10. Februar 2019

Eine Sage aus dem Bergbaugebiet Pflersch-Schneeberg

Die bergmännisch interessanten Aufschlüsse finden sich am Talschluss und südliche Talflanke des Pflerschtales, eines Seitentales nahe am Brenner in den Ötztaler Alpen gelegen. Die Nordflanke des Tales besteht zum Großteil aus karbonatischen Gesteinen des Brennermesozoikums. Typisch sind Steilhänge und die gezackten Felsgipfel. Markanteste Erhebung ist hier der Pflerscher Tribulaun mit über 3.000 Meter. Die Südflanke hingegen besteht aus verwitterten Gesteinen des Öztalkristallins. Die lokale Vererzung ist hier an silberreichen Galenit gebunden.

Der Beginn des Bergbaus im Pflerschtal verliert sich im Dunkeln der Geschichte. Historiker gehen von prähistorischen Zeiten bis ins frühe Mittelalter aus. Der Bergbau im Pflersch ist erstmals zu Beginn des 13. Jahrhunderts historisch nachweisbar. Um 1500 erreichte der Silberbergbau hier seinen Höhepunkt. Bedingt durch den über mehrere Jahrhunderte durchgeführte Raubbau kam es am Ende des 16. Jahrhunderts zu einem allmählichen Niedergang der Bergbautätigkeit. Infolge von ausbleibenden Zahlungen kam es zu Beginn des 17. Jahrhundert mehrmals zu Unruhen unter der Belegschaft. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden noch einige Probeschürfe durchgeführt, die aber nie kommerziell erfolgreich waren.

Bis vor wenigen Jahren konnten noch 42 Stollenmundlöcher lokalisiert werden, wobei die meisten heute verschüttet sind. Zahlreiche Schürfe, Abraumhalden, einige Gebäude und Flurnamen die auf das geförderte Silber anspielen erinnern noch an die ehemalige Bergbautätigkeit.

Ehemaliges Bergerichtshaus in Gossensaß mit eingemauerte Erzstufe oberhalb des Torbogens mit dem Bildnis zweier Knappen.

Eine Sage berichtet vom Niedergang des Bergbaus, wobei historische Tatsachen mit den vermuteten, aber allgegenwärtigen, Kräften in den Bergen vermischt werden.


Das Tal von Pflersch war einmal von einem reichen König regiert. Er herrschte über eine Heerschar von Bergknappen, die aus allen Teilen Tirols gekommen waren um hier nach Gold und Silber zu schürfen. Doch trotz all seines Reichtums, war der König hartherzig und grausam und strafte die Knappen, wenn sie nicht in der gewünschten Zeit die Stollen in die Felswände trieben und die geforderte Menge Silbererz zutage förderten. Von den "Hängenden Wand" unter der Maratschspitze über die Hochflächen von Ladurns bis hinunter in die Schlucht, die man "Höll" nennt, wo es der Teufel an kalten Wintertagen noch heute heraufrauchen lässt,, wurde gegraben. Der König ließ sich als Zeichen seines Wohlstandes ein Kegelspiel mit neun Kegeln und eine Kugel aus purem Gold gießen. Eines Tages jedoch verweigerte einer der Knappen den Dienst. Dies wurde sogleich dem König berichtet. Er selbst machte sich auf, um den aufmüpfigen Knappen zu strafen. Der Bursche witterte aber rechtzeitig die Gefahr und floh so schnell wie eine Gämse über hängende Wände und spitze Felszacken nach oben, Richtung Tribulaun. Der böse König war knapp hinter ihm her, schon hielt er sein Schwert hoch, um zuzuschlagen, als der große Berggeist des Tribulaun, Herr und Gebieter der Schachtgeister, ihm entgegentrat. Doch der König hielt nicht inne und schon setzte er zum Schlag gegen beide an. Da schlug der Berggeist seine mächtige Faust auf den Gipfel des Tribulauns, dass sich die Felsen spalteten. In eine dieser Felsenspalten flüchtete der Knappe und war gerettet. Seit jener Zeit ist der Gipfel des Tribulaun gespalten. Der Berggeist aber bannte den König des Tales und verwandelte ihn in kalten Fels, das rot-schimmernde Goldkappl, das noch heute vor den Tribulaun thront.
Man sagt, die Berggeister nutzen noch heute das Kegelspiel des versteinerten Königs. Wenn ein Gewitter aufzieht sagen die alten Bauern: " Hört ihr, Kinder, auf dem Tribulaun kegeln sie schon wieder!" Und jeder, der sich auf der Suche nach den Golden Kegelspiel macht, wird von den wilden Lorgg, der neben den Schatz kauert, in eine der Felsspalten geschleudert, sodass man keinen mehr finden konnte.

Der gerettete Knappe kehrte ins Tal zurück und berichtete dort, wie sich alles zugetragen hatte. Die Bergknappen arbeiteten nun für sich selbst und einer der Schachtgeister zeigte ihnen die ergiebigsten Erzgänge an. Zunächst war alles gut, aber mit der Zeit stieg der neue Reichtum den Knappen zu Kopf. Von Samt und teurem Tuch mussten ihre Kleider sein, die Schuhe hatten silberne Nägel, die Frauen stolzierten mit geputzter Haartracht umher und wenn sich die Kinder verunreinigten, nahm man frische Semmelkrumen zum Abputzen. Der segenspendende Schachtgeist missfiel das sehr. Lange Zeit sah er dem leichtsinnigen Treiben zu und zeigte sich mehrmals mit finsterer Miene in den Stollen, Aber niemand schien sich den langen Knechtschaftsjahren unter der Herrschaft des grausamen Königs zu erinnern. 

Als die Knappen schließlich einem Stier aus Jux bei lebendigem Leibe die Haut abzogen, riss dem Bergmanndl die Geduld. Es raste von der Talsohle fauchend nach oben wobei es in den Stollen ächzte und knallte. Am nächsten Tag durchlief eine Schreckensbotschaft das Tal: die Stollen waren durch einen Erdrutsch verschüttet worden. Wie mit einem Schlag verschwand der Bergsegen vom Pflerschtal. Nur noch verfallene Stollen und rätselhafte in Stein gemeißelte Zeichen erinnern an den ehemaligen Bergbau.

Literatur:

PERTL, E. & LANER, B. (1977): Sagenhafte Bergwelt. Verlagsanstalt Athesia, Bozen: 127
UNGERANK, D. & TROPPER, P.(2014): Montanhistorischer Streifzug über das Bergbaurevier Pflerschtal. Geo.Alp, Vol. 11: 103 - 114


23. Januar 2019

Horace-Bénédict de Saussure als Geologe

Horace-Bénédict de Saussure  war ein Schweizer Professor der Philosophie, Mediziner und Naturkundler.
 Zu einer Zeit wo die meisten Naturkundler in Schreibstuben studierten, schlug Saussure vor, dass man empirische Daten im Feld sammeln sollte. In 1787 bestieg er den 4.810 Meter hohen Mont Blanc, gerade mal ein Jahr nach der Erstbesteigung, um dort meteorologische und geologische Forschungen durchzuführen. Er ist der Erste, der den Granit des Mont Blanc beschreibt.
Rekonstruktion einer alpinen Kluft aus dem Granit des Zentralmassiv des Mont Blanc, mit Rauchquarz, seltener Fluorit, Chlorit breitet sich am Boden der Kluft aus. 

Zur damaligen Zeit befasste sich die „Naturphilosophe“ mit drei großen Themenbereiche, die Zoologie sammelte und studierte Tiere, Botanik sammelte und studierte Pflanzen und die Mineralogie sammelte und studierte Mineralien und Gesteine. Eine Wissenschaft der Erde im heutigen Sinn war gerade dabei sich zu entwickeln als ein Landsmann von de Saussure, Jean-Andre de Luc, um 1778 vorschlug die Erforschung der Erde als Geologie zu bezeichnen.

De Saussure fasste seine Erkundung der Tiere, Pflanzen und Landschaften der Alpen in seinem Werk Voyages dans les Alpes (1779-96) zusammen. 

15. Januar 2019

Kind in Spanien in 110 Meter tiefen Schacht gefallen

In Spanien ist ein zweijähriger Junge beim Spielen in einen 110 Meter tiefen Brunnenschacht gestürzt. Der Junge soll am Sonntagmittag bei einem Ausflug seiner Familie aufs Land in den Schacht mit einem Durchmesser von rund 25 Zentimeter gefallen sein. Mit einer Kamera sei man bis in eine Tiefe von knapp 80 Metern vorgedrungen. Weil sich Erde gelöst habe, die den Schacht verstopfe, komme man mit der Kamera nicht weiter vorwärts, hieß es. Auch Feuchtigkeit und Kälte erschwerten am Montag die Suche. Nach der Abtragung der abgelösten Erde und der Verstärkung der Innenwände des Schachtes wollte man möglichst noch am Dienstag parallel zum Schacht ein Bohrloch anlegen, um zu dem Kind zu gelangen. Zudem wurde erwogen, mit Spezialmaschinen den Schacht auszuweiten.



Der Unfall in Spanien erinnert an den italienischen Fall Alfredo „AlfredinoRampi. Der sechsjährige Bub war am 10. Juni 1981 bei Vermicino nahe Frascati (Latium) in einen 80 Meter tiefen artesischen Brunnen gestürzt. Der Junge blieb zunächst bei einer Tiefe von 36 Meter in den nur rund 28 Zentimeter breiten Schacht stecken. Zwei junge Höhlenforscher der Alpenrettung versuchten sich kopfüber in den Schacht abzuseilen, konnten aber nur bis zu einer Tiefe von 24 Meter vordringen. Man beschloss, einen zweiten Brunnen abzuteufen, um dann mit einem zwei Meter langen Querschlag die Stelle, wo der Junge festsaß, zu erreichen. Eine Bohrsonde wurde geliefert, wobei die Geologin Laura Bortolani warnte, dass im Boden härtere Schichten zu erwarten waren, die den Vortrieb erheblich verlangsamen würden.
Die Gegend ist durch vulkanischen Ablagerungen gekennzeichnet, darunter "Peperino", die lokale Bezechnung für verfestigten vulkanischen Tuff. Zunächst schaffte die Bohrsonde fast 2 Meter in zwei Stunden, erreichte aber dann wie befürchtet eine feste Schicht. Eine zweite Bohrsonde mit einer höheren Leistung wurde angeliefert. Diese zweite Maschine schaffte es, einen 50 Zentimeter breiten Brunnen bis in einer Tiefe von 20 Meter abzuteufen.
Laut Techniker würde es mindestens 8 bis 12 Stunden dauern, um die nötige Tiefe zu erreichen. Stunden später war aber nur ein weiterer Meter erbohrt worden. Am 12. Juni war eine Tiefe von 25 Meter erreicht, wo man eine weichere Schicht antraf, was die Bohrung merklich beschleunigte. Bei 30 Meter beschloss man den Querschlag auszuführen, man vermutete nämlich, dass Alfredino bei 32 Meter festsaß, und wollte einige Meter über oder unter den Jungen in den Brunnen vorstoßen. Da der Bohrer für den Querschlag eine technische Panne hatte, musste der Schacht mit Pickel und Schaufel gegraben werden. Der Brunnen wurde schließlich bei einer Tiefe von 34 Meter angegraben. Unglücklicherweise war Alfredino während den Arbeiten weiter abgerutscht. Einer der Höhlenforscher stieg über den Querschlag in den Brunnen ab und stellte fest, dass der Junge bis in eine Tiefe von 60 Meter abgerutscht war. Mehrere Freiwillige versuchten bis zum Jungen hinabzusteigen. Der einfache Arbeiter Angelo Licheri schaffte es schließlich, aber beim Versuch dem Jungen einen Rettungsgurt anzulegen, rutschte er weiter ab. Danach stieg der Höhlenforscher Donato Caruso hinunter, aber wieder scheiterten alle Versuche den Jungen zu sichern. Caruso stieg zweimal ab, als er merkte, dass der Junge nicht mehr zu atmen schien. Nachdem am 13. Juni der Tod des Jungen bestätigt wurde, wurde flüssiger Stickstoff in den Brunnen eingeleitet, um den Körper für die späteren Bergungsmaßnahmen zu konservieren.

Einen Monat später wurden Mineure beauftragt den kleinen Körper aus den Brunnen zu holen. Ein 80 Zentimeter breiter Schacht wurde angelegt und mittels eines 16 Meter langen Querschachts wurde eine Stelle unterhalb des Jungen angegraben. Der noch gefrorene Körper kommt schließlich am 11. Juli wieder ans Tageslicht.

6. Dezember 2018

Hitlers Geologen

Im April 1941 gründete der Reichsführer SS Heinrich Himmler den SS-Wehrgeologen Bataillon 500, eine Einheit von Militärgeologen die der "Leibstandarte Adolf Hitler", eine der Eliteeinheiten der Schutz-Staffel, zugeteilt war und ungefähr 400 bis 600 Mann umfasst.  

Die Einheit setzte sich aus deutschen, niederländischen, skandinavischen und italienischen Akademiker und Experten zusammen, die  bereits zur SS gehörten, aber nun von anderen Abteilungen, wie z.B. das Ahnenerbe,  in die neue Einheit eingegliedert wurden. Die SS-Wehrgeologen hatten praktische Ingenieurgeologische Probleme zu lösen, beschäftigten sich aber auch auf Wunsch von Himmler, der esoterischen Pseudowissenschaften gegenüber aufgeschlossen war, auch mit eher ungewöhnlichen Projekten. So umfassten die Wehrgeologen neben den Strukturgeologen Karl Heinzelmann und den Geologen Joachim Schlorf, der die toxischen Effekte von Schwermetallen untersucht hatte, auch Archäologen wie Erich Marquardt und Ahnenerbe-Forscher Rolf Höhne. Höhne hatte an den Ausgrabungen des Grabs des ostfränkischer Königs Heinrich I. in Quedlinburg teilgenommen, als dessen Reinkarnation sich Himmler betrachtete. Höhne selber war Anhänger der Hohlen-Erde-Theorie und publizierte regelmäßig archäologische und pseudoarchäologische Artikel in der "Schwarze Korps", die SS-eigene Zeitschrift.
Im japanischen Anime "Hellsing" taucht auch der SS-Wehrgeologen Bataillon 500 auf. Neben geologische Fragestellungen beschäftigte sich die Einheit auch mit archäologische Ausgrabungen und Esoterik. Auf direkten Befehl hin durchsuchte der Bataillon Höhlen und aufgelassene Minen in der Schweiz, Italien, Kroatien, Rumänien, Bulgarien und Griechenland nach Relikten, von denen sich Himmler Einfluss auf den Verlauf des Krieges erhoffte.
 
Die Wehrgeologen sollten die besetzten Gebieten auf mögliche Ressourcen, wie Trinkwasser, Öl, Gas, Edelmetalle, Edelsteine und Baumaterial, kartieren. Sie halfen beim Aufbau von Verteidigungs- und Befestigungsanlagen und überwachten den Vortrieb von Stollen und Bunkern. Im März 1944 wurde der SS-Wehrgeologen Bataillon in die Normandie abkommandiert. Die Geologen sollten beim Ausbau der Verteidigungsanlagen entlang der Küste helfen und den "Hindernisbau" entlang der Strände leiten. Für den Fall einer Invasion der Alliierten  (die dann auch im Juni 1944 stattfand) wurden auch Vorbereitungen für die Überflutung bestimmte Bereiche getroffen. In Venetien und Trentino waren sie am Bau der "Blauen Linie", einen Verteidigungswall für die geplante Alpenfestung (die größenwahnsinnige Vision einer letzten Bastion des untergehenden III. Reiches), beteiligt. Im Frühjahr 1945 waren die Wehrgeologen auf der Suche nach nutzbaren Ressourcen bis in die Karpaten vorgestoßen. Mit Vormarsch der Roten Armee mussten sie sich in die Voralpen zurückzuziehen. In Triest beteiligte sich die Fachleute des "Stollenbau Kp" am Ausbau des "Kleinen Berlins", eine unterirdische Verteidigungsanlage unterhalb der Stadt. Neben den praktischen Schutz, den die Bunker darstellten, hoffte Rolf Höhne auch, verborgen im Untergrund, ein mystisches Tor zur Unterwelt zu finden. Professor Wilhelm Teudt, Mitglied des
"Ortungslinienforschung" des Ahnenerbe, und Josef Heinsch vermuteten nämlich das Triest am Kreuzungspunkt der „Heiligen-Linien“ lag, Energiebänder die angeblich über die ganze Erde verlaufen.

Doch die SS-Wehrgeologen beschäftigten sich nicht nur mit harmlosen, esoterischen Unsinn. In Frankreich und den Niederlanden suchten sie nach den besten Plätzen, um die Startrampen der streng geheimen Vergeltungswaffen darauf zu bauen. Der Untergrund musste nämlich stabil genug sein um die Vibrationen, die beim Start der ersten flugtauglichen Raketen entstandten, zu adsorbieren.
Der Wehrgeologen Bataillon war auch an Kriegsverbrechen beteiligt. Im italienischen Dorf Laita wurden nachweislich mehrere Zivilisten hingerichtet. Die Dörfer von Pedescala und Settecà wurden während des Rückzugs der deutschen Truppen niedergebrannt und 83 Zivilisten ermordet, eine Beteiligung der Wehrgeologen wird vermutet.

4. Dezember 2018

Das Geheimnis der „Mary Celeste“

Am 4. Dezember 1872 entdeckte die Besatzung der "Dei Gratia", unter den Kommando von Kapitän David Morehouse, unweit der Inselgruppe der Azoren und dem portugiesischen Festland die Brigg "Mary Celeste". Einige der Segel waren zerrissen und das Schiff schien ziellos herumzutreiben. Morehouse beschloss beizudrehen und ein Beiboot auszusetzen. Von der Mannschaft der Mary Celeste, Kapitän Benjamin Briggs, seiner Ehefrau und seiner Tochter und sieben Seeleuten, fehlte an Bord jede Spur. Im Rumpf stand etwas Wasser, einige Ladeluken waren verrutscht, in den Mannschaftskabinen herrschte ein Durcheinander, Navigationsinstrumente des Kapitäns waren verschwunden und das Rettungsboot fehlte. Das Schiff war aber noch seetüchtig und daher war es äußerst seltsam, dass die Mannschaft anscheinend freiwillig von Bord gegangen war. Ein Teil der Mannschaft der Dei Gratia segelte mit der Mary Celeste zurück nach Gibraltar, wo sie eine Belohnung für die Bergung des Geisterschiffes verlangte.
Das spurlose Verschwinden der gesamten Mannschaft der Mary Celeste bleibt bis heute eines der ungelösten Rätsel der Seefahrt. Der November 1872 war durch zahlreiche Stürme auf dem Nordatlantik geprägt und man vermutete zunächst, dass die Mannschaft, als sie das Wasser im Rumpf bemerkte, nahe der Insel Santa Maria, eine der Inseln der Azoren, das anscheinend sinkende Schiff verlassen hatte, um mit dem Rettungsboot an Land zu gelangen. Aber laut Logbuch der Dei Gratia, die nur wenige Tage hinter der Mary Celeste von Nordamerika nach Europa segelte, war die See rund um die Azoren ruhig gewesen. Im Logbuch der Mary Celeste gab es einen letzten Eintrag am 25. November, in Sichtweite der Insel Santa Maria, der ebenfalls von einer Wetterbesserung sprach. 

Im Laufe der Zeit wurden mehr oder weniger plausible Erklärungen vorgeschlagen, die von Meuterei, über einen Überfall von Piraten, Massenhysterie, Seemonster, UFOs und Seebeben reichen.

Marinebiologe David Williams führt Seebeben an, um alle möglichen, rätselhaften Begebenheiten zur See zu erklären. In Dezember 1885 musste die Alhama of Arenda in der Nähe der Azoren aufgegeben werden, nachdem ein Seebeben sie getroffen hatte. Angeblich wurden in 1941 mehrere U-Boote durch ein Seebeben mit Epizentrum zwischen den Azoren und Lissabon beschädigt.
Laut Williams verursachen Erdbeben entlang des Störungssystems, das sich von Portugal aus in den Atlantischen Ozeans erstreckt, Druckwellen, die zu Schäden an Schiffen führen sollen. Entlang der Azoren-Gibraltar-Bruchzone stoßen die Afrikanische und die Eurasische Platte zusammen und hier liegt vermutlich auch das Epizentrum des berühmten Erdbebens das in 1755 auch Lissabon zerstörte.


Auch im Bermuda-Dreieck sollen gewaltige Druckwellen, verursacht durch Unterwasservulkane und Seebeben, Schiffe und Flugzeuge spurlose verschwinden lassen.

Williams schlägt folgendes Szenario vor um das Rätsel der Mary Celeste zu erklären. Das Segelschiff wurde, als es sich den Azoren näherte, durch ein Seebeben getroffen, wobei es zu Schäden am Schiffskörper kam. Briggs wurde panisch und befahl seiner Familie und der Mannschaft in das Rettungsboot zu steigen, in der Hoffnung das rettende Festland, die vulkanische Insel Santa Maria, zu erreichen. Tatsächlich konnten am Bug der Mary Celeste Schäden festgestellt werden. Allerdings kamen herbeigerufene Experten zum Schluss, das Wellen aus den gerade renovierten Schiffskörper große Holzspäne herausgerissen hatten. Des Weiteren gibt es keine Aufzeichnungen eines Erdbebens bei den Azoren in 1872. Williams Erklärung bleibt daher völlig hypothetisch.


Man geht heute eher davon aus, dass die Ladung der Mary Celeste beim Verschwinden der Mannschaft eine Rolle spielte. Die Ladung bestand aus über 1.000 Fässern mit Industriealkohol. Beim Entladen des Schiffes bemerkte man, dass einige Fässer leer waren. Der Alkohol war anscheinend aus den nicht ganz dichten Fässern entwichen. Als die Mannschaft den Geruch von Alkohol im Laserraum bemerkte, lies der Kapitän alle an Bord in das Rettungsboot steigen, vielleicht in der Hoffnung,dass die Alkoholgase verpuffen würden. Als das Seil, mit der das Rettungsboot an die Mary Celeste gebunden war, zerriss, driftete das kleine Boot ab. Die verlassene Mary Celeste driftete mit den Strömungen und den Wind weiter Richtung Portugal, bis sie schließlich entdeckt wurde.

3. November 2018

Der kosmische Ursprung von Tutanchamuns Grabbeigaben

Ägypten, Tal der Könige, am frühen Morgen des 4. November 1922. Seit sechs Jahren gräbt der britische Archäologe Howard Carter hier in einem abgelegenen Tal westlich des Nils, das im Alten Ägypten als Land der Toten angesehen wurde. Zahlreiche Herrscher wurden hier bestattet und Carter hofft, hier auch das Grab des Pharao Tutanchamun zu finden. Bisher hatte Carter kein Glück und dies ist die letzte Grabungssaison, die sein Geldgeber bereit ist zu bezahlen. Doch an jenem schicksalhaften Tag hatte ein Arbeiter eine Stufe, die in die Tiefe führte, entdeckt. Als man den Schutt beiseite schafft, kommt eine Treppe zum Vorschein und schließlich eine versiegelte Tür. Einen Monat später dringen die Ausgräber in die Grabkammer ein, die mit wunderbare Dinge gefüllt war.

In einer Truhe im Inneren des Grabes entdeckt Carter ein Geschmeide, das mit einem auffälligen Skarabäus, der aus einem grünlich schimmernden Stein geschnitzt ist, verziert war. Der grüne Edelstein muss als kostbar gegolten haben, er wurde nämlich genau in der Mitte des Geschmeide aus Gold, Silber, Glasfluss und anderen edlen Gesteinen, gesetzt. Der grüne Skarabäus stellt den Sonnengot Ra dar, wie er die Barke mit der Sonnenscheibe über das Himmelsgewölbe trägt, ein ewiger Kreislauf der auch Leben, Tod und Wiedergeburt darstellt.
Carter bestimmte den Stein zunächst als Chalcedon, eine der vielen Quarzvarietäten. Im Jahre 1998 untersuchte der italienische Mineraloge Vincenzo de Michele den Skarabäus und bestimmte dessen optischen Eigenschaften. Er entdeckte, dass es sich tatsächlich um Wüstenglas handelte. Wüstenglas aus hochreinem Siliziumoxid zählt zu den seltensten Mineralien, die auf der Erde vorkommen. Seine Entstehung ist noch heute rätselhaft. 

Die libysche Wüste erstreckt sich vom Sudan im Süden bis nach Siwa im Norden, von der Dakhla-Oase im Osten bis zu den Großen Sandsee im Westen, über die zwei modernen Staaten von Libyen und Ägypten. Irgendwo von hier stammt der in den über 3.300 Jahren alten Schmuckstück gefasste Stein. Die Fundstelle von Libyschen Wüstenglas wurde 1932 vom britischen Kartografen Patrick A. Clayton während einer kartografischen Mission entlang der Grenze zu Libyen, damals unter italienischer Herrschaft, zufällig entdeckt. Fachleute vermuten, dass Wüstenglas durch Aufschmelzen und schnelles Abkühlen aus Sand entstanden ist. 

Vulkanismus allein kann dieses Glas, das typische Schmelzstrukturen aufweist und eingeschlossen Gasblasen enthält, nicht erklären. Nur der Impakt eines Himmelskörpers nördlich des Gilf-Kebir-Plateaus, tief im Inneren der Libyschen Wüste, vor 28 bis 29 Millionen Jahre kann die nötige Hitze erzeugen, bei der der Sand der Wüste aufschmolz. Spurenelement, die typisch für die meisten der auf der Erde gestürzte Meteoriten sind, stützen ebenfalls diese Erklärung. Es wäre nicht der einzige Gegenstand mit kosmischen Ursprungs der im Grab des Tutanchamuns gefunden wurde. Neunzehn Grabbeigaben wurden aus Meteoriteneisen hergestellt, darunter auch ein prächtiger Dolch, der zusätzlich noch mit Gold verziert worden war.



Bei Eisen-Meteoriten ist das Metall besonders feinkörnig und daher relativ gut bearbeitbar. Das Metall wurde durch Kalthämmern in die gewünschte Form gebracht. Nicht nur der hohe Arbeitsaufwand machte solche Artefakte kostbar. Da Meteoriten sehr selten gefunden werden, war das daraus gewonnene Eisen kostbarer als Gold.

Es ist nicht ganz klar, ob die alten Ägypter von der wahren Herkunft des verwendeten Metall wussten. Ägyptische Quellen um 1.300 v. Chr. beschreiben das Eisen als "vom Himmel stammend". Diese Beschreibung könnte sich auf einen tatsächlich beobachteten Impakt beziehen. Die Bezeichnung könnte aber auch einfach auf die göttliche Herkunft des Eisens hinweisen, als ein Geschenk der Götter, die hoch über den Sterblichen in ihren Himmels-Sphären herrschten.



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26. August 2018

Das abenteuerliche Leben des Déodat de Dolomieu

„Jedes Jahr eilte ich zu einer Bergkette, stieg auf ihre Gipfel, um jene tiefen Eindrücke zu empfinden, die aus der Betrachtung des weiten Horizonts entstehen. Da oben dachte ich nach über die Entstehung der Erdkugel, die Umwälzungen, die sie erfahren hat, die Vorgänge, die ihre Formen verändert und den heutigen Zustand bewirkt haben…Wie ich so nach und nach höher stieg und meinen Gedanken immer weiteren Raum gab, verstärkte sich auch mein Weltbild: Mein Horizont stieß auf immer weniger Grenzen.“
Diedonnè-Silvain-Guy-Tancrede de Gvalet de Dolomieu

 
Diedonnè-Silvain-Guy-Tancrede wurde am 23. Juni 1750 in der Pfarrei von Dolomieu (Provinz von Dauphinè, Frankreich) geboren. Er war Sohn einer noblen, wenn auch verarmten, Familie. Er erhielt daher, ungewöhnlich für seine Zeit und seinen Stand, keinen privaten Unterricht, sondern brachte sich das Lesen selbst bei und erforschte selbständig die Natur in seiner näheren Umgebung. Mit erst 12 Jahren trat in den Militärdienst ein. Bei einen Duell tötete er seinen Gegener und nur politische Beziehungen retteten ihn vor lebenslanger Haft. Nach einem Jahr im Gefängnis wurde er entlassen und es wurde ihm nahegelegt, er solle doch sein Glück anderswo versuchen um weiteren Problemen aus dem Wege zu gehen. Im Jahre 1771 kam er nach Paris, wo er zum ersten Mal mit gleichgesinnten Intellektuellen zusammentraf. Dort lernte er auch den Naturkundler und Mineralogen Horace-Benedict de Saussure kennen. Trotz seines Interesses an der Geologie, er verzichtete sogar mehrmals auf Posten, um sich weiter den Studium zu widmen, ging es mit seiner militärischen Karriere voran. Im Zuge seiner militärischen Verpflichtungen und auch aus Interesse reiste er viel. Er besuchte mehrmals Spanien, Italien und Malta und plante auch eine Reise in die deutschen Bergbaugebiete. Dolomieu war ein unruhiger Geist und unterstützte auch liberale politische Ansichten, was ihm einige Feinde einbrachte. Einer seiner frühen Unterstützer, der Mineraloge Alexandre Duc de La Rochefoucauls, wurde vor seinen Augen umgebracht. Er unterstützte zunächst die französische Revolution, aber nach den Verlust seines Erbe und knapp der Guillotine entkommen, wendete er sich gegen das Terrorregime. In 1796 wurde er von der neuen, revolutionären Regierung unter Napoleon Bonaparte zum Mineningenieur, Professor und Mitglied des Institut National in Paris befördert und lehrte an der bergmännischen Schule in Paris. Später nahm er mit Napoleon am Feldzug nach Ägypten teil und erforschte den Nil. Bei der Rückreise, nach den gescheiterten Feldzug, wurde er im Königreich Sizilien gefangen genommen und als Kriegsgefangener verurteilt,
Seine früheren politischen Streitereien holten ihn nun ein. Auf Druck der Erzherzogin Maria Karolina von Österreich wurde er in Messina eingekerkert. Aus den Ruß der Kerzen, die seinen dunklen Kerker erleuchteten, fertigte er Tinte an und verfasste am Rand der wenigen Bücher die er herein-geschmuggelt hatte seine „Mineralogische Philosophie.“ Angeblich nutzte Alexandre Dumas de Dolomieus Gefangenschaft als Inspiration für die Figur eines verschrobenen, aber genialen, Aristokraten in seinen Roman „Der Graf von Montechristo“, der den titelgebenden gefangenen "Graf" unterrichtet.
Durch den Sieg bei Marengo (Italien) konnte Napoleon die Herausgabe des Gefangenen nach 3 Jahren Kerkerhaft erzwingen. Dolomieus Rückkehr nach Paris wurde gebührend gefeiert und zunächst nahm er auch seine Lehrtätigkeit wieder auf, zog sich aber bald darauf nach Châteauneuf in das Massif Central zurück, wo eine seiner Schwestern lebte. Seine geologische Sammlung lag noch in Malta, wobei die dortigen Behörden die Sammlung Italien vermachen wollten, während Dolomieu eher an Frankreich oder Schweiz, ja sogar den jungen Vereinigten Staaten, dachte. Heute kann seine umfangreiche mineralogische Sammlung in Paris bewundert werden. Am 26. November 1801 stirbt Dolomieu, gerade mal 51 Jahre alt, an den gesundheitlichen Nachwirkungen seiner langen Kerkerhaft.

1791 hatte Dolomieu einen kurzen Bericht "über eine Art von Kalkgestein, welches nur schwach mit Säure reagiert und Phosphoreszenz beim Anschlagen zeigt" veröffentlicht. Das Gestein, das er in den Tiroler Bergen angetroffen hatte (Stubaier Alpen und bei Bozen), fand er später auch verbaut in eine römische Ruine. 

Leopold von Buch´s Karte "Esquisse d´une carte geologique de la parte meridionale du Trentino" (1822) zeigt die Verteilung von Karbonatgesteinen in Tirol - hellblau Kalkgestein, dunkelblau Dolomitgestein. Dolomieu sammelte die ersten Proben von Dolomit wahrscheinlich im Bereich des Brenners oder entlang der Etsch, nicht in den heutigen Dolomiten, die damals noch weit abseits der bekannten Reiserouten lagen.

Das Gestein war auch verwitterungsresistenter und bildete, so Dolomieu, "die oberste Bedeckung in den Alpen aus." Bei Bozen fand er auch Kristalle der neuen Mineralart, die er zunächst als „Perlen-Spat“ bezeichnete. Die kleinen, rhombenförmigen Kristalle wiesen eine gekrümmte Kristallfläche auf und, wie das Gestein, lösten sie sich nur langsam in Säure auf. 
Die ersten chemischen Analysen des neuen Minerals durch Nicolas-Theodore de Saussure (Sohn von Horace-Benedict de Saussure) wiesen zunächst hohe Werte von Silizium und Aluminium auf (zur damaligen Zeit, da Aluminium als Metall noch unbekannt war, als Tongehalt angegeben). 1792 publizierte er seine Analysen in einem Artikel mit dem Titel “Analyse de la Dolomie”, wo er vorschlug, zu Ehren Dolomieu das neue Mineral als Dolomit zu bezeichnen. Erst der Chemiker Smithson Tennant (1761-1815) erkannte um 1799 den Fehler und bestimmte Magnesium und Calcium als Hauptkomponenten des Dolomit.
Saussure wiederholte seine Analysen und bestätigte die neue Formel. In 1808 erkannte der Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743-1817) das Perlen-Spat und Dolomit-Gestein ein und dasselbe sind, es sich um ein Salz von Magnesium und Kalzium mit der Kohlensäure handelt, und bestätigte Dolomit als ein eigenständiges Mineral. Aber noch 40 Jahre lang geisterten die falschen chemischen Werte in der Fachliteratur herum.
„So viele Dolomitenzinken ich in Venetien und Tirol gesehen habe: den Geislerspitzen kommt an Jähe und Zerissenheit nichts gleich von all dem, was da aufstarrt.“ Reiseschriftsteller Heinrich August Noë (1835-1896).

„Sie schienen so wenig Teil der grünen Hänge zu sein, auf denen sie standen, dass sich in uns die Vorstellung entwickelte, es handelte sich um Eisberge aus Stein, die wieder davontreiben und das Land spurlos verlassen konnten.“ So schreiben in 1864 die beiden englischen Reiseschriftsteller Josiah Gilbert und George Cheetham Churchill in ihrem Buch “The Dolomite Mountains”. Ab 1876 setzte sich dann der Namen Dolomiten für die Bleichen Berge durch. Übrigens der einzige Fall in dem das Mineral einer Gegend den Namen gab und nicht umgekehrt. 

Literatur:

ZENGER et al. (1994): Dolomieu and the first description of dolomite. Spec. Pubis Int. Ass. Sediment  21: 21-28