beobachtet Burnet auch die frischen, wenig erodierten, Formen der Berggipfel und schließt daraus das die biblische Sintflut in historischen Zeiten stattgefunden hat.

Diese Idee wird auch vom großen Schweizer Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733), der als einer der Ersten seine umfangreichen naturwissenschaftlichen Beobachtungen der Alpen publiziert, aufgegriffen. Große Falten, die in den Schweizer Alpen beobachtet werden können, erklärte Scheuchzer durch die gewaltigen Kräfte der biblischen Wasserfluten, die ganze Gesteinspakete verformten. Die Sintflut konnte somit nicht nur Fossilien, sondern auch Struktur und Aussehen der Berge erklären! 

Abb.3. Darstellung der Umgebung  des Urnersee aus Scheuchzer´s "Helvetiae Stoicheiographia" (1716).

Der naive Glauben in dieser doch im Grunde nichtssagenden Erklärung (von wo kam das Wasser, wo ging es hin... konnte nur durch ein göttliches Wunder erklärt werden) mag heute überraschen, man muss sich aber der damaligen (Un-)Kenntnisse im Klaren sein. Sedimentgesteine waren weit verbreitet in den Ebenen und dort schien eine Ablagerung durch Wasserfluten plausibel. Aber beinahe nichts war bekannt über die Gesteine der Gipfelregionen. Einer der ersten Naturkundler der geologische Beobachtungen in situ sammelte, war der Schweizer Alpinist Horace Benedict de Saussure (1740-1799). Als er  1787 den Gipfel des Mont Blanc erklomm, beobachtete er das dieser seltsamerweise aus granitischem Felsen bestand... Berge schienen komplizierter zu sein als angenommen 


Abb.4. Im 16-18. Jahrhundert werden die Alpen langsam von technischen und wissenschaftlichen Neuerungen erobert, in diesem Bild des Holländischen Künstlers C.D.Van der Hech sieht man einen Bergbau als Zeichen der Zivilisation, der fast schon im Widerspruch mit der unberührten Berglandschaft erscheint.
 

Literatur:

MacFARLANE, R. (2003): Mountains of the Mind - Adventures in Reaching the Summit. Random House Publishing, New York: 324

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