"Noch starrt das Land von fremden Zentnermassen;
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zuschanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren."
Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?
Der Philosoph, er weiß es nicht zu fassen,
Da liegt der Fels, man muß ihn liegen lassen,
Zuschanden haben wir uns schon gedacht. –
Das treu-gemeine Volk allein begreift
Und läßt sich im Begriff nicht stören;
Ihm ist die Weisheit längst gereift:
Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren."
Mephistopheles in Goethes "Faust - Der Tragödie zweiter Teil" (1832)
In
weiten Teilen Europas und Nordamerikas können einzelne, große Blöcke gefunden
werden, deren Gesteinsart sich stark von der Umgebung unterscheidet wie z.B. Granitblöcke
die auf Sedimentgestein aufliegen.
Mythen und Legenden ranken sich um diese seltsamen
verirrten Blöcke. Einst – so eine der unzähligen
Geschichten - versprach ein habgieriger Bauer dem Teufel seine Seele, falls der
es schaffe in nur eine Nacht eine Mauer um seine Ländereien zu errichten. Der Leibhaftige
machte sich flugs an die Arbeit, und schon bald wurde dem Bauer Angst und Bange
und er bereute seine törichte Wette. Er rannte zum hiesigen Pfarrer, der zum Glück
guten Rat wusste. Gerade als der Teufel den letzten Felsblock heranflog und am
Horizont bereits die Morgenröte heranbrach, läutete er die Kirchenglocke und
dem Teufel entglitt vor lauter Schrecken der Felsblock, der vom Himmel stürzte -
und da liegt er noch heute.
In
Skandinavien wurden die Findlinge als “Wurfsteine der Riesen“ bezeichnet. Um
Grenzstreitigkeiten aus dem Weg zu räumen bewarfen sich die Trolle (die laut
norwegischen Legenden schon mal haushoch wurden) schon mal mit Felsbrocken oder
bauten (Moränen-)Wälle um sich zu schützen.
Tatsächlich
rätselten auch angesehene Naturforscher lange Zeit was es mit den erratischen
Blöcken denn nun auf sich hatte. Die frühesten Beschreibungen von Findlingen
stammen vom Historiker Karl Nicolaus Lange (1670-1741) und dem Mediziner Lars
Roberg (1664-1742), die sich allerdings darauf beschränkten die Blöcke als
seltsame Sehenswürdigkeiten in ihren Reiseerzählungen zu erwähnen.
Die
Schweizer Mediziner und Naturforscher Louis Bourget (1678-1740) und Moritz Anton Cappeler (1685-1769, der auch ein viel beachtetes mineralogisches Werk
publizierte) ließen die Steine einfach vom Himmel fallen*. Der Geologe JeanAndré Deluc (1727-1817, der auch den Begriff Geologie in den allgemeinen
Gebrauch als Wissenschaft der Erde einführte) und der Ingenieur Johann Esaias Silberschlag (1721-1791) vermuteten das heftige unterirdische Gaseruptionen die
Blöcke durch die Luft schleudern konnten. Der Französische Naturforscher
Dolomieu (1750-1801) erklärte die Verteilung der Blöcke als Reste einer
erodierten Gesteinsfläche.
Der
Schweizer Naturforscher Gottlob Sigmund Gruner (1717-1778) publizierte zwischen
1760 und 1762 sein Werk „Die Eisgebirge des Schweizerlandes“ wo er richtigerweise
den Herkunftsort der rätselhaften Felsblöcke, die überall in den Alpenvorland
gefunden wurden, in den Alpen selbst vermutete (er bezeichnet die Blöcke als Geißberger, da sie aus den Geißbergen stammen).
Der Schweizer Naturforscher Horace Benedict de Saussure (1740-1799) formulierte
daraufhin eine der überzeugendsten Erklärungen – eine gewaltige Flut,
vielleicht auch die biblischen Flut –hatte die Blöcke aus den Bergen
mitgerissen und sie auf den flachen Ebenen abgelagert. Diese Hypothese passte
zu den Beobachtungen von zeitgenössischen Überflutungen die durch Ausbrüche von
Gletscherseen große Schäden in den Alpentälern verursachten. Im Winter 1817/18
brach ein 2 Kilometer langer und 60 Meter tiefer Stausee aus, der durch einen
Eisfächer des Giétroz-Gletscher aufgestaut worden war. Im Sommer 1818 brach der
Fluss Dranse abermals durch den natürlichen Damm und noch im 44 Kilometer
entfernten Rhonetal fand man große Granitblöcke die die Flut mitgerissen hatte.
Abb.2. Der Naturforscher Escher von der Linth (1767-1823) zeichnet im Jahre 1818 den natürlichen Eis-Staudamm der die Dranse aufstaute als Beispiel dafür wie plötzliche und heftige Sturzluten im Gebirge entstehen können.
Der große Geologe Leopold von Buch (1774-1853) war einer der wichtigsten
Anhänger dieser „Fluthypothese“ und blieb es auch bis zu seinem Lebensende.
Die weite Verbreitung der Findlinge
erklärte er durch den Ausbruch großer Seebecken in den Alpen, die Flut
beförderte Blöcke ins Alpenvorland. Die Verbreitung bestimmter Gesteinsarten
erklärte er durch Strömungsänderungen in der schlammigen Flut (heute werden die
verschiedenen Herkunftsorte der Findlinge benutzt um Einzugsgebiete und
Ausdehnung der ehemaligen Gletscher zu rekonstruieren).
Um 1830 kam eine
abgeänderte Version der Fluthypothese auf – da klar wurde das besonders große Findlinge
auch von einer noch so gewaltigen Flut nicht bewegt werden konnten und sich
auch die Hinweise auf ehemalige Klimaveränderungen häuften, nahm man an das die
Blöcke in Eisbergen eingefroren waren. Stieg das Wasser, schwammen die Eisberge
obenauf, sobald sie schmolzen lagerten sich die Blöcke ab.
Abb.3. aus Bristow, H.G. (1872):
The world before the deluge zeigt eine der gängigen
Hypothesen um die erratischen Blöcke zu erklären. Nachdem klar wurde dass auch
Flutwellen schwerlich in der Lage sind besonders große Findlinge zu
transportieren, wurde als Alternative die Eisdrifthypothese formuliert - Eis um
die Blöcke würde es dem Wasser wesentlich erleichtern die schweren Steine zu
transportieren.
*(die Lenape- oder Delaware-Indianer vom Gebiet der großen
Seen in Nordamerika kennen Findlinge als "pamachapuka" - die Steine
vom Himmel)
Literatur:
SEIBOLD, E. & SEIBOLD, I. (2003): Erratische
Blöcke-erratische Folgerungen: ein unbekannter Brief von Leopold von Buch von
1818. Int. J. Earth Sci. (Geol. Rundschau) 97: 426-439
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