26. November 2016

Geologische Katastrophen und das Aussterben von Arten

Das Aussterben einer Art gehört zur Geschichte des Lebens auf der Erde. 99% aller Arten die in den letzten dreieinhalb Milliarden Jahre hier gelebt haben sind auch wieder ausgestorben. Von in prähistorischen Zeiten ausgestorbenen Arten bleiben nur Knochen und Fossilien übrig, in historischen Zeiten kommen Abbildungen und Beschreibungen und in modernen Zeiten auch Photos dazu (das erste Buch mit Tierphotographien wurde 1844 veröffentlicht). Seit 400 Jahren beobachtet man eine Zunahme der generellen Aussterberate bei Säugetiere, Reptilien und Vögel. Oft spielt dabei der Mensch eine Rolle, aber auch geologische Katastrophen können eine Art an den Rand des Aussterbens bringen … und darüber hinaus.
 

Das Aussterben des Atitlántaucher (Podilymbus gigas) am See von Atitlán (Guatemala) wurde durch die Naturforscherin Anne LaBastille (1935-2011) sehr detailliert dokumentiert. Neben anthropogenen Ursachen führte auch ein Erdbeben zum Aussterben dieser Vogelart.

Abb.1. Der Atitlántaucher, Bild aufgenommen von David G. Allen.

Die lokale Industrie und der Tourismus übernutzten den See und führten zu weitreichenden Habitatzerstörung. Vor allem der Schilfgürtel, Brutgebiet des Wasservogels, wurde zerstört. Die Population des Atitlántaucher begann daher ab 1958 stetig zurückzugehen. Im Februar 1976 gab es in Guatemala ein schweres Erdbeben. Bei diesem Beben brach das Seebett, und ein unterseeischer Abfluss sorgte dafür, dass sich der Wasserspiegel um über 6m senkte. Das letzte Reservat für den Taucher lag nun auf dem Trockenen, der Schilfgürtel vertrocknete und starb rasch ab. Versuche neue Schilfgürtel anzulegen schlugen fehl. Bis 1980 waren 60 % des Schilfgürtels am See vernichtet worden. 1983 war der Bestand der Taucher auf 32 Tiere gesunken.  1989 zählte man nur noch zwei Exemplare. Als diese beiden verbliebenen Vögel auch verschwanden, wurde der Atitlántaucher offiziell für ausgestorben erklärt.
 

Steinschlag führte fast zum Aussterben der Lord Howe Island Baumhummer (Dryococelus australis)

Abb.2. Der Baumhummer.

Wenige Exemplare überlebten rund um einen einsamen Melaleuca-Busch in der beinahe senkrechten Felswand der Pyramide von Ball, ein 562m hoher erodierter Vulkanschlot der sich 600km vor der Küste Australiens mitten im Pazifik erhebt. Der Baumhummer wurde 1920 zum letzten mal auf der Lord Howe Insel beobachtet. 44 Jahre später bemerkten einige Kletterer ein seltsames totes Insekt während eines Besteigungsversuch der Ball-Pyramide. In 2001 machten sich zwei Zoologen auf der Suche nach einem lebenden Exemplar. In 200m Höhe fanden sie den besagten Busch mit 24 Exemplare des Baumhummers. Aufgrund der kleine Population ergab sich eine langwierige Diskussion ob man einige Exemplare für die Wissenschaft und eventuelle Nachzucht sammeln könnte. Nach zwei Jahren wurde schließlich beschlossen zwei Pärchen zu entnehmen - zum Schrecken der Forscher hatte sich aber ein Felssturz in der betreffenden Felswand ereignet. Glücklicherweise hatte dieser den Myrtenheiden-Busch gerade noch verschont.
 

In der Vergangenheit lebte auf der Karibischen Insel von  Martinique eine Art von Riesenmaus - Megalomys desmarestii die im Jahre 1654 durch den französischen Naturforscher Jean-Baptiste Du Tertre beschrieben wurde, der sich dabei auch auf indigene Kochrezepte für einheimische Arten beruft. 

Abb.3. Präparat von der Karibischen Riesenmaus.

Bis 1890 war die Art generell häufig, aber Jagd, Habitatzerstörung und Konkurrenz mit eingeschleppten Arten (vor allem Jagd durch Mangusten) führte zu einer drastischen Abnahme der Population. Kleinere Gruppen überlebten an den Hängen des Berges La Pelée - einen ruhender  Vulkan. Im April 1902 erwachte der Vulkan. Am 8 Mai 1902 kam es zu einem verheerenden Ausbruch mit pyroklastische Strömen, dabei wurde die Hafenstadt St. Pierre völlig zerstörten, möglicherweise 40.000 Menschen kamen dabei um. Die Abhänge des Vulkans waren völlig verwüstet worden und kein Tier hatte dort überlebt. Spätere Expeditionen konnten keine Spuren der Riesenmaus mehr auf Martinique finden. Der Ausbruch des La Pelée hat möglicherweise das Aussterben dieser Art besiegelt.

Das 7.8M Erdbeben das am 14 November Neuseeland erschütterte forderte zwei Menschenleben und verursachte großen Schaden, darunter zahlreiche Massenbewegungen und Felsstürze. Huttons Sturmtaucher (Puffinus huttoni) oder auch kaikoura titi ist ein Vogel der entlang der Küste von Kaikoura brütet. Der Vogel gräbt Bruthöhlen in den steilen Abhängen der Kaikoura Küste und in den nahen Bergen. Die Art wird seit 1960 als gefährdet betrachtet, da verwilderte Schweine und Hermeline die Brut zerstören, und die einzigen zwei noch existierenden natürlichen Brutkolonien könnten durch das Erdbeben  stark in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Bei einem Vorbeiflug wurde bemerkt das die größere der beiden Kolonien teilweise durch eine Rutschung verschüttet worden ist, wobei nicht nur die Bruthöhlen zerstört wurden sondern auch zahlreiche brütende Vögel getötet worden sind. 25% der Population des Sturmtauchers könnte so umgekommen sein. Auch könnten die Tiere ihre Brutkolonie auf lange Zeit hin verloren haben. Ein schwerer Schlag für diese Art die sich in den letzten Jahren relativ erholt hatte. 
Abb.4. Huttons Sturmtaucher.
 

Literatur:
 

FULLER, E. (2014): Lost Animals - Extinction and the Photographic Record. Princeton University Press: 240

10. November 2016

Der geologische Grund des Orakel von Delphi

Laut Überlieferung versetzten sich die Priesterinnen des berühmten Orakels von Delphi mit der Hilfe von Gasen, die aus einer Erdspalte ausströmten, in Trance. In diesem Zustand wisperte der Gott Apollon höchstpersönlich ihnen Zukunftsvisionen zu.

Abb.1. Die Priesterin Phytia im Orakel von Delphi, Abbildung von Heinrich Leutemann.

Es scheint das in dieser Erzählung etwas geologische Wahrheit steckt. Der Geologe Jelle de Boer und Archäologe John Hale kartierten im Gebiet um Delphi tatsächlich zwei größere Störungssysteme, die sich unter dem Tempel des Apollon kreuzen. De Boer vermutet das sich entlang der Störungen während eines Erdbebens Spalten öffnen, aus denen Gase strömen, wie Ethylen, Methan, Ethan und Kohlendioxid.  Ethylen kann in geringen Konzentrationen berauschend wirken. Alternativ können Methan und Kohlendioxid zur Atemnot und Schwindel führen. Verwirrt hätten die Priesterinnen vor sich hin gebrabbelt, das Gebrabbel wäre von weiteren Priesterinnen gedeutet wurden.
Geologe Luigi Piccardi hat auch eine Erklärung warum um 381 das Orakel von Delphi an Bedeutung verlor. Eine Serie von Erdbeben verschloss die Spalten endgültig. Da kein Gas mehr ausströmte konnten die Priesterinnen auch nicht mehr in Trance fallen und ihre Weissagungen kundtun.


5. November 2016

Gesteine Online: Ignimbrite

Ignimbrite im engeren Sinne wurden in 1932-35 von vulkanischen Ablagerungen in Neuseeland durch MARSHALL beschrieben. Es handelt sich dabei um ein Gestein bestehend aus Kristall- und Gesteinsbruchstücken, die durch die hohen Temperaturen bei ihrer Ablagerungen – aus großflächigen  pyroklastischen Strömen -  regelrecht zusammen-gesintert wurden. Ignimbrite sind gewissermaßen ein Übergang von Vulkaniten zu Sedimentgesteine, da sie aus vulkanischen Ablagerungen gebildet werden, allerdings weisen sie keine Schichtung auf.
Abb.1. Ignimbrit mit „Flammen“, die aus glasigen Schlacken bestehen, Feldspat-Kristalle und größere Bruchstücke von älteren Ignimbriten.

Im Gegensatz zu Tuffen (vulkanische Ascheablagerungen aus Eruptionswolken) zeigen Ignimbrite nicht nur keine Schichtung, sondern häufig auch säulige Absonderungen. Da Ignimbrite großflächig und auch in größerer Mächtigkeit abgelagert werden, formen sich die Säulen bei deren langsamen Abkühlung.
Abb.1. Ignimbrite mit säuliger Absonderung, "Bozner Quarzporphyr" bzw. mit modernen Namen die Auer-Formation.

Die Entstehung von echten Ignimbriten wurde rezent noch nicht beobachtet, da sie eigentlich nur bei gewaltigen Eruptionen mit sehr großen Eruptionsvolumen (der Permische "Bozner Quarzporphyr" ist bis zu 4.000 Meter mächtig) gebildet werden. In historischen Zeiten war einzig der Ausbruch des Katmai (Alaska) in 1912, wo es jedoch keine direkten Augenzeugen gab, vergleichbar. Ablagerungen von kleineren pyroklastischen Strömen, wie sie häufig bei rezenten Vulkanausbrüchen beobachtet werden, sind grobblockiger und weniger verfestigt.

29. Oktober 2016

Mineralientage München 2016 - Schweizer Kristallschätze

Gneis-Block aus dem Gotthard Basistunnel - der helle Leventina-Gneis geht im Bereich des Gotthardmassivs zum  dunkleren, stark verfalteten Lucomagno-Gneis über.

Granate aus der Val Canaria, Tessin.
Bergkristall aus einer alpinen Kluft, Cavagnoli-Gletscher.
Bergkristall mit Tessiner Habitus, Gotthardmassiv.
Quarz mit Rutilgittern, Gotthardmassiv. 
Kyanit, Pizzo Forno, Valle Leventina, Tessin.

16. Oktober 2016

Das Körnchen Wahrheit in der Argonautensage um das Goldenen Vlies

Steine vergehen. Die Gesänge bleiben.“ 
Polynesisches Sprichwort

Die Argonautensage und die mythische Suche nach dem Goldenen Vlies könnte tatsächlich auf die Ausbeutung der ältesten Goldbergwerken der Welt beruhen. Die Sage reicht wahrscheinlich bis ins 1. Jahrtausend v. Chr. Zurück, als die Griechen in die Gebiete rund um das Schwarze Meer vordrangen und von dort Gold zurückbrachten. 

Abb.1. Die Argonauten, laut einer griechischen Sage eine Expedition die sich zum Ende der Welt aufmachte, findet nach langer und gefahrvoller Reise das Goldene Vlies, ein Widderfell aus purem Gold. Abbildung aus Agricolas "De re metallica libri XII" (1556).

Noch heute ist das Gold der Skythen berühmt, zahlreiche Arbeiten aus dem edlen Metall wurden in ihren Kurgans (Grabhügel), im Mündungsgebiet des Dnepr und der krimeischen Halbinsel gelegen, aufgefunden. Ein eindeutiger Beweiß für den Goldreichtum der Gegend. Im 5. Jahrhundert v.Chr. kam es schließlich zum Kontakt zwischen Skythen und Griechen mittels griechischer Kolonien, die entlang der Küste des Schwarzen Meers entstanden.

Woher das Gold der
Skythen ursprünglich stammt ist nicht ganz klar, es gibt aber zwei Möglichkeiten - Schwemmgold aus Flüssen oder Abbau von Golderz aus den Bergen. Antike Historiker berichten das in Kolchis (heute Georgien im Kaukasus) Gold mittels Schafsfelle aus den Flüssen gewaschen wurden. Man spannte den Balg in den Fluss auf, die Goldkörnchen verfingen sich darin, anschließend verbrannte man das Feld und das Gold blieb übrig. Dies würde gut zur Sage des Goldenen Vlies passen. Das Widderfell aus purem Gold wäre eine mythologische Verklärung der Methode die tatsächlich verwendet wurde um das Gold aus den Flüssen zu gewinnen.
 
Das Gold in den Flüssen stammt aus den Bergen und dort wurde das Gold auch im Laufe der Jahrhunderte auch schon bergmännisch abgebaut. Südöstlich des heutigen Tbilisi (Georgien) liegt der Kochagiani-Hügel bei Sakdrissi. Hier reichen alte Stollen bis in 30 Meter Tiefe. Datierungen an Holzkohlereste ergaben ein Alter von 3.400-3.000 v.Chr. - die älteste bekannte Goldmine der Welt. Mittels Feuer wurde das Gestein Mürbe gemacht und anschließend mit Steinhämmern herausgeschlagen, bis zu 25cm Vortrieb ließ sich mit einmaligen Feuersetzen erzielen. Das Erz wurde zerrieben und mittels Wasser ausgewaschen. Moderne Experimente ergaben bei 30kg Erz, von 4 Arbeitern in 4 Tagen abgebaut, am Ende 1 Gramm an Goldflitter. Schätzungsweise wurden hier so in 400 Jahren so 150 kg reines Gold gewonnen.

8. Oktober 2016

Die Kleine Eiszeit in den Alpen

Im Jahre 1820 gab sich der Salzburger Kreishauptmann Graf Welsperg-Raitenau über "die Verwilderung der Alpen" besorgt. Landgerichts Verweser Joseph Ferdinand Hermann antwortete mit einem Bericht "über ein Gebiet von der Länge von 8 Fußstunden vom Hüttwinkeltauern bis zum Heiligenbluter [wo Gletscher] Tauern Weiden vernichtet haben, die vordem mit Rindvieh angekehrt waren". Der Verwalter fügt auch eine Bemerkung zu seiner "Uiberzeugung dass das Klima in Rauris seit Jahrhunderten erkaltet und daher auch die Alpen verwilderten" an. Zahlreiche Pfarrbücher und Chroniken berichten vom Unmut der damaligen Bevölkerung über das Klima. So mußte im Jahre 1644 im Montblanc-Gebiet eine Prozession zum Gletscher beim Dorf Les Bois organisiert werden, da dieser angeblich um 120m vordrang und das Dorf bedrohte. Der Bischof von Genf segnete den Les-Bois-Gletscher höchstpersönlich. Auch der Aletschgletscher im Berner Oberland begrub wertvolles Ackerland unter sich. Jesuitenpatres besprengten den Gletscher im Namen des heiligen Ignatius und auch zum Vernagtferner in den Ötztaler Alpen wurden Bittprozessionen organisiert.
In einer landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft waren diese Gletschervorstöße und Wetterkapriolen nicht nur ein religiöses Problem, sondern auch mit erheblichen Einbußen verbunden.
Wenn der  Schnee länger liegen blieb, wurden, aufgrund der verkürzten Weidedauer, Sennalmen in Galtalmen umgewandelt. Wenn diese „Kuhgräser“ vom Gletscher überfahren wurden und selbst selbst Schafe kein Auskommen mehr fanden, mussten hoch gelegene Höfe teilweise aufgegeben wurden. In 1817 mussten die Gampenhöfe im Südtiroler Innersulden (auf 1.878m Seehöhe) geräumt werden, da der vorstoßende Suldenferner bedenklich nahe der Hofstelle kam und der Gletscherbach die Hofstelle vermurte. 

 
Abb.1. Der 1850er Moränenwall des Rotmoosfernes im unteren Bildabschnitt markiert die maximale Ausdehnung der Alpengletscher in den letzten 10.000 Jahren.

Die sogenannte kleine Eiszeit, die vom 16 Jahrhundert bis ungefähr um die Mitte des 19. Jahrhunderts dauerte, war eine Phase starker Gletschervorstöße in den Alpen, sowie gekennzeichnet durch einen starken Kontrast zwischen den Jahreszeiten, besonders den sehr kalten Wintern.
Die Ursachen für diese Kaltphase ist noch nicht ganz geklärt. Das überaus kalte Jahrzehnt um 1810 fällt mit einem Minimum der solaren Einstrahlung zusammen und mit einigen starken Vulkanausbrüchen (darunter der Tambora im Jahre 1815). Der Sommer 1816 war in den Alpen der kälteste der letzten 1.250 Jahren. Aus Eisbohrkernen lässt sich ableiten das auch um 1275-1300 und 1450 zahlreiche Vulkane ausgebrochen sind. Möglicherweise hatten vulkanische Gase und Asche in der Atmosphäre eine abschattende Wirkung, die verminderte Sonneneinstrahlung führte zu einer generellen Abkühlung.

Die kleine Eiszeit wurde vom Industriezeitalter abgelöst. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat die mittlere Jahrestemperatur in den Zentralalpen zwischen 1850  bis 2013 um 2°C steigen lassen. Vom letzten Hochstand im 19.Jahrhundert bis 1975 haben die 5.000 Alpengletscher ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse verloren, in den anschließenden 30 Jahren sind sie noch einmal um ein Drittel geschrumpft.

Literatur:

ZASADNI, J. (2007): The Little Ice Age in the Alps: Its record in glacial deposits and rock glacier formation. Studia Geomorphologica Carpatho-Balcanica, Vo.XLI: 117-137

1. Oktober 2016

Der Vulkan - Zerstörer und Schöpfer

Böden rund um Vulkane gelten als besonders fruchtbar und sind daher begehrter Siedlungsraum. Kein Wunder das Vulkane als göttlich angesehen wurden, mit entsprechendem Risiko.
Abb.1. Der Beginn des Ausbruch des Bandaisan oder Bandai in Japan. Der Ausbruch am 15.Juli 1888 zerstörte zahlreiche Dörfer und tötete hunderte von Bauern die an den fruchtbaren Hängen ihre Felder bestelllten.

Tatsächlich erneuern Vulkane durch ihre Ausbrüche die umliegenden Böden. Das frische Lavagestein und Asche ist reich an Phosphor, wichtig für Pflanzenwachstum, das während der Verwitterung der Ablagerungen freigesetzt wird. 

Nach der Eruption des St. Helens im Jahr 1980 lagerte sich eine 1-2cm dicke Ache in der weiteren Umgebung ab. Was zunächst nach einer Katastrophe aussah, führte überraschenderweise zu einer Rekordernte bei Äpfeln und Weizen. 
Nach der Eruption des Katmai (auch bekannt als Novaerupta) in Alaska im Jahre 1912 lassen sich in den Baumringen drei dünnere Ringe beobachten, gefolgt von 12 Jahren mit Wachstumsringe die dicker als normal ausgebildet sind. Allerdings überwiegen die positiven Effekte von vulkanischer Asche nur bis zu einer Mächtigkeit der Ablagerungen von 20cm. Darüber hinaus erstickt die Ascheschicht jegliche Vegetation und kann auch die Wiederbesiedelung von neuen Pflanzen erheblich behindern.

Abb.2. Ascheablagerungen des 1912 Novaerupta Ausbruchs, im Bereich von Ascheablagerungen über 2m ist auch heute noch, 100 Jahre nach der Eruption, die Pflanzendecke spärlich entwickelt.

Abb.3. Baumring-Chronologie in der Umgebung des Katmai, man erkennt den deutlichen Wachstumsschub nach dem Ausbruch.

10. September 2016

Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt – „Philosoph der Erde“

"Auf das Zusammenwirken der Kräfte, den Einfluss der unbelebten Schöpfung auf die belebte Thier- und Pflanzenwelt, auf diese Harmonie sollen stets meine Augen gerichtet sein."
Alexander von Humboldt (1799)
 
Friedrich Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) stammt aus einer angesehenen und reichen Familie. Bereits als Jugendlicher interessierte er sich für Naturbeobachtung und sammelte unter anderem Mineralien. Finanziell unabhängig, konnte er sein weiteres Leben vollständig der Wissenschaft widmen - besonders angetan hat ihm dabei die "Construktion des Erdkörpers".
 
1787 begann er auf Druck seiner Mutter ein Studium der Staatswirtschaftslehre in Frankfurt, wechselte aber in 1789 zu Physik und Chemie in Göttingen. In 1790 publizierte er seine erste größere Publikation mit dem Titel "Mineralogische Beobachtungen über einige Basalte am Rhein". Neben einigen frühen Forschungsreisen in Europa schloss er ein Studium der Handelsakademie in Hamburg ab. In 1791 besuchte er die Bergakademie in Freiberg, die neben Theorie auch praktische Erfahrung im Bergwerk anbot. Hier erarbeitete er ein Werk über die Pflanzen - die "Florae Fribergensis Specimen" - die im Licht der Grubenlampen wachsen konnten. Zwischen 1792 und 1797 arbeitete er weiter als Bergmeister und Bergassesor in verschiedenen Bergwerken des Fichtelgebirges und Frankenwald.
Beauftragt die dortigen Bergwerke zu modernisieren, stellte er einen gravierenden Mängel fest. Die Gruben wurden meist von ungelernte Bergleute und Tagelöhner betrieben, es fehlten daher technische Kenntnisse, z.B. um Wasserableitungen für gefluteten Stollen zu bauen oder den Verlauf der Erzgänge im Gebirge abzuschätzen. Er förderte daraufhin die Schaffung von frei zugängliche Bergschulen in Goldkronach, Arzberg und in Steben um die Bergbaukultur wieder aufleben zu lassen, weiteres eine Zusammenlegung und Rationalisierung von verschiedenen Gruben zu größeren Bergwerken.
Die Bergwerke arbeiteten daraufhin wieder mit Gewinn und Humboldt erreichte in 1795 das Amt des Oberbergrats. Neben seiner Arbeit vergaß er nie die Wissenschaft, so entdeckte Humboldt in 1797 die magnetischen Eigenschaften der Serpentinit-Gebirgskuppe am Haidberg bei Zill. Er schreibt auch über seinen „reger Wunsch, ehe [er] Europa auf mehrere Jahre [verlässt], brennende Vulkane zu sehen“. Humboldt plante eine größere Expedition außerhalb Europa, allerdings hielten ihn familiäre Verpflichtungen zurück.

In selben Jahr wo er diesen Wunsch äußerte verstarb auch seine Mutter - Humboldt war nun finanziell komplett unabhängig und frei sich einen großen Kindheitstraum zu erfüllen: eine ausgedehnte Forschungsexpedition in die Tropen.

Vor der eigentlichen Expedition reiste Humboldt innerhalb Europa um sich in verschiedenen naturwissenschaftlichen Sammlungen zu dokumentieren. Ende April 1798 lernte er dabei den französischen Botaniker Aimé Jacques Alexandre Bonpland (1773-1858) kennen. Zusammen reisten sie weiter nach Spanien, von wo sie sich zuerst nach Afrika, und als dies nicht ging, nach Amerika einschiffen wollten. Da die bürokratischen Formalitäten einige Zeit in Anspruch nahmen, erforschten sie nebenbei die inneren Hochflächen von Spanien. Im Juni 1799 war es soweit und sie schifften sich nach Venezuela ein. Während eines Zwischenstopps auf Teneriffa bestiegen sie den Pico de Teide, der ersten aktiven Vulkan den Humboldt untersuchte. In den fünf Jahren die die Expedition dauern wird wird Humboldt noch weitere Vulkane besteigen und untersuchen, außerdem interessierte er sich für die Minen- und Salinenbetriebe der Neuen Welt.

 
Abb.1. Die Vulkane der Anden, aus "Historia general de las cosas de Nueva España" (1540-85).

In den Anden bestiegen Humboldt und Bonpand im November 1801 den Puracé, später den  Paramos von Pasto. Schlechtes Wetter verhinderte den Aufstieg zum Galeras (ein unter Vulkanologen berüchtigter Vulkan). Im Januar 1802 scheiterte erneut eine Besteigung der beiden Vulkane Antisana und Cotopaxi, den mit 5.897m höchsten aktiven Vulkan der Erde. Dreimal bestieg er den aktiven Pichincha (4.784m) in Equador. Am Tag nach Humboldt´s letzter Rückkehr erschüttert ein Erdbeben die am Fuße des Berges gelegenen Stadt Quito und Humboldt wird der Zauberei verdächtigt.

 
Abb.2. Von Humboldts Zeichnung des Vulkan Pichincha mit seinem Grat und einer Serie von Kratern.

Ende April 1802 erstieg er den erloschenen Vulkan Rucu-Pichincha und Ende Mai 1802 blickte er in den Krater des Guagua-Pichincha. Im Juni 1802 scheiterte der Aufstieg zum Tunguráhua und kurz vor dem Gipfel des 6.200m hohen Chimborazo mussten die improvisierten Bergsteiger umkehren.

Abb.3. Porträt von Alexander von Humboldt, Julius Schrader, um 1859. Im Hintergrund erkennbar der Chimborazo und Cotopaxi - die Vulkane der Anden beeinflussten nicht nur die geologische Weltanschauung von Humboldt, sondern auch seine Arbeiten über die Verteilung der Pflanzen, von Humboldt wird als Begründer der Pflanzengeographie und Ökologie gefeiert.

Im März 1803 kletterte Humboldt während seiner Durchreise in Mexiko auf den Jorullo, ein Vulkan der erst 1759 ausgebrochen war. Es folgten noch einige andere Gipfel vulkanischen Ursprungs in der Umgebung von Mexiko-Stadt.
 

Im August 1804 kehrt Humboldt nach Europa zurück. Schon ein Jahr später reist er, zusammen mit Leopold von Buch (1774-1853) und Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1850), nach Italien über Rom bis nach Neapel, wo sie mehrmals den Vesuv besteigen und am 12. August 1805 einen großen Ausbruch beobachten. 

Abb.4. Der Ausbruch des Vesuvs am 18. August 1805, Gemälde von E.M. Korneev (1780-1839).

Humboldt hatte unter Abraham Gottlob Werner (1749-1817) Geologie studiert und war zunächst wie dieser Anhänger des Neptunismus - eine geologische Bewegung die behauptete das alle Gesteine durch Sedimentation aus einem Urmeer entstanden waren, auch Granit und Laven, und Vulkane nur durch lokale Glutherde gespeist werden.  Auch die Vulkane der Anden interpretiert er zunächst als lokale Phänomene, möglicherweise durch die dortigen unterirdischen Kohleflötze gespeist. 

Ab 1809 mehren sich Hinweise auf die geologische Rolle von Vulkane, vor allem mit der Untersuchung der fossilen Feuerberge der französischen Auvergne. Im September 1822 besuchte Humboldt zusammen mit Leopold von Buch das Dorf Predazzo im Fassa-Tal um den seltsamen Kontakt zwischen Granit und Kalkgestein, der dort an einer Felswand aufgeschlossen ist, zu untersuchen. Granit überlagert hier teilweise den metamorphen Kalkstein. Laut der Idee das sich alle Gesteine durch Sedimentation bilden war diese Geometrie unmöglich, Granit sollte die älteste Schicht sein, stets überlagert von jüngeren Gesteinen, wie Kalkstein (Humboldt reißt allein weiter um erneut den Vesuv zu besuchen). Er beginnt nun vollends am  Neptunismus zu zweifeln und schließt sich der Bewegung der Plutonismus an -  aufgeschmolzenes Magma bildet im Erdinneren große Plutone an Granit, an der Erdoberfläche führt schnelle Abkühlung zu feinkörnigen Laven. Humboldt bemerkt auch die Verteilung der Vulkane in Amerika und auf der Erde allgemein, die eine Kette formen. Vulkane, so Humboldt, sind über ein verzweigtes Netzwerk an vulkanischen Schloten mit der Magmakammer im Erdinneren verbunden und können große Landstriche formen. Er nimmt auch an das Vulkanschlote sich dort bilden können, wo große Störungen die Erdoberfläche geschwächt haben. Auf jeden Fall ist Vulkanismus nicht lokal beschränkt, sondern ein globales Phänomen.
 

Abb.5. Die Verteilung von vulkanischen Phänomenen, Karte aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht.

In 1823 tat er sein Umdenken über Vulkane mit dem Vortrag "Ueber den Bau und die Wirkungsart der Vulkane in verschiedenen Erdstrichen" kund.

Humboldt wird an die 50 Jahre lang an seinem Lebenswerk - den "Kosmos" - arbeiten, in dem er die unbelebte Natur mit der belebten in Zusammenhang stellt. Von Humboldt sah Lebensformen als Teil eines komplexen Netzwerks an, voneinander abhängig wie auch beeinflusst von der Umwelt. Eine Philosophie die in einem Satz zusammengefasst werden könnte: "Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten". 

Abb.6. Profil durch di Anden, aus dem Berghaus-Atlas (1845-1862), als Beilage zu Humboldts Lebenswerk "Kosmos" gedacht. In diesem Profil erreicht Humboldts Philosophie ihren Höhepunkt: die Geologie der Vulkane, die Klimata verschiedener Höhenstufen, die Exposition und Neigung der Topographie - alles Faktoren die die Vegetationsgürtel beeinflussen - ihrereseits können die Pflanzen abiotische Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Niederschlag beeinflussen - die Natur als vernetztes "Ganzes".

Literatur:

EGERTON, F.N. (2009): A History of the Ecological Sciences, Part 32: Humboldt, Nature's Geographer. Bulletin of the Ecological Society of America: 253-282
HUBMANN, B. (2009): Die großen Geologen. Marix-Verlag: 192

WULF, A. (2015): The Invention of Nature: Alexander von Humboldt's New World. Knopf Publisher: 496

3. September 2016

Kunst & Geologie: Der Kristallsucher

Wir können mit Sicherheit angeben, dass man er [der Bergkristall] in den Felsen der Alpen entsteht, oft an so unzugänglichen Orten, dass man ihn an einem Seil hängend herauszieht.“
Plinius der Ältere (23-79 n.Chr.)

In alten Zeiten war die Suche nach Kristallen in Klüften eine beliebte Möglichkeit sich in den Alpen ein Zubrot zu verdienen. Kristallsucher wurden auch Strahler genannt, da die funkelnden, durchsichtigen Bergkristalle auch als „Strahlen“ bekannt waren. 

Abb.1. Darstellung von Henry Lévèque mit dem Titel “Der Kristallsucher Jacques Balmat” (Erstbesteiger des Mont Blanc in 1786).

2. September 2016

Ein Geologe im Land der Bestie

Im Jahre 1751 besuchte der Mediziner Jean-Etienne Guettard die französische Auvergne, bekannt für ihre kegelförmigen Berge die einfach nur die Puys genannt werden und der Sage um eine menschenfressende Bestie.

Guettard hatte in seiner Jugend seinen Großvater, ein Apotheker, bei der Suche nach Heilkräutern geholfen. Er hatte dabei beobachtet das gewisse Pflanzen nur auf Böden mit einer bestimmten mineralogischen Zusammensetzung vorkommen, eine Beobachtung die sein Interesse an der Geologie weckte. Später diente er als Naturforscher dem Grafen von Orléans und so verschlug es ihn in dieser wilden Gegend.


Die Auvergne und umliegende Provinzen sind durch einsamen Moore und Sümpfe, aus denen einsame, kegelförmige Hügel aufsteigen, und steilen Klippen mit seltsamen, säulenförmigen Gesteinsformationen gekennzeichnet. Manche hielten diese seltsamen sechseckigen Säulen für versteinerte Bambus-Wälder oder riesige Kristallformationen. Die regelmäßigen Säulen wurden von den einheimischen einfach „Roche Tuiliére“ genannt, Dachziegel-Steine, da sie abgebaut wurden um die Dächer abzudecken oder Mauern zu errichten.
 

Im Sommer 1764 tauchte im Gévedaun, das an der südlichen Grenze der Auvergne anschließt, eine menschenfressende Bestie auf, der kein Jäger gewachsen schien. Im schwierigen, sumpfigen Gelände waren Treibjagden beinahe unmöglich und die Bestie von Gévedaun, wie sie nur genannt wurde, versteckte sich anscheinend gerne in den engen Schluchten die im harten Gestein eingeschnitten waren. Zwischen 1764 bis 1767 terrorisierte die Bestie die gesamte Gegend und tötete mindestens 116 Kinder und Frauen.  Erst als 1767 im Wald von Teynazére ein großer Wolf geschossen wurde hörte das Töten auf.

Aber zurück zu Guettard, der seine Reise unbeschadet überlebte und auch noch die damalige Geologie gehörig auf den Kopf stellen sollte. Seine Aufmerksamkeit wurde bei Vichy von einem dieser seltsamen Steine -  den Roche Tuiliére“ - angezogen. Er erkannte das das dunkle Gestein eine überraschende Ähnlichkeit zu einer Gesteinsprobe des Ätna, die er im Naturalienkabinett des Grafen gesehen hatte, aufwies. Guettard erfragte bald das das Gestein bei Volvic (ein Name der sich vom römischen „volcani vicus“, Dorf am Vulkan!, ableitet) abgebaut wurde. Er reiste dorthin und erkannte den Steinbruch als alten, fossilen Lavafluss aus Basalt. Mehr noch, er konnte den Fluss bis zu einem Vulkankrater aus Asche und Schlacke zurückverfolgen. Nach der Rückkehr nach Clermont-Ferrand, der Hauptstadt der Auvergne mit ihrer schwarzen Kathedrale, und mit Hilfe eines einheimischen Führers bestieg er den mehr als 500m hohen Puy de Dome


Sie waren umgeben von kegelförmigen Bergen die aber alle einen Krater am Gipfel aufwiesen – Guettard war sicher das es sich dabei um eine Kette von nun erloschenen Vulkane handelte, die aber in der Vergangenheit mehrmals ausgebrochen waren. In 1752 publizierte er seine Beobachtungen und um 1771 fertigte ein anderer Amateurforscher, Nicholas Desmarest, eine detaillierte Karte an, in der er die Vulkane und Lavaflüsse der Auvergne kartierte.
Die angeblichen Bambus-Fossilien waren Basaltsäulen, die entstehen wenn sich die Lava abkühlt und Schrumpfungsrisse das Gestein in regelmäßige Sechsecke zerbrechen lässt. Interessanterweise nahm Guettard selbst an, das es verschiedene Arten von Basalt gibt, so gibt er für die Basaltsäulen noch einen sedimentären Ursprung an – möglicherweise verwirrten ihn die verschiedenen Farben und Verwitterungsalterationen die alte Basaltablagerungen annehmen können. Erst Desmarest erkennt ihre wahre Natur, auch wenn es noch bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts dauern wird bis die vulkanische Entstehung von Basalt allgemein von den Geologen akzeptiert wird.

Karte von Desmarest mit der Topographie der Auvergne, gut erkennbar die Vulkankegel, vor allem mit der Bergkette der Puys am oberen rechten Rand, und die zungenförmigen Lavaflüsse.

Die damaligen Naturforscher überraschte diese Karte mit zwei wichtigen Erkenntnissen. Erstens waren vulkanische Phänomene viel weiter verbreitet als damals angenommen. Da im damaligen Europa nur die aktiven Vulkane in Süditalien gut bekannt waren, war angenommen worden das vulkanische Kräfte bei der Gestaltung der Erdoberfläche nur eine untergeordnete Rolle spielten. Jetzt aber erkannte man das ganze Gebirge (die Kette der Puys zum Beispiel) und Landschaften durch Vulkane gestaltet werden konnten. Weiters waren diese Vulkane in einer geologischen Vergangenheit aktiv und von der Mächtigkeit der Ablagerungen zu schließen auch wiederholt – Vulkane waren also sehr alte geologische Kräfte, die unablässig die Erde gestalteten.

21. August 2016

Geo-Mythologie: Der verfluchte See und eine vulkanische Katastrophe

Geologen wären dumm, wenn sie Mythen ignorieren würden, aber sie wären auch dumm, wenn sie alles in den Überlieferungen glauben würden.“
Patrick Nunn, University of New England

In vielen alten Mythen und Legenden finden sich Hinweise auf Erz- und Edelsteinvorkommen, Heilquellen aber auch geologische Gefahren wie  Tsunami, Erdbeben und Vulkanausbrüche. Mit diesen zusätzlichen Wissen können Risiken und Gefahrenzonen besser abgeschätzt werden und vielleicht in Zukunft Menschenleben gerettet werden.

Am Abend des 21. August 1986 kroch lautlose der Tod aus dem Nyos-See in Kamerun. Entlang der Ufer starben über 1.700 Menschen, sie lagen da wie eingeschlafen, waren aber alle erstickt. Die meisten Opfer waren zugewanderte Bauern die auf dem fruchtbaren vulkanischen Boden ihre Felder angelegt hatten. Für die Alteingesessenen dagegen waren die Ufer des Sees tabu. Alte Mythen warnten vor dem „tödlichen Atem“ des Sees, der plötzlich erwachen konnte. Erst spätere geologische Untersuchungen ergaben eine überraschende Wahrheit hinter diesen seltsamen Geschichten.
 
Der Nyos-See liegt im Krater eines erloschenen Vulkans, aber aus dem Untergrund strömen große Mengen an giftigen Gasen wie Schwefeldioxid und Kohlendioxid. Diese Gase lösen sich im tieferen Wasser, aufgrund der großen Tiefe des Sees bleiben sie aber gelöst und konzentrieren sich mehr und mehr über die Jahre. In der Nacht des 21. August störte ein plötzliches Ereignis diese instabile Wasserschichtung und es erfolgte eine katastrophale Entgasung. Eine unsichtbare Wolke an Kohlendioxid strömte den Berghang hinunter und füllte die Täler aus – ab einer Konzentration von 6% (normale Luftwerte liegen bei 0,4%) wirkt Kohlendioxid extrem schnell und lähmt das Atemzentrum, die Opfer ersticken einfach in Sekunden.
 
Die erster Forscher die am Nyos-See ankamen glaubten zunächst an eine Vulkankatastrophe, aber keine Hinweise darauf konnten gefunden werden. Erst als sie Geschichten von verfluchten Quellen nahe des Sees nachgingen, wo angeblich Tiere wie Frösche und Vögel auf unerklärlicher Weise erstickten, entdeckten sie das es sich um gasreiche Quellen handelte. Von dieser Entdeckung war es nur ein kurzer Gedankengang anzunehmen das auch in der Tiefe des Nyos-See große Mengen an Gas austreten.

   

Literatur:

SHANKLIN, E. (2007): Exploding lakes in myth and reality: an African case study. In Piccardi & Masse “Myth and Geology”, Geological Society London Special Publications, Vol. 273: 165-176

18. August 2016

Tiere im Sagensschatz des Bergbaus

Die schwierige Suche nach Erzadern, neben geologischen Kenntnissen zählt auch jede Menge Glück dazu, führte dazu das das einfache Volk sich den Bergsegen in den Alpen nur durch zauberkundige oder unheimliche Kräfte erklären konnte - manchmal in der Gestalt von Tieren.

In zahlreichen Sagen wird die Erzader einer Person durch übernatürliche Wesen oder Kräfte zum ersten Mal aufgezeigt, wie gutgesinnte Berggeister. Daneben gibt es auch Sagen die als Helfer die zauberkundigen Venedigermandl (italienische Bergleute) angeben. Eine dritte Variante schließlich gibt Tiere als Erstentdecker an. 

Tiere spielen in mancher Sage zur Gründung eines Bergwerks eine wichtige Rolle, vor allem in der Steiermark, Tirol und im Salzburgischen Land. Meist sind es Pferde, Ochsen, Ziegen oder Jagdwild die mehr oder weniger zufällig eine Erzader anzeigen. Laut Sage wurde das Erz von Schwaz in Tirol duch eine wilden Stier entdeckt, der mit seinen Hörnern das Erdreich aufwühlte und die Erzader so bloßlegte. Die selbe Sage erzählt man sich über die Entdeckung des Kupfers bei Prettau. In Brixlegg (ebenfalls in Tirol) wird eine Grube „Geyer“ genannt, da laut Überlieferung einst ein Jäger in einem Geiernest lauter Erzbrocken fand und so das Erzaufkommen erst bekannt wurde. 
In einer Variante dieser Sage wirft ein Hirte einer störrischen Kuh einen Stein hinterher. Ein Berggeist, der zufällig vorbeikommt ruft daraufhin aus „Halt Bua! Da Stoan gilt mehr als d´Kuah!!“ Es stellt sich heraus das der Stein aus Erz oder Gold besteht. Selbst Paracelsus, der sich als Mediziner und Alchemist für Metallurgie und Bergbau interessierte, erwähnt diese Sage in einem Schreiben um 1603.

 
Abb.1. Der Teufel, erkennbar an seinen Ziegenfüßen, übergibt Knappen das Geheimnis einer reichen Erzader – zum Preis ihres Seelenheils. Aus der „Schweizer Bilderchronik des Luzerner“ des Diebold Schilling (1513).

Auch über das Ende eines Bergwerks wird oft in Zusammenhang mit Tieren berichtet. Einst, so die Sage aus Halle, zogen die verzogenen Knappen von Schwaz nach einem ausgiebigen Gelage einem zufällig vorbeikommenden Ochsen aus Jux die Haut bei lebendigen Leibe ab. Die Knappen fuhren danach in die Stollen ein, aber die Strafe für ihre Frevel folgte bald. Die Berggeister erwürgten jeden einzelnen von Ihnen und die Stollen füllten sich mit Wasser. Noch heute fließt ein Rinnsal aus dem ehemaligen Bergwerk, noch immer blutrot gefärbt (vielleicht eine Anspielung an Erzauscheidungen aus dem Grubenwasser). Diese Sage ist in Nord- und Südtirol in verschiedene Varianten, die sich hauptsächlich in den grausamen Details unterscheiden (so wird zusätzlich noch Salz auf den Wunden des Tieres gestreut), recht verbreitet.



Abb.2. Hans Holbein d.J., Bergbau in den Alpen (Mitte 16. Jh.).

Literatur:

PETZOLDT, L. (1990): Knappentod und Güldenfluss“ zu den Bedingugen bergmännischer Folklore in Tirol. In AMMANN, G. „Silber, Erz und Weisses Gold, Bergbau in Tirol“ Innsbruck.

13. August 2016

Geschichte geologischer Begriffe: Kalkspat

Mit „Chalix“ bezeichneten die alten Römer Mörtel und den Kalkstein der benötigt wurde diesen herzustellen. Mit ihren Eroberungszügen brachten sie das Geheimnis der Mörtelherstellung auch zu den germanischen Stämmen, die das Lehnwort „Kalk“ übernahmen. 
Mittelalterliche Bergbauleute bezeichneten Gesteine und Mineralien die sich gut spalten ließen als „Spate“, zusammen mit der Bezeichnung des Kalkgestein kam der Calcit daher zu seinem deutschen Namen Kalkspat. Der mineralogische Name Calcit wurde übrigens erst um 1845 durch den Wiener Bergrat Wilhelm Haidinger eingeführt.

Abb.1. Die ausgeprägte Spaltbarkeit ist bezeichnend, auch im Chinesischen wird Kalkspat Fáng Jié Shi genannt, viereckig trennender Stein.

6. August 2016

Goldfieber – Die psychologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Gold

"Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!
"
Goethe´s Faust - Eine Tragödie (1808)


Es beginnt meist mit einem zufälligen Fund – im Kalifornien des 19. Jahrhunderts fielen einem Arbeiter die gelbliche Mineralflitter in der Wasserrinne einer Mühle auf - im Yukon (Alaska) gibt es unermeßliche Vorkommen davon titelten die Zeitungen - in Dioumouuon in Burkina Faso nimmt ein Goldgräber einen verdächtigen Brocken mit um ihn genauer zu untersuchen – und tatsächliche, in allen Fällen handelte es sich um Gold. 

Gold, ewig ist sein sonnengelber Schimmer und ewig ist die Gier nach ihm. Reines Gold in Quarzgang aus dem Monte Rosa gebiet in den westlichen Alpen.

Die Entdeckung lässt sich kaum verheimlichen und spricht sich rasend schnell herum. Zahllose Glücksritter reisen an, zumeist professionelle Goldgräber die ihre ehemaligen Berufe aufgegeben haben und von Goldrausch zu Goldrausch reisen. Im Nu wächst eine Goldgräberstadt heran, sei es in Alaska oder in Afrika. In Sanmatenga (Goldland), wie die neu gegründete Goldgräberstadt in Burkina Faso bald heißt, herrscht am Anfang das Faustrecht wie im Wilden Westen. Claims werden besetzt und notfalls verteidigt, Banditen nehmen den ersten Goldgräbern ihre Fund ab. In der Goldgräberstadt wird nicht nach Namen, sozialer Staus und Vergangenheit gefragt und neben einfachen Bauern fühlt sich auch Gesindel von diesem Ort angezogen. Die Hoffnung in kurzer Zeit an Wohlstand zu gelangen hält alles am Laufen… und theoretisch hat jeder Bewohner der Goldgräberstadt die gleichen Chancen, verkrustetet gesellschaftliche Zwänge werden aufgebrochen. In der afrikanischen Goldgräberstadt können sich sogar Frauen freier bewegen als in den Dörfern wo streng auf die Sitten geachtet werden.

Das Goldgewinnen benötigt jedoch eine relativ sichere soziale Ordnung– die Goldgräber die das erzhaltige Gestein gewinnen, Goldwäscher die mit den nötigen Chemikalien hantieren können um das Gold aus dem Gesteinsmehl herauszulösen, Goldhändler die das Gold in Tausch gegen geltende Währung annehmen, Händler die die Goldsucher mit allem nötigen versorgen. All diese Personen müssen irgendwie zusammen klarkommen und sind voneinander abhängig. Es bilden sich ungeschrieben Gesetze aus, soziale Strukturen bilden sich, Einzelkämpfer haben hier keine Chance. Reicherer Goldgrubenbesitzer bezahlen nicht nur ihre Arbeiter, sondern stellen ihnen auch medizinische Hilfe zur Verfügung – der Goldgrubenbesitzer erkaufen sich sozusagen die Loyalität der Arbeiter, ohne denen sie die Fundstelle nicht ausbeuten könnten. Neben dieser Herr-Arbeiter Beziehung  bilden sich aber auch (oberflächlich betrachtet) demokratische Strukturen aus. Die Goldgräber wählen einen der Ihren aus um mit Behörden und dem Staat zu verhandeln – die meisten nun abgesteckten Claims sind nämlich bürokratische betrachtet völlig illegal, aber der schwache Staat kann kaum durchgreifen und tausende von Menschen aus ihrer Stadt vertreiben. Es ist günstiger für beide Seiten einen Kompromiss zu finden. Natürlich hilft es dem „gewählten Verwalter“ wenn er auf sein Kontakte und auch wenn nötig Gewalt zurückgreifen kann. Anderseits führt er Regeln ein und sorgt für ihre Durchsetzung, wie geregelte Arbeitszeiten  und sogar Ruhetage. 

  

Ironischerweise geben die meisten Goldgräber das hart gewonnen Gold mit vollen Händen aus. Luxusartikel sind in Sanmatenga leicht zu bekommen. Drogen , Sex und Alkohol sind ebenfalls reichlich vorhanden und machen die harte Arbeit des Goldgrabens erträglich. Einfache Waren kosten dagegen ein Vermögen. Beim Goldrausch in Klondike waren frische Früchte fast unerschwinglich, trotz des ganzen Gold das in der Einöde von Alaska gewonnen wurde waren Hunger und Skorbut unter den Goldgräbern weit verbreitet. Reich wurden in den Goldgräberstädten am Klondike zumeist die Händler, da diese auf eine rege Nachfrage hoffen konnten und aufgrund fehlender Alternativen auch Wucherpreise für ihre Waren verlangen konnten. In Sanmatenga verkaufen örtliche Händler ihre Waren lieber in den Goldgräberstädten, da sie dort höhere Gewinne machen können, während es in der Umgebung zu Engpässen kommt.

Aberglauben ist unter Bergleute stark verbreitet. Das Gold wird als eigentlicher Besitz der Erdgeister gesehen, die mit Gebeten und Opfergaben bei Laune gehalten werden müsse. Diese Geister können nicht nur den Bergsegen verweigern, sondern auch zum Einsturz der Bergstollen – und damit Tod – führen. Es ist kein Wunder das unter dem dauernden Stress den Bergleute ausgesetzt sind, die Gefahren im Berg sind zahlreich, von Wassereinbrüchen bis zum Steinschlag, sich die Idee von übernatürlichen Helfern und Beschützern ausbildet. In den Geschichten der Alpenbewohner waren es Zwerge und noch heute gilt im christlichen Europa die Heilige Barbara als Schutzpatronin der Grubenarbeitern und Mineure.

So schnell wie der Spuk begonnen hat ist er auch wieder vorbei. Im Yukon herrschte das Goldfieber nur einige Jahre, bis die Ressourcen an Gold erschöpft waren. In Burkina Faso kommt es zu einem schweren Grubenunglück mit zahlreiche Tote. Die Goldgräber sind überzeugt das es sich um eine Strafe der Berggeister handelt. Es kommt zu einer Abwanderung und immer mehr Menschen verlieren das Interesse. Das restliche Gold verbleibt im Berg und im Besitz der Erdgeister.

Literatur:

JACOB, K. (2010): Der Goldbaron von Sanmatenga. Bild der Wissenschaft, Bd.7: 98-102
WERTHMANN, K. (2009): Bitteres Gold – Bergbau, Land und Geld in Westafrika. Mainzer Beiträge zur Afrikaforschung Bd. 21: 260