8. Oktober 2016

Die Kleine Eiszeit in den Alpen

Im Jahre 1820 gab sich der Salzburger Kreishauptmann Graf Welsperg-Raitenau über "die Verwilderung der Alpen" besorgt. Landgerichts Verweser Joseph Ferdinand Hermann antwortete mit einem Bericht "über ein Gebiet von der Länge von 8 Fußstunden vom Hüttwinkeltauern bis zum Heiligenbluter [wo Gletscher] Tauern Weiden vernichtet haben, die vordem mit Rindvieh angekehrt waren". Der Verwalter fügt auch eine Bemerkung zu seiner "Uiberzeugung dass das Klima in Rauris seit Jahrhunderten erkaltet und daher auch die Alpen verwilderten" an. Zahlreiche Pfarrbücher und Chroniken berichten vom Unmut der damaligen Bevölkerung über das Klima. So mußte im Jahre 1644 im Montblanc-Gebiet eine Prozession zum Gletscher beim Dorf Les Bois organisiert werden, da dieser angeblich um 120m vordrang und das Dorf bedrohte. Der Bischof von Genf segnete den Les-Bois-Gletscher höchstpersönlich. Auch der Aletschgletscher im Berner Oberland begrub wertvolles Ackerland unter sich. Jesuitenpatres besprengten den Gletscher im Namen des heiligen Ignatius und auch zum Vernagtferner in den Ötztaler Alpen wurden Bittprozessionen organisiert.
In einer landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft waren diese Gletschervorstöße und Wetterkapriolen nicht nur ein religiöses Problem, sondern auch mit erheblichen Einbußen verbunden.
Wenn der  Schnee länger liegen blieb, wurden, aufgrund der verkürzten Weidedauer, Sennalmen in Galtalmen umgewandelt. Wenn diese „Kuhgräser“ vom Gletscher überfahren wurden und selbst selbst Schafe kein Auskommen mehr fanden, mussten hoch gelegene Höfe teilweise aufgegeben wurden. In 1817 mussten die Gampenhöfe im Südtiroler Innersulden (auf 1.878m Seehöhe) geräumt werden, da der vorstoßende Suldenferner bedenklich nahe der Hofstelle kam und der Gletscherbach die Hofstelle vermurte. 

 
Abb.1. Der 1850er Moränenwall des Rotmoosfernes im unteren Bildabschnitt markiert die maximale Ausdehnung der Alpengletscher in den letzten 10.000 Jahren.

Die sogenannte kleine Eiszeit, die vom 16 Jahrhundert bis ungefähr um die Mitte des 19. Jahrhunderts dauerte, war eine Phase starker Gletschervorstöße in den Alpen, sowie gekennzeichnet durch einen starken Kontrast zwischen den Jahreszeiten, besonders den sehr kalten Wintern.
Die Ursachen für diese Kaltphase ist noch nicht ganz geklärt. Das überaus kalte Jahrzehnt um 1810 fällt mit einem Minimum der solaren Einstrahlung zusammen und mit einigen starken Vulkanausbrüchen (darunter der Tambora im Jahre 1815). Der Sommer 1816 war in den Alpen der kälteste der letzten 1.250 Jahren. Aus Eisbohrkernen lässt sich ableiten das auch um 1275-1300 und 1450 zahlreiche Vulkane ausgebrochen sind. Möglicherweise hatten vulkanische Gase und Asche in der Atmosphäre eine abschattende Wirkung, die verminderte Sonneneinstrahlung führte zu einer generellen Abkühlung.

Die kleine Eiszeit wurde vom Industriezeitalter abgelöst. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat die mittlere Jahrestemperatur in den Zentralalpen zwischen 1850  bis 2013 um 2°C steigen lassen. Vom letzten Hochstand im 19.Jahrhundert bis 1975 haben die 5.000 Alpengletscher ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse verloren, in den anschließenden 30 Jahren sind sie noch einmal um ein Drittel geschrumpft.

Literatur:

ZASADNI, J. (2007): The Little Ice Age in the Alps: Its record in glacial deposits and rock glacier formation. Studia Geomorphologica Carpatho-Balcanica, Vo.XLI: 117-137

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