10. Februar 2019

Eine Sage aus dem Bergbaugebiet Pflersch-Schneeberg

Die bergmännisch interessanten Aufschlüsse finden sich am Talschluss und südliche Talflanke des Pflerschtales, eines Seitentales nahe am Brenner in den Ötztaler Alpen gelegen. Die Nordflanke des Tales besteht zum Großteil aus karbonatischen Gesteinen des Brennermesozoikums. Typisch sind Steilhänge und die gezackten Felsgipfel. Markanteste Erhebung ist hier der Pflerscher Tribulaun mit über 3.000 Meter. Die Südflanke hingegen besteht aus verwitterten Gesteinen des Öztalkristallins. Die lokale Vererzung ist hier an silberreichen Galenit gebunden.

Der Beginn des Bergbaus im Pflerschtal verliert sich im Dunkeln der Geschichte. Historiker gehen von prähistorischen Zeiten bis ins frühe Mittelalter aus. Der Bergbau im Pflersch ist erstmals zu Beginn des 13. Jahrhunderts historisch nachweisbar. Um 1500 erreichte der Silberbergbau hier seinen Höhepunkt. Bedingt durch den über mehrere Jahrhunderte durchgeführte Raubbau kam es am Ende des 16. Jahrhunderts zu einem allmählichen Niedergang der Bergbautätigkeit. Infolge von ausbleibenden Zahlungen kam es zu Beginn des 17. Jahrhundert mehrmals zu Unruhen unter der Belegschaft. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden noch einige Probeschürfe durchgeführt, die aber nie kommerziell erfolgreich waren.

Bis vor wenigen Jahren konnten noch 42 Stollenmundlöcher lokalisiert werden, wobei die meisten heute verschüttet sind. Zahlreiche Schürfe, Abraumhalden, einige Gebäude und Flurnamen die auf das geförderte Silber anspielen erinnern noch an die ehemalige Bergbautätigkeit.

Ehemaliges Bergerichtshaus in Gossensaß mit eingemauerte Erzstufe oberhalb des Torbogens mit dem Bildnis zweier Knappen.

Eine Sage berichtet vom Niedergang des Bergbaus, wobei historische Tatsachen mit den vermuteten, aber allgegenwärtigen, Kräften in den Bergen vermischt werden.


Das Tal von Pflersch war einmal von einem reichen König regiert. Er herrschte über eine Heerschar von Bergknappen, die aus allen Teilen Tirols gekommen waren um hier nach Gold und Silber zu schürfen. Doch trotz all seines Reichtums, war der König hartherzig und grausam und strafte die Knappen, wenn sie nicht in der gewünschten Zeit die Stollen in die Felswände trieben und die geforderte Menge Silbererz zutage förderten. Von den "Hängenden Wand" unter der Maratschspitze über die Hochflächen von Ladurns bis hinunter in die Schlucht, die man "Höll" nennt, wo es der Teufel an kalten Wintertagen noch heute heraufrauchen lässt,, wurde gegraben. Der König ließ sich als Zeichen seines Wohlstandes ein Kegelspiel mit neun Kegeln und eine Kugel aus purem Gold gießen. Eines Tages jedoch verweigerte einer der Knappen den Dienst. Dies wurde sogleich dem König berichtet. Er selbst machte sich auf, um den aufmüpfigen Knappen zu strafen. Der Bursche witterte aber rechtzeitig die Gefahr und floh so schnell wie eine Gämse über hängende Wände und spitze Felszacken nach oben, Richtung Tribulaun. Der böse König war knapp hinter ihm her, schon hielt er sein Schwert hoch, um zuzuschlagen, als der große Berggeist des Tribulaun, Herr und Gebieter der Schachtgeister, ihm entgegentrat. Doch der König hielt nicht inne und schon setzte er zum Schlag gegen beide an. Da schlug der Berggeist seine mächtige Faust auf den Gipfel des Tribulauns, dass sich die Felsen spalteten. In eine dieser Felsenspalten flüchtete der Knappe und war gerettet. Seit jener Zeit ist der Gipfel des Tribulaun gespalten. Der Berggeist aber bannte den König des Tales und verwandelte ihn in kalten Fels, das rot-schimmernde Goldkappl, das noch heute vor den Tribulaun thront.
Man sagt, die Berggeister nutzen noch heute das Kegelspiel des versteinerten Königs. Wenn ein Gewitter aufzieht sagen die alten Bauern: " Hört ihr, Kinder, auf dem Tribulaun kegeln sie schon wieder!" Und jeder, der sich auf der Suche nach den Golden Kegelspiel macht, wird von den wilden Lorgg, der neben den Schatz kauert, in eine der Felsspalten geschleudert, sodass man keinen mehr finden konnte.

Der gerettete Knappe kehrte ins Tal zurück und berichtete dort, wie sich alles zugetragen hatte. Die Bergknappen arbeiteten nun für sich selbst und einer der Schachtgeister zeigte ihnen die ergiebigsten Erzgänge an. Zunächst war alles gut, aber mit der Zeit stieg der neue Reichtum den Knappen zu Kopf. Von Samt und teurem Tuch mussten ihre Kleider sein, die Schuhe hatten silberne Nägel, die Frauen stolzierten mit geputzter Haartracht umher und wenn sich die Kinder verunreinigten, nahm man frische Semmelkrumen zum Abputzen. Der segenspendende Schachtgeist missfiel das sehr. Lange Zeit sah er dem leichtsinnigen Treiben zu und zeigte sich mehrmals mit finsterer Miene in den Stollen, Aber niemand schien sich den langen Knechtschaftsjahren unter der Herrschaft des grausamen Königs zu erinnern. 

Als die Knappen schließlich einem Stier aus Jux bei lebendigem Leibe die Haut abzogen, riss dem Bergmanndl die Geduld. Es raste von der Talsohle fauchend nach oben wobei es in den Stollen ächzte und knallte. Am nächsten Tag durchlief eine Schreckensbotschaft das Tal: die Stollen waren durch einen Erdrutsch verschüttet worden. Wie mit einem Schlag verschwand der Bergsegen vom Pflerschtal. Nur noch verfallene Stollen und rätselhafte in Stein gemeißelte Zeichen erinnern an den ehemaligen Bergbau.

Literatur:

PERTL, E. & LANER, B. (1977): Sagenhafte Bergwelt. Verlagsanstalt Athesia, Bozen: 127
UNGERANK, D. & TROPPER, P.(2014): Montanhistorischer Streifzug über das Bergbaurevier Pflerschtal. Geo.Alp, Vol. 11: 103 - 114