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10. Februar 2019

Eine Sage aus dem Bergbaugebiet Pflersch-Schneeberg

Die bergmännisch interessanten Aufschlüsse finden sich am Talschluss und südliche Talflanke des Pflerschtales, eines Seitentales nahe am Brenner in den Ötztaler Alpen gelegen. Die Nordflanke des Tales besteht zum Großteil aus karbonatischen Gesteinen des Brennermesozoikums. Typisch sind Steilhänge und die gezackten Felsgipfel. Markanteste Erhebung ist hier der Pflerscher Tribulaun mit über 3.000 Meter. Die Südflanke hingegen besteht aus verwitterten Gesteinen des Öztalkristallins. Die lokale Vererzung ist hier an silberreichen Galenit gebunden.

Der Beginn des Bergbaus im Pflerschtal verliert sich im Dunkeln der Geschichte. Historiker gehen von prähistorischen Zeiten bis ins frühe Mittelalter aus. Der Bergbau im Pflersch ist erstmals zu Beginn des 13. Jahrhunderts historisch nachweisbar. Um 1500 erreichte der Silberbergbau hier seinen Höhepunkt. Bedingt durch den über mehrere Jahrhunderte durchgeführte Raubbau kam es am Ende des 16. Jahrhunderts zu einem allmählichen Niedergang der Bergbautätigkeit. Infolge von ausbleibenden Zahlungen kam es zu Beginn des 17. Jahrhundert mehrmals zu Unruhen unter der Belegschaft. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden noch einige Probeschürfe durchgeführt, die aber nie kommerziell erfolgreich waren.

Bis vor wenigen Jahren konnten noch 42 Stollenmundlöcher lokalisiert werden, wobei die meisten heute verschüttet sind. Zahlreiche Schürfe, Abraumhalden, einige Gebäude und Flurnamen die auf das geförderte Silber anspielen erinnern noch an die ehemalige Bergbautätigkeit.

Ehemaliges Bergerichtshaus in Gossensaß mit eingemauerte Erzstufe oberhalb des Torbogens mit dem Bildnis zweier Knappen.

Eine Sage berichtet vom Niedergang des Bergbaus, wobei historische Tatsachen mit den vermuteten, aber allgegenwärtigen, Kräften in den Bergen vermischt werden.


Das Tal von Pflersch war einmal von einem reichen König regiert. Er herrschte über eine Heerschar von Bergknappen, die aus allen Teilen Tirols gekommen waren um hier nach Gold und Silber zu schürfen. Doch trotz all seines Reichtums, war der König hartherzig und grausam und strafte die Knappen, wenn sie nicht in der gewünschten Zeit die Stollen in die Felswände trieben und die geforderte Menge Silbererz zutage förderten. Von den "Hängenden Wand" unter der Maratschspitze über die Hochflächen von Ladurns bis hinunter in die Schlucht, die man "Höll" nennt, wo es der Teufel an kalten Wintertagen noch heute heraufrauchen lässt,, wurde gegraben. Der König ließ sich als Zeichen seines Wohlstandes ein Kegelspiel mit neun Kegeln und eine Kugel aus purem Gold gießen. Eines Tages jedoch verweigerte einer der Knappen den Dienst. Dies wurde sogleich dem König berichtet. Er selbst machte sich auf, um den aufmüpfigen Knappen zu strafen. Der Bursche witterte aber rechtzeitig die Gefahr und floh so schnell wie eine Gämse über hängende Wände und spitze Felszacken nach oben, Richtung Tribulaun. Der böse König war knapp hinter ihm her, schon hielt er sein Schwert hoch, um zuzuschlagen, als der große Berggeist des Tribulaun, Herr und Gebieter der Schachtgeister, ihm entgegentrat. Doch der König hielt nicht inne und schon setzte er zum Schlag gegen beide an. Da schlug der Berggeist seine mächtige Faust auf den Gipfel des Tribulauns, dass sich die Felsen spalteten. In eine dieser Felsenspalten flüchtete der Knappe und war gerettet. Seit jener Zeit ist der Gipfel des Tribulaun gespalten. Der Berggeist aber bannte den König des Tales und verwandelte ihn in kalten Fels, das rot-schimmernde Goldkappl, das noch heute vor den Tribulaun thront.
Man sagt, die Berggeister nutzen noch heute das Kegelspiel des versteinerten Königs. Wenn ein Gewitter aufzieht sagen die alten Bauern: " Hört ihr, Kinder, auf dem Tribulaun kegeln sie schon wieder!" Und jeder, der sich auf der Suche nach den Golden Kegelspiel macht, wird von den wilden Lorgg, der neben den Schatz kauert, in eine der Felsspalten geschleudert, sodass man keinen mehr finden konnte.

Der gerettete Knappe kehrte ins Tal zurück und berichtete dort, wie sich alles zugetragen hatte. Die Bergknappen arbeiteten nun für sich selbst und einer der Schachtgeister zeigte ihnen die ergiebigsten Erzgänge an. Zunächst war alles gut, aber mit der Zeit stieg der neue Reichtum den Knappen zu Kopf. Von Samt und teurem Tuch mussten ihre Kleider sein, die Schuhe hatten silberne Nägel, die Frauen stolzierten mit geputzter Haartracht umher und wenn sich die Kinder verunreinigten, nahm man frische Semmelkrumen zum Abputzen. Der segenspendende Schachtgeist missfiel das sehr. Lange Zeit sah er dem leichtsinnigen Treiben zu und zeigte sich mehrmals mit finsterer Miene in den Stollen, Aber niemand schien sich den langen Knechtschaftsjahren unter der Herrschaft des grausamen Königs zu erinnern. 

Als die Knappen schließlich einem Stier aus Jux bei lebendigem Leibe die Haut abzogen, riss dem Bergmanndl die Geduld. Es raste von der Talsohle fauchend nach oben wobei es in den Stollen ächzte und knallte. Am nächsten Tag durchlief eine Schreckensbotschaft das Tal: die Stollen waren durch einen Erdrutsch verschüttet worden. Wie mit einem Schlag verschwand der Bergsegen vom Pflerschtal. Nur noch verfallene Stollen und rätselhafte in Stein gemeißelte Zeichen erinnern an den ehemaligen Bergbau.

Literatur:

PERTL, E. & LANER, B. (1977): Sagenhafte Bergwelt. Verlagsanstalt Athesia, Bozen: 127
UNGERANK, D. & TROPPER, P.(2014): Montanhistorischer Streifzug über das Bergbaurevier Pflerschtal. Geo.Alp, Vol. 11: 103 - 114


26. Februar 2016

Kunst & Geologie: Wenn die Säulen des Himmels auf der Erde ruhen...

Und kaum dass meine Augen sich an das Dunkel gewöhnt hatten, traf mich wie ein Schlag die stumme Rede des bebilderten Steins, die den Augen und der Phantasie eines jeden verständlich ist (denn picture est laicorum literatura), und stürzte mich tief in eine Vision, von der meine Zunge noch heute nur stammelnd zu berichten vermag.“ 
Umberto Eco, „Im Namen der Rose“ (1980) 

 Sie sollte das himmlische Jerusalem auf Erden darstellen – die gotische Kathedrale - lichtdurchflutet, in die Höhe strebend sollte sie sein. Von Paris aus breitete sich ab 1150 dieser Baustil in ganz Europa aus, das 13. Jahrhundert wird als Höhepunkt der Gotik betrachtet. Kennzeichnend sind die spitz-zulaufenden Türme, die hohen Räume und die Strebebögen. Zeitgleich mit den Mauern wurden die Strebebögen hochgezogen, die die Mauern von Außen stützen und das Gewicht des Daches zur Seite ableiteten. Da die Mauern entlastet wurden, war es möglich höher zu bauen und vor allem große Fenster einzuplanen. Aber auch wenn das Gebäude überraschend filigran und leicht erscheint, so übt die Steinkonstruktion durch ihr Gewicht doch gewaltigen Druck auf den Untergrund aus. 


Abb.1. Die Kathedrale von Clermont-Ferrand.

Heute würde man die Statik berechnen, im Mittelalter musste der Baumeister sich auf seine Erfahrung stützen und eventuell Mauern und Fundamente dicker und mächtiger bauen lassen, um genügend Sicherheit und Standfestigkeit zu garantieren. 

Dieser „Mehraufwand“ ist oft der Grund wieso Kathedralen und andere mittelalterliche Bauten oft über Jahrhunderte hinweg sogar Erdbeben trotzen konnten. Dennoch kann sich der Untergrund als Schwachpunkt der Konstruktion erweisen. Während des Baus wurden die Mauern durch ein Holzgerüst gestützt, beim Abbau des Stützsystem stellte sich heraus ob der Baumeister sein Fach beherrschte. So sackte das Kirchenschiff der berühmte Kathedrale von Notre-Dame in Paris während ihres Baues zusammen. Die Westfassade wurde um beinahe 30cm nach Außen gedrückt da der Untergrund nicht standfest genug war und ungleichmäßig nachgab. Die Mauern blieben zwar stehen, problematisch  war aber das noch die beiden Türme  fehlten, also noch zusätzliches Gewicht dazukommen sollte! 
Zehn Jahre musste man warten bis sich der Boden genügend gesetzt hatte und man mit den Bau endlich weiterfahren konnte.

25. Oktober 2015

Kunst & Geologie: Klimawandel in der Kunst

Seit den 1960er Jahren wird versucht Gemälde als Klimaarchive zu verwenden. Bilder können zwar keine quantitativen Klimadaten liefern, sie liefern aber eine Übersicht über vergangene Klimaveränderungen. So zeigen urzeitliche Felsbilder in der Sahara Tiere die nur in einer Savannen-ähnliche Landschaft vorkommen können, sowie schwimmende Menschen, ein Hinweis darauf das in der Vergangenheit dort feuchtere Zeiten geherrscht haben müssen.
 
Lange Zeit waren Malerei und Kunst mehr auf den Menschen als seine Umwelt bedacht. Erst mit der holländischen Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert wurde die realitätsnahe Darstellung der Landschaft und Natur üblich. Es ist daher verlockend diese Bilder herzuziehen um die Umwelt und Landschaft  in diesen Zeitepochen zu rekonstruieren. Allerdings werden in diesen Bilder oft Bildkompositionen verwendet - auch wenn einzelne Elemente real sind, werden diese in eine idealisierte Landschaft zusammengestellt. Die Gemälde, bei aller Liebe zum Detail, ist den künstlerischen und gesellschaftlichen Formen unterworfen.
 
So sind auch viele Gemälde die Schnee und Eis in der britischen und niederländischen Landschaft zeigen oft als Hinweis für die mitteleuropäische Kleine Eiszeit gedeutet worden. Diese Periode ungünstiger Klimaverhältnisse, ungefähr vom 13. zum 18. Jahrhundert, ist mittels paläoklimatischer Daten relativ gut gesichert, allerdings können die Klimadaten nicht direkt auf das gesellschaftliche Leben und Kunst zur damaligen Zeit übertragen werden. Künstler wie Pieter Bruegel der Ältere (1525-1569) und Caspar David Friedrich (1774-1840) stellen tatsächlich in ihren Bildern Eislandschaften dar, allerdings sind diese oft nicht auf bestimmte Jahre festzumachen und neben diesen Bildern existieren auch zahlreiche die nichts mit Kälte zu tun haben. 

Abb.1. Die Jäger im Schnee, um 1565, als Monatsbild stellt es eine idealisierte Winterlandschaft dar und ist ein Teil einer Serie die verschiedene Jahreszeiten darstellen soll.

Vor allem Pieter Bruegel  scheint die Winterlandschaft erst in seinen späten Jahren, ab 1560, entdeckt zu haben.
 
Der italienische Künstler Giuseppe Arcimboldo (1527–1593) war Hofmaler von Kaiser Rudolf II, berühmt geworden durch seine eigentümlichen Porträts, wo der Monarch als heidnischer Fruchtbarkeitsgott, zusammengesetzt aus den Gaben der Natur, dargestellt wird. Wollte der Auftraggeber mit diesen seltsamen Bildern die Unfruchtbarkeit des Landes, verursacht durch das kalte und nasse Wetter, symbolhaft vertreiben? 

Abb.2. "Die Erde" von Giuseppe Arcimboldo, um 1570. Verursachte die Kleine Eiszeit Mangel durch das kalte Wetter und Depressionen wegen den trüben Tagen und stellte sich Rudolf II. deshalb so gerne als strahlender Fruchtbarkeitsgott dar? Eine etwas gewagte These.

Auch hier kann das Bild nicht auf kalte, harte (Klima-)Daten reduziert werden, die Gesellschaft und Interessen des Auftraggebers, die Erfahrung und Weltanschauung  des Künstlers, spielten bei weitem die bedeutendere Rolle bei der Auswahl der darzustellenden Objekte.

Literatur:

BEHRINGER, W. (2007): Kulturgeschichte des Klimas - Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. C.H. Beck-Verlag, München: 352
HÜTTL, R. (ed.) (2011): Ein Planet voller Überraschungen / Our Surprising Planet - Neue Einblicke in das System Erde / New Insights into System Earth. Springer Verlag: 316

30. Mai 2014

Hexenzauber und die Kleine Eiszeit

Der Begriff "Kleine Eiszeit" wurde um 1939 vom amerikanischen Glaziologen Francois Matthes (1875-1949)  benutzt um eine  Vorstoßphase  der nordamerikanischen Gletscher ab dem 13. Jahrhundert zu bezeichnen. Zeitgleich sind Gletschervorstöße auch in Skandinavien und den europäischen Alpen überliefert. Der Begriff wurde vom schwedischen Wirtschaftshistoriker Gustaf Utterström (1911-1985) später aufgegriffen, um eine Zeit, die in Mitteleuropa von politischen Unruhen, Völkerwanderungen Hungersnöten und Ausbreitung von Seuchen gekennzeichnet war, in einen klimatischen Zusammenhang zu stellen.
 



Die kleine Eiszeit wurde klimatisch in Europa durch eine generelle phasenweise Abkühlung gekennzeichnet. Die Ursache dieser Klimaverschlechterung ist unklar, sie fällt mit einer Phase verminderter Sonnenaktivität zusammen, ist aber auch von gesteigerten vulkanischen Tätigkeit (mit Höhepunkten um 1250-1500 und 1550-1700) gekennzeichnet.
 
Ab 1601 stößt in den Alpen das Mer de Glace vor und zerstört zwei Dörfer. Der deutsche Autor Martin Zeiller (1589-1661) beschreibt sehr plastisch das Vorrücken des Grindelwald-Gletschers:
 
"Es ist nicht weit davon der Orthen ein Capellen zu St. Petronel gewesen, dahin man vor alten Zeiten gewallfaret: Welchen Orth dieses Bergs Eygenschafft zum Wachsthumb seythero bedecked hat. Gestalt dann die Landleuthe dort herumb observiren und bezeugen, dass dieser Berg dergestalt wachse und seinen Grund oder Erden vor sich her schiebe, dass wo zuvor eine schöne Matten oder Wiesen gewesen, dieselbe davon vergehe und zum rauen wüsten Berg werde;…"
 
Nicht nur in Chroniken, auch in den Mythen der Alpen haben diese Gletschervorstöße ihre Spuren hinterlassen. Die Sage, das Gletscher Frevler und Übermütige unter sich begraben, ist weit verbreitet in den Alpen und lässt sich bis ins Jahr 1700 zurückverfolgen.
 
Besonders wurden die Menschen aber durch eine Häufung von Extremwetterereignissen getroffen. Überflutungen, Muren, Sturm, Hagel und Frost konnten Haus und Hof zerstören, schlimmer noch die Ernte eines gesamten Jahres vernichten, was wiederum zu Teuerung,  Hungersnöte und Seuchen führte.
In dieser schwierigen Zeit beobachtet auch das Aufkommen einer neuen Art des Aberglaubens - im 14. zum 15. Jahrhundert kommt die Idee verstärkt auf, dass Hexen "Hagel machen" und den Kühen die "Milch stehlen". 
In einer Chronik die in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt wird, heißt es wörtlich:
 
"1445 In diesem Jahr war ein sehr großer Hagel und Wind als vor nie gewesen, thät großen Schaden, ihro wegen fing man allhier etliche Weiber, welche den Hagel und Wind gemacht haben sollen, die man auch mit Urthel und Recht verbrennt."
 
Abb.1. Zwei Hexen bei der Zubereitung eines Hexensuds zur Erzeugung von Hagel und Unwetter, Holzschnitt aus "De laniis et phitonicis mulieribus" (1489), ein Pamphlet verfasst vom deutschen Jurist Ulrich Molitor (1442-1508).
 
"Anno 1626 den 27. May ist der Weinwachs im Frankenland im Stift Bamberg und Würzburg aller erfroren wie auch das liebe Korn, das allbereitt verblüett... das bei Manns Gedenken nit geschehen und eine große Theuerung verursacht... Hierauf ein großes Flehen und Bitten unter dem gemeinen Pöffel, warum man solange zusehe, das allbereit die Zauberer und Unholden die Früchten sogar verderben."
Chronik der Familie Langhans, Zeil (Franken)


Schadenszauber was schon in der Antike ein beliebter Anklagepunkt für angebliche Zauberer, allerdings sieht man jetzt darin eine regelrechte Teufels-Verschwörung. Der Historiker Wolfgang Behringer argumentiert, dass die Hexenverfolgung im Mittelalter  indirekt vom Klima beeinflusst wurde. Das gehäufte Vorkommen von Unwettern und Kälteeinbrüche demoralisierte den gemeinen Pöbel, der entschlossenes Handeln von der lokalen Obrigkeit verlangte - eine Antwort war die vermuteten Verursacher der Unwetter - die Hexen - einzufangen und abzuurteilen.

Wenn ihre Teufelskunst und Zauberei nicht an den Tag gekommen wäre, hätten sie vier Jahre kein Wein und Getreide wachsen lassen, wodurch viele Menschen und Vieh an Hunger gestorben wären und ein Mensch den anderen hätte fressen müssen. Gott, der Herr, hat dies nicht geschehen lassen wollen und an den Tag gebracht, so daß über 1.200 sind verbrannt worden und werden noch täglich viele verhaftet und verbrannt. Auch haben sie gestanden, da sie giftige Nebel gemacht haben, so daß viele Menschen und Tiere haben sterben müssen. Durch ihre Teufelskunst haben sie den Menschen auch große Krankheiten gebracht und Apfel, Birnen und das Gras auf den Wiesen verdorben....[]… (Zwei Bürgermeister) haben bekannt, daß sie viel schreckliche Wetter und große Wunder gemacht, so daß viele Häuser und Gebäude eingeworfen und viele Bäume im Wald und Feld aus der Erde gerissen wurden... 
Es sind auch etliche Mädchen von sieben, acht, neun und zehn Jahren unter diesen Zauberinnen gewesen. Zwanzig sind hingerichtet und verbrannt worden...[]... Besonders verwunderlich ist, daß solche kleinen Kinder Donner und Blitz zuwege bringen können.“
Aus den Chroniken der Hochstifte Bamberg und Würzburg, 1626-30
 
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnt die Inquisition Gericht zu halten, zuerst in Südfrankreich, Norditalien und der südwestlichen Schweiz - wobei die Inquisition am Anfang eine Antwort der Kirche auf die Ketzerbewegungen der Katharer und Waldenser war.  Im Laufe des 15. Jahrhunderts breiten sich die Prozesse aus, ab 1430 kommt es zu einem Übergang von der Anklage der allgemeinen Zauberei zu der der Hexerei. Vor allem in den Gebieten der heutigen Schweiz, Österreich, Polen und Deutschland kommt es zu zahlreichen Prozessen von Seiten der weltlichen Gerichte mit anschließenden Todesurteilen. 
Die Anklage des Schadenszaubers und Manipulation des Wetters spielt dabei eine wesentliche Rolle, auch weil es sich um ein "konkretes Verbrechen" handelte, im Unterschied zu anderen Hexenverbrechen, wie Besuch eines Hexensabbat oder Teufelsbuhlschaft, die schwer nachzuweisen waren und außerdem selbst von den meisten Zeitzeugen mehr als Ammenmärchen denn als Tatsachen angesehen wurden.

Teilweise antworteten die Angeklagten selbst mit Galgenhumor auf die ihnen vorgeworfenen Missetaten. Im Jahre 1595 wurde in der Brixner Gegend der Bauer Christoph Gostner der Wettermacherei angeklagt, darauf versuchte er das Gericht zu überzeugen, dass er nur in bester Absicht handelte und die ankommenden Unwetter ablenkte…
 

"Zurück nach hinten getrieben auf das höchste Gebirge, wo kein Hahn kräht, kein Heu gemäht wird, wo kein Ochs liegt und keine Blume blüht, dass es niemanden einen Schaden antue, und wie er glaubte, wurde der Schauer so gleich zu bloßem Wasser"
 

Auf die Gegenfrage, wieso er dann ein kürzlich stattgefundens verheerende Unwetter nicht verhindert hätte, antwortete der Schelm, dass er es wohl verschlafen habe und "betrunken gewesen [sei] dieselbige Nacht".
 

Die Hexenverfolgung nahm während einer milderen Klimaphase zwischen 1520 - 1560 ab, um anschließend zwischen 1560 und 1660 einen Höhepunkt zu erreichen. Die kleine Eiszeit erreicht ihren Höhepunkt um ungefähr 1680 - 1730, in den Alpen kam es zwischen 1550-1560 und 1580-1600 zu kalten Frühjahren und Auflassung von Almen.
 
Abb.2. Die Europäische Hexenverfolgung erfolgte zwischen 1430-1780, mit Höhepunkten zwischen 1560-1580, 1600-1618 und 1626-1630.

Zu vereinzelten Hexenprozesse kommt es noch zwischen 1715-1722 im Königreich Bayern, im Schweizer Kanton Zug (1737-1738) und in Würtenberg und Würzburg (1746-1749). Die letzte deutsche Hexe wurde in 1775 hingerichtet, die letzte europäische Hexe in 1782. 
Die kleine Eiszeit endet dann auch um 1850.
 
Natürlich spielen bei der Hexenverfolgung soziale Faktoren eine wesentlichere Rolle und das Klima war eher ein Schrittmacher als der Auslöser. In Gebieten mit einer zentralistischen Regierung und einheitlichen Gesetzgebung waren Hexenprozesse zum Beispiel weitaus seltener, da der Gesetzgeber überzeugende und daher schwer zu beschaffende Beweise der Hexerei verlangte. Im ländlichen Raum waren die zuständigen Behörden außerdem eher gewillt den Willen des Volkes nach einem Sündenbock in Menschengestalt nachzugeben. Politische und soziale Krisen und Kriegszeiten (so fällt der Höhepunkt der Hexenprozesse in Deutschland mit dem Höhepunkt des Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648 zusammen) - spielen auch eine Rolle in der Bereitschaft die Hexerei bis zur letzten Konsequenz - der Hinrichtung - nachzugehen, so waren teilweise den Behörden die Hexenprozesse zu teuer und ihr - vermuteter - Nutzen zu gering um überhaupt eine systematische Hexenverfolgung zu initiieren. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts verlieren die Hexenprozesse schließlich mehr und mehr an "ideologischem Hintergrund" bis zur vollständigen Einstellung der Verfahren.

Literatur:

BEHRINGER, W. (1998): Hexen: Glaube, Verfolgung, Vermarktung. Beck´sche Reihe Nr. 2082: 115

BEHRINGER, W. (1999): Climatic Change and Witch-hunting: the Impact of the Little Ice Age on Mentalities. Climatic Change, Vol.1(1): 335-351
BEHRINGER, W.; LEHMANN, H. & PFISTER, C. (eds.) (2005): Kulturelle Konsequenzen der "Kleinen Eiszeit" - Cultural consequences of the "Little Ice Age".
Veröffentlichungen des Max-Planck-Institus für Geschichte, Band 212 : 521
BEHRINGER, W. (2007): Kulturgeschichte des Klimas - Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung. C.H. Beck-Verlag, München: 352
BÜNTGEN, U. et al. (2011): 2500 Years of European Climate Variability and Human Susceptibility. Science Vol. 331: 578-582
FAGAN, B.M. (2000): The Little Ice Age: How Climate Made History, 1300-1850. Basic Books, New-York: 246
GLASER, R. (2008) : Klimageschichte Mitteleuropas - 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2. Auflage: 264

JÄGER, G. (2008): Fernerluft und Kaaswasser - Hartes Leben auf den Tiroler Almen. Universitätsverlag Wagner, Innsbruck: 240