8. Juni 2011

Das harte Leben des Geologen und Geologin

Abb.1. Carl Spitzweg "Der Geologe" (um 1860).

Noch vor 150 Jahren war die praktische Arbeit im Feld selbst für einen Geologen im Europa ein beschwerliches, manchmal sogar gefährliches Abenteuer. Die meisten Gebiete lagen noch abseits der ersten aufkommenden Zugverbindungen, abgelegene Dörfer oder Einsiedeleien, die als Stützpunkt dienten, konnten nur mit der Postkutsche, oder am besten zu Fuß erreicht werden. Diese Art zu Reisen war daher sehr teuer. Der kartierende Geologe - als Staatsbeamte darauf bedacht die Kosten zu senken - blieb daher nach Einrichtung eines oder mehrere Stützpunkte im geplanten Kartierungsgebiet mehrere Monate (am besten im Sommer) im Gelände.
Geologen waren bei längeren Ausflügen tagelang unterwegs, geschlafen wurde wo sich Gelegenheit bot, z.B. in Hütten, Almen oder in Ställen.

Es war eine sehr körperliche Arbeit, der österreichische Geologe Marcus Vinzenz Lipold kartiert in 1853 in nur einem Tag die Umgebung des Großglockner (3.797m) - er startete vom Dorf Ferleiten (1.151m), erreichte die Erzherzog-Johann-Hütte auf 3.454m und stieg anschließen hinab zum Dorf Heiligenblut (1.188m) - ein Höhenunterschied von 2.700m und einer heutigen Flugstrecke von 28 Kilometern.

Jeder Geologe der Österreichischen Geologischen Reichsanstalt führte stets die nötige Ausrüstung mit sich: Barometer für die Höhenbestimmung, Kompass mit Fernrohr, Gradbogen und Zulegplatte mit Stativ zur Kartierung, ein Psychrometer (zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit), Thermometer, eine Camera Obscura (zum zeichnerischen Erfassen der Landschaft), ein Fernrohr, verschieden große Hämmer und ein Stock mit Erdbohrer.
In einer Zeit - in der die Geologie noch nicht so streng definiert und spezialisiert wie heute war - wurde von einem Geologen erwartet so viele und umfassende Naturbeobachtungen wie möglich zu samme
ln. Der Geologe Johann Czjzek, einer der ersten Geologen der Reichsanstalt, beschreibt im Jahr 1850 die Anforderungen an einen Feldgeologen:

"Einem jeden Geologen als Leiter der Arbeiten seiner Sectionen ertheilte Herr Sectionsrath Wih. Haidinger eine Instruction, in welcher nebst der geologischen Aufgabe die möglichst reichhaltige Aufsammlung von Mineralien, Gebirgssteinen und Fossilien, von Messungen, dann der Wissenschaft und Landeskunde überhaupt angehörigen, namentlich physikalischer, geographischer, naturhistorischer, selbst archäologischer und ethnographischer Daten, welche die fossile Welt gewissermaßen mit dem Anfange unser eigenen Geschichte verbinden, anempfohlen werden."

Bei der Bekleidung im Feld wurde eine Kombination von viktorianischer Eleganz mit Zweckbekleidung bevorzugt: Hosen sollten bequem und breit, aus einem leichten Stoff geschneiderte sein, Unterhosen wurden als überflü
ssiger Luxus abgelehnt. Wichtig war ein Rock mit vielen Taschen um Gesteinsproben zu sammeln. Das Hemd war nicht komplett ohne Krawatte, und für Besuche in einer Gaststätte wurde der breitkrempige Hut gegen Zylinder umgetauscht. Stiefel aus amerikanischem Büffelleder waren begehrt, zur Not taten es auch Schuhe mit genagelten Sohlen.

Abb.2. Die österreichischen Geologen Carl Maria Paul, Franz von Hauer und Guido Stache in voller Feldmontur, Photo aufgenommen ungefähr um 1860.

Es verwundert nicht dass die so angezogenen, abenteuerlich wirkenden Herren mit Missgunst und Vorsicht von der Bevölkerung empfangen wurden. Der Geologe musste verhindern aufgrund zu schmutziger oder ärmlicher Bekleidung als Landstreicher verhaftet zu werden, anderseits musste er nicht zu gepflogen auftreten, um Räuberbanden oder Gesindel anzulocken die es auf die vermeintlich reiche Beute abgesehen hatten.
Der österreichische Geologe Guido Stache erinnert sich in einem Brief von 187
0 an seine Feldarbeit an der galizisch-ungarischen Grenze:

"Wir verriegelten unsere Thüre, machten uns mit Revolver, Messern und Hämmern kampfbereit und löschten das Licht aus. Die Erwartung eines Abenteuers und Flöhe ließen uns lange nicht am Schlafen."


Noch schwieriger als für Männer war für Frauen die Ausübung der Geologie. Die Ausübung von gemeiner physischer Arbeit war ungewöhnlich für einen Mann aus den oberen sozialen Schic
hten (die sich ein Studium leisten konnten) und für Frauen beinahe unakzeptabel. Selbst im Gelände hatte eine Frau den modischen Erscheinungen der Zeit zu folgen und Korsett und Rock zu tragen.

Abb.3. Zeichnung vom Britischen Geologen Henry Thomas De la Beche (1796-1855) von seiner Landsgenossin und Fossilienhändlerin Mary Anning, mit der Fossiliensuche beschäftigt. Mary Anning schützt sich mit einem schweren Rock gegen die kalte Brise und Meeresgischt der englischen See. Der Zylinder, mit Schellack getränkt und daher steif, diente als einfacher, aber wichtiger Kopfschutz gegen herabfallende Steine.

Frauen konnten sich frei nur in Privatbesitz oder in Begleitung ihres geologisch interessierten Ehemannes bewegen. Eine Frau ohne Begleitung wurde auch leichter angepöbelt, die Paläontologien Etheldred Benett (1775-1845) beklagt in einem Brief von 1835 zu Dinosaurierforscher Gideon Mantell:


"Eine Dame in einem Steinbruch ist für die Männer ein Zeichen um für Geld für Bier zu betteln."

Mit der Verbreitung von Freizeitaktivitäten und -bekleidung um die Jahrhundertwende und den Ausbau des Straßennetzes verbesserte sich die Lage für Geologen beiderlei Geschlechts schließlich merklich.


Referenzen:


AVANZINI, M. & WACHTLER, M. (1999): Dolomiten - Reisen in die Urzeit. Athesia Bozen GmbH

GSTÖTTNER, M. (1999): Ausrüstung und Leben der Frühen Geologen im Gelände. In: Geologische Bundesanstalt (Hrsg.), Die Geologische Bundesanstalt in Wien - 150 Jahre Geologie im Dienste Österreichs (1849-1999). Böhlau Verlag. Wien.

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